Süddeutsche Zeitung

Biker-Protest in München:"Baut uns eine Rennstrecke in Bayern!"

Hunderte Motorradfahrer rollen mit Polizeibegleitung durch München, ausnahmsweise nicht zu ihrem Vergnügen. Von den "Idioten da oben" fordern sie eine Rennpiste, weniger schmierigen Bitumen auf den Straßen - und ein Ende der Winterreifenpflicht.

Von Wolfgang Görl

Die ersten Motoren heulen auf, während Michael Glatt noch einmal kräftig an seiner Zigarre zieht. Soeben hat der 59-jährige Elektromeister aus Freising weitschweifig über die Freuden des Motorradfahrens philosophiert und nebenher beklagt, dass der Staat die Tendenz habe, die Biker generell zu kriminalisieren, aber jetzt schwingt er sich zu einem schönen, ja fast zärtlichen Schlusswort auf: "Jedes mal auf d'Nacht, wenn mich mein Motorrad gut heimgebracht hat, streichel ich es."

Wenig später sitzt er auf seiner BMW K 1200 S. Es geht los. Vorneweg die Polizei, dahinter der gewaltige Schwarm der Motorradfahrer, mindestens 500 mögen es sein, vielleicht auch ein paar hundert mehr. Sie fahren an diesem Sonntagmorgen von der Parkharfe des Olympiastadions aus einmal rund um den Mittleren Ring. Dies ist keine Vergnügungsfahrt. Es ist, wie die Veranstalter vom Motorrad-Portal MünchenBiker.de versichern, eine Demonstration.

Worum es geht, hat Reinhard Taubmann, der Sprecher der Münchner Biker, vor dem Start in einer kurzen, eher rustikal intonierten Rede verkündet. Ganz oben auf seiner Wunschliste an die Politiker steht die Forderung: "Baut uns eine Rennstrecke in Bayern!"

Auf so einer Piste, argumentieren die Motorradfreunde, könnten insbesondere Anfänger ihre Grenzen ausloten, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden. Wo die Rennstrecke gebaut werden könnte, hat sich Taubmann, der fünf Motorräder besitzt und zur Demo auf einer Honda Gold Wing ("meinem Schlachtschiff") erschienen ist, bereits überlegt: Irgendwo rund um den Münchner Flughafen. Dort störe der Lärm niemanden, denn die Flugzeug seien "zehn Mal lauter".

Ein Belag so glatt wie Schmierseife

Auch noch ein paar andere Forderungen hat Taubmann im Gepäck: Motorradler sollten die in Staus zum Warten verurteilten Autos straflos überholen dürfen, das Parkverbot in der "Showkurve" am Kesselberg müsse fallen, und überdies sollten die "Idioten da oben" (gemeint sind die Politiker) die Winterreifenpflicht für Motorräder abschaffen, weil die meisten Bikes in der kalten Jahreszeit ohnehin stillgelegt würden. Und was auch ein Ende haben müsse, sei die gängige Praxis, "das ganze Oberland mit Bitumen zuzuschmieren".

Dass der Bitumenbelag lebensgefährlich sei, findet auch der 55 Jahre alte Biker "Frosch", der dem Motorradclub "Kuhle Wampe" angehört, einer Vereinigung, die sich in der solidarischen Tradition der Arbeiterbewegung sieht. "Wenn Bitumen nass wird, ist er glatt wie Schmierseife", klagt der Biker mit dem langen Grauhaar, der seine Motorradkarriere als Schüler auf einem frisierten Mofa begonnen hatte. Heute fährt er eine Neunhunderter Yamaha. "Es macht einfach Spaß." Und weil seine Frau auch etwas davon haben soll, sitzt sie in seinem Rücken. Zuletzt hat "Frosch" ganz Deutschland auf zwei Rädern erkundet. 50 000 Kilometer sind dabei in drei Jahren zusammengekommen.

Wahrscheinlich verabschiedet nicht jeder der in der Parkharfe versammelten Motorfreunde seine Maschine mit abendlichen Streicheleinheiten oder einem Gute-Nacht-Kuss; dass aber der Biker eine leicht ins Erotische lappende Beziehung zu seinem Bike hat, ist kaum zu überhören. "Ich liebe es einfach", sagt beispielsweise Reinhard Taubmann. Außerdem sei der Zusammenhalt unter den Motorradlern einzigartig, da "hilft jeder jedem".

In der Tat geht es bei dieser Demo zu wie bei einem Klassentreffen: Da umarmt der in die Jahre gekommene Altrocker, der sein verbliebenes Langhaar zu einem schütteren Zöpfchen zusammengebunden hat, den breitschultrigen Kahlkopf, der als Türsteher eine eindrucksvolle Figur abgäbe; da klopft der soignierte Gentleman-Biker einem jungen Sportsfreund auf der Schulter, der so dürr und schmalbrüstig ist, dass man ihn lieber auf dem Fahrrad sähe.

Und auch Frauen sind dabei, und zwar keineswegs nur als dekorative Figur für den Rücksitz. Die 28-jährige Susanne Heckmair zum Beispiel, die eine Suzuki GSX-R fährt: Sie liebt das Gefühl, sich mit dem Bike in die Kurven zu legen, das sei etwas ganz Anderes, Schöneres, als im Auto "wie in einem Käfig zu sitzen". Und die junge Frau weiß, wie man mit Stil Motorrad fährt: Ihr schwarz-weißer Lederanzug ist farblich genau abgestimmt mit dem Design ihre Suzuki - modisch liegen die Männer da kilometerweit zurück.

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SZ vom 19.05.2014/tba
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