Oper:Weihefestsaalspiel

Oper: Auf dem kreisrunden Podium der "Bieroper" gibt es allergrößte Oper und ebensolchen Unsinn.

Auf dem kreisrunden Podium der "Bieroper" gibt es allergrößte Oper und ebensolchen Unsinn.

(Foto: Sebastian C. Hoffmann)

Peter Androsch hat eine "Bieroper" geschrieben, in Pfarrkirchen kann man sie erleben.

Von Egbert Tholl, Pfarrkirchen

Das Bier. Heiliges Labsal. Wer zweifelte daran, gerade hier in Bayern, wo das Wirtshaus neben der Kirche steht, beides unterschiedlich gut besucht, aber doch eine Wesenseinheit. Die kann ineinanderfließen, architektonisch: Der Brauhaussaal in Pfarrkirchen hat für sich schon eine kirchliche Anmutung (allerdings eine eher protestantische mit seinen Balkonen im ersten Stock), er besitzt sogar eine kleine Apsis, darin eine Bühne. Den Saal hat die Stadt gekauft, als die Brauerei nicht mehr lief, nun findet dort Kultur statt. Wie eben die "Bieroper" von Peter Androsch, eine Produktion des Theaters an der Rott in Eggenfelden, was nicht weit entfernt ist.

Man ist eine geraume Zeit unterwegs zu diesem hagiographischen Erlebnis, von München aus immer Richtung Altötting, so ungefähr, die Zielrichtung passt also, Wallfahrtsort. Denn Androschs "Bieroper" ist ein Bühnenbierweihefestspiel, das merkt man schon daran, dass listig eingefügte Musiken darin herumschwimmen, unfiltriert quasi, Bruckner und Wagner, aber auch Händels "Lascia ch'io pianga", hier als summend schöne Vokalise.

Der Teufel ist ein ins Dosenbier gefallener Engel

Man lernt viel. In der Mitte des Saals steht ein kreisrundes Podium, weiß-blaue Rauten, eine Art Boxring, jedenfalls gibt es hier Lucca Züchner, strahlendes Nummerngirl, Ansagerin, Dompteurin der Bierzutaten. Und am Ende auch große Tragödin mit einem Monolog über das Dosenbier in der Bierdose, Dosenbierreste und deren Hautgout, in welchem enthalten ist auch ein wenig Schwefel. Und wo Schwefel ist, da ist auch der Teufel, mithin das Umgekehrte vom heiligen Labsal. Doch ist der Teufel ja auch nur ein gefallener Engel, ein ins Dosenbier hineingefallener.

Ach so, man lernt ja. Von der Herstellung des Bieres, vom Mälzen und Schroten, von der Gärung und dem Ruhen, den Bakterien und der Amylase. Die wächst aus dem Gerstenkorn heraus, und eine Stunde später ist das Bier dann fertig, aber nur in der "Bieroper", normalerweise dauert das länger.

Das sehr Lustige ist nun, dass Eva Maria Amann, Bonko Karadjov, Armin Stockerer und Andreas Barth mit allergrößter Ernsthaftigkeit das alles singen und spielen, auch weil der Regisseur Yaron David Müller-Zach genau weiß, dass man das Seltsame ernst nehmen muss, damit es seine Würde bewahrt. Die Vier also sind Bakterien und Gerstenkörner, sie singen allergrößte Oper und ebensolchen Unsinn, sie sind alle Vier Meister ihres Fachs, wobei man etwa bei Bonko Karadjov gar nicht sagen kann, was das Fach ist, denn er ist Bassbariton und Falsettist zugleich, wenn auch nicht im selben Moment.

Die "Bieroper" lässt sich gut als Wirtshaussaalreiseoper vorstellen

Peter Androsch hat schon zwei Opern für das Theater an der Rott geschrieben, insgesamt hat er 22 Musiktheaterwerke komponiert, er ist ein Klangforscher und ebensolcher Künstler, kann fabelhafte Hörspaziergänge entwerfen oder Festivals leiten in Linz, wo er lebt, oder Regensburg, wo es schöne Wirtshäuser gibt. Er pflegt einen aufgeweckten Pragmatismus, wenn es sein muss. Die "Bieroper" kann man sich gut als Wirtshaussaalreiseoper vorstellen, denn sie braucht, neben den fünf Akteurinnen und Akteuren, nur zwei Musiker: Philip Staudt spielt Trompete und Flügelhorn, Dean Wilmington Heimorgel, jenes Instrument, mit dem man alles machen kann, wenn man nicht gerade ein Orchester zur Hand hat.

Einziges Manko: Die Vorstellung war, man säße in diesem Wirtshaussaal vor einem Schweinsbraten und einem Bier. Beides gibt es nicht. Und doch wäre die Zufuhr dessen, worum es hier geht, hilfreich für die eschatologischen Verstiegenheiten, die einem hier begegnen können. Von den Tränen Mariens bis zum Heiligen Geist. Denn Bier besteht auch aus einer Dreifaltigkeit, und man braucht dafür: die unbefruchtete, weibliche Hopfendolde. Auch wenn bislang wenige beim Biertrinken an eine unbefleckte Empfängnis dachten.

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