Biermesse:Ein Prosit dem Tomatenbier!

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Wohl bekomm's! Ein Tester auf der Biermesse in München. (Foto: Robert Haas)

Oder doch lieber ein Apfel-Zimt-Cider-Ale oder ein Avocado-Bier? Auf der Biermesse zeigen vor allem junge Brauer, was sie können.

Von Julia Haas

Bloody Mary war gestern, heute trinkt man Tomatenbier - aus Tomatenpüree, Pfeffer, Salz und mexikanischen Chipotles. Zumindest beim Besuch der Biermesse "Braukunst Live!". Das MVG Museum machte am Wochenende drei Tage Platz für bierbegeisterte Besucher und Aussteller. "Saufen können die Leute überall, hier können sie auch was lernen", sagt Veranstalter Frank-Michael Böer.

Am Eingang gibt es ein Glas in die Hand, dann kann das Lernen losgehen. Hippe Craftbeerbrauer mit Bart und Tattoos stehen hinter Theken aus Holzkisten, daneben Traditionsunternehmen mit Mitarbeitern in Tracht. Von Hofbräu bis Ayinger. Maximilian Herzog zum Beispiel ist Brauerlehrling bei Ayinger und zapft für die Besucher Helles und Urweiße aus dem Fass. Weizenbock, Kellerbier und das neue unfiltrierte Dunkle stehen im Kühlschrank bereit. Bei ungefiltertem Bier bleibt die Hefe nach dem Brauprozess im Bier, wird gefiltert, ist es klar. "Das Helle wollen die Leute leider immer filtriert, so klar, dass man durchsehen kann", sagt der Erdinger. Dabei habe Unfiltriertes einen viel volleren Geschmack. Gleich mal was gelernt.

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Brauer haben beruflich bedingt viel mit Alkohol zu tun. Den Beruf wählen sie natürlich trotzdem nicht, weil sie sich davon jeden Tag einen kostenlosen Rausch versprechen. Obwohl, mindestens 78 Liter Freigetränke gebe es bei seiner Brauerei im Monat, sagt Maximilian Herzog, das sei tariflich so festgelegt. Zuhause braut er in der Garage auch mal mit seiner selbstgebastelten Anlage, wenn er davon erzählt, fallen die Worte "Einkochtopf" und "echt ganz leicht".

Viele Bierbrauer fangen klein an. Orca Brau etwa hat seinen Stand im hinteren Teil der Halle. Junge oder noch sehr kleine Bierbrauer dürfen hier ohne teure Standgebühr ausstellen. Bei Orca Brau übernimmt Felix vom Endt praktisch die gesamte Arbeit: Er überlegt sich die Rezeptur, braut, füllt ab, verkauft. Unterstützt wird er von seiner Frau und seinen Schwiegereltern. Noch ist es ein harter Job, sagt Endt, "superanstrengend". Für alles muss er in Vorleistung gehen, Geld zu verdienen sei schwierig. Seit knapp einem Jahr ist er selbstständig.

Früher studierte der junge Familienvater Soziale Arbeit und schrieb seinen eigenen Bierblog. Danach braute er ein bisschen in Kanada, später in Berlin. So richtig offiziell gelernt hat er es aber nie. Endt schenkt Tomatenbier aus, die Besucher bekommen bei ihm auch "jingle-mingle", ein Apfel-Zimt-Cider-Ale. Der Brauer beschreibt es als flüssigen Bratapfel. Gewöhnlich klingen die Angebote bei Orca nicht. Endt gehört zu den Kreativbrauern. Er braut nicht nach dem Reinheitsgebot, sondern nach dem Natürlichkeitsgebot. Tomaten, Kräuter, Beeren, alles ist erlaubt, was Lebensmittel nicht giftig macht. "Einen Fliegenpilz würden wir nicht reinballern", sagt er.

"Grad der bayerische Biermarkt ist eben konservativ"

Ein älterer Mann kommt an den Stand von Endt, er trägt Rucksack und Cordhose und bestellt das Schokominzbier. 9000 Biere habe er in seinem Leben schon getrunken, sagt er, es ist sein Hobby. 60 bis 80 Tage ist er dafür im Jahr unterwegs, fährt auf Messen, Festivals, zu Händlern und Craftbeershops. Nach dem Trinken löst er jedes Etikett von der Flasche ab und sortiert es in einen Ordner. Wenn er bei Freunden eingeladen sei und es gebe nur Bier, das er schon kenne, trinke er nichts. "Ich darf jetzt immer mein eigenes mitbringen", er schmunzelt. Sein Minzbier trinkt er langsam und bedächtig. "Ich will auf der Messe nicht mal angetrunken sein, sonst ist der Geschmack tot."

Ein paar Stände weiter testen ein paar Südtiroler gerade ein Avocado Ale. Aber eigentlich empfehlen sie das Bier Slyrs von Hoppebräu. Slyrs liegt im Glas wie brauner Sirup, schmeckt sehr malzig. Die Experten erklären, dass es sich dabei um einen Imperial Stout handelt, der mehrere Monate in Whisky Fässern gelagert wird. Brauer Markus Hoppe erzählt, dass er mittlerweile auch seinen Opa von seinem Bier überzeugt hat. Seine Kreation Voglwuid, ein fruchtiges Indian Pale Ale, benannte er sogar nach seinem Großvater. "Voglwuid" habe nämlich das Urteil seines Opas nach dem Probieren gelautet.

Hoppe ist gelernter Brauer. Bevor er mit seiner eigenen Marke durchstartete, verließ er seine Heimat Tegernsee und zog er eine Gasthausbrauerei auf Mauritius hoch. Seine bayerischen Wurzeln spiegeln sich in den Biernamen wider: Wuide Hehna, Fuchsteufelswuid. Im Gegensatz zu den Kreativbrauern bewegt sich Hoppe nur innerhalb des bayerischen Reinheitsgebots. Am beliebtesten ist bei seinen Kunden das Bier, das einem klassischen Hellen am nächsten kommt, der Wuide Hund. "Grad der bayerische Biermarkt ist eben konservativ", sagt Hoppe. Auch andere Craftbeerbrauer haben deshalb neben ihren ausgefallenen Sorten mittlerweile traditionelle Sorten im Angebot.

Unter den Besuchern der Messe befindet sich auch Ludwig Narziß, der als Brauwissenschaftler schon wirklich vieles probiert hat. "Bier muss ich eigentlich nie kaufen, ich krieg immer alles zugeschickt", sagt der 92-Jährige. Tomatenbier allerdings, das muss er zugeben, wurde ihm noch nie angeboten.

© SZ vom 05.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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