Haidbräu:Eine Halbe auf den guten Zweck

Haidbräu: Braumeister Jens Tischer macht extra noch eine sozialpädagogische Zusatzausbildung.

Braumeister Jens Tischer macht extra noch eine sozialpädagogische Zusatzausbildung.

(Foto: Catherina Hess)

Die Arbeiterwohlfahrt betreibt jetzt nicht nur Sozialfürsorge, sondern in Fröttmaning auch eine Brauerei. Das neue "Haidbräu" wird sogar schon in Hannover getrunken.

Von Franz Kotteder

Es gibt Berufe, die man sofort mit München verbindet. Da wären zum Beispiel die "Dirndl-Designerin" oder die "Society-Lady", die ihr natürliches Lebensumfeld vor allem auf den Gästelisten von Schicki-Veranstaltungen haben. Und es gibt den altehrwürdigen "Bierbaron", wie man in der Stadt einst die Brauereibesitzer nannte.

Karin Häringer ist weder Dirndl-Designerin noch Society-Lady, aber man könnte sie mit einem gewissen Recht als "Bierbaronin" bezeichnen. Denn die Geschäftsführerin der Awo München Concept Living GmbH, eines Tochterbetriebs der Münchner Arbeiterwohlfahrt (Awo), hat im Münchner Norden eine Brauerei eröffnet. Vor sechs Wochen wurde der erste Sud angesetzt, und auf dem Isarinselfest an diesem Wochenende wird es erstmals ausgeschenkt. Am Stand der Andechser Brauerei bei der Lukaskirche werden Karin Häringer und ihr Chef, der Geschäftsführer der Münchner Arbeiterwohlfahrt Hans Kopp, persönlich das neue Haidbräu zapfen.

"Haidbräu haben wir unser Bier genannt", so Häringer, "weil die Brauerei in der Fröttmaninger Heide steht." Nicht, weil die Arbeiterwohlfahrt ihren Sitz an der Gravelottestraße in Haidhausen hat - aber gegen diese Assoziation haben Häringer und Kopp auch nichts. Am wichtigsten ist sowieso das übergeordnete Ziel von Concept Living, Menschen mit einer seelischen Beeinträchtigung wieder sinnvoll zu beschäftigen. Dafür unterhält die GmbH am Admiralbogen in Fröttmaning, unweit der Fußballarena, eine Reihe von Werkstätten: eine Schreinerei und eine Druckerei zum Beispiel sowie eine Bäckerei, die auch das hauseigene Haidcafé beliefert. Und seit Kurzem eben auch eine Mini-Brauerei mit einer Kapazität von fünf Hektolitern im Sudhaus und Gärkesseln für insgesamt 30 Hektoliter. "Teilhabe am Arbeitsleben" will man den Klienten der Arbeiterwohlfahrt ermöglichen, sagt Häringer: "Bier brauen, das passt doch in München. Wären wir in einer Weingegend, hätten wir vielleicht einen Weinberg gekauft."

Braumeister Jens Tischer hat sein Diplom in Weihenstephan gemacht und danach in kleinen Brauereien im norwegischen Tromsø und auf Mauritius gearbeitet, jetzt hat er für die Arbeiterwohlfahrt die Mini-Brauerei aufgebaut. Gerade macht er noch eine sozialpädagogische Zusatzausbildung, weil er ja eng mit den Klienten der Arbeiterwohlfahrt zusammenarbeitet. Derzeit sind schon drei von ihnen in der Brauerei beschäftigt, später sollen es neun werden. Zu tun gibt es genug, es ist ja nicht so, dass man nur den Sud ansetzt und dann wartet. "Da gibt es viel körperliche Arbeit zu tun", sagt Tischer. Und dann natürlich viel Büroarbeit, die Erfüllung der Hygieneaufgaben, die Etikettierung und schließlich auch mal Säckeschleppen, wenn zum Beispiel die nächste Lieferung von "Saphir"-Aromahopfen aus der Hallertau kommt, oder das geröstete Malz aus Bamberg.

Den Anfang machte Tischer mit drei Sorten: Dem ausgesprochen süffigen "Roten Märzen" mit 13 Prozent Stammwürze und fünf Prozent Alkohol, der "Hellen Freude", einem klassischen Hellen sowie dem Weißbier "Goldener Weizen". Das unfiltrierte Bier ist sechs Wochen haltbar, die Halbliterflasche kostet 3,20 Euro, "dafür ist es aber auch handgebraut", sagt Häringer.

Die Sozial-Halbe kommt an. "Die weiteste Lieferung ging nach Reine bei Hannover für das Sommerfest eines Caterers", erzählt Hans Kopp. Haidbräu hat in Fröttmaning zwar einen Verkaufsladen, richtet sich aber nicht unbedingt an Endverbraucher, sondern an Firmen. Denn Betriebe, die eine Schwerbehindertenabgabe zahlen müssten, können stattdessen auch Produkte aus Werkstätten für behinderte Menschen erwerben - etwa Bier für die Firmenfeier von Haidbräu. Eine echte Marktlücke also: Trinken für die Inklusion.

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