Süddeutsche Zeitung

Bibliothek:Deutsches Museum präsentiert seine Schätze an Büchern

Am Samstag steht einen Tag lang die riesige Bibliothek des Museums auch Besuchern offen. Zu sehen sind alte, seltene und wertvolle Werke.

Von Karl Forster

Marcus Tullius Cicero lebte lange vor Gutenberg, dem Erfinder des Buchdrucks. Doch auch er wusste schon: "Ut conclave sine libris, ita corpus sine anima." Was bedeutet: Ein Raum ohne Bücher ist wie ein Körper ohne Seele. Legt man Ciceros hübschen Aphorismus als Folie über die Bibliothek des Deutschen Museums, dann tanzt in diesem ehrwürdigen Bau, der 1906 erstmals öffentlich zugänglich wurde, eine ganze Armada von Seelen.

Denn obgleich dieses von Oskar von Miller gegründete Haus seinen Ruhm vor allem den Exponaten aus Forschung, Wissenschaft und Technik verdankt, steht die im Nordteil angesiedelte Bibliothek dem in nichts nach. Davon kann sich am Samstag nun jeder ein Bild machen. Denn da gilt: Es ist Tag der Offenen Tür.

Es war Oskar von Miller, der Initiator des Deutschen Museums, der in weiser Voraussicht parallel zum technischen Hauptteil seines Gebäudes nach Vorbildern aus den USA auch gleich eine Bibliothek für technische Veröffentlichungen mit einplante. Wohl ahnend, dass vor allem Wissenschaftler und Forscher weniger auf den Faradayschen Käfig oder die Modelleisenbahn setzen, sondern sich fürs geschriebene Wort interessieren würden.

Sei es nun fürs neunbändige "Handbuch für gefährliche Güter" oder für das "Handbook of Statistics", 32 Bücher dick. Jedenfalls durfte Oskar von Miller sogar in der New York Times über seine riesige Sammlung technischer Bücher nach der Eröffnung 1932 schreiben. "A great library for selfeducation", so der Titel des Aufsatzes.

Diesmal ist es an Helmut Hilz, die Journalisten mit Zahlen, Daten und Fakten über die Bibliothek auf der Museumsinsel staunen zu machen. Er ist seit 1998 Chef der Sammlung und hat so gar nichts von einem weltfremden Bibliothekar mit Nickelbrille und Ärmelschoner an sich. Mit wachsender Begeisterung führt er die Medienschar durch seine Räume, erzählt munter und mit Anekdoten gespickt, dass und wie man hier alles Schriftliche sammle und gesammelt habe, was nur im Entferntesten mit Technik zu tun hat.

Da findet sich im öffentlichen Lesesaal im ersten Stock zum Beispiel das Autobuch "Ferrari and all the others" für den Motorenfreak neben "Hombre de la mar", eine Seefahrergeschichte. Da staunt man im dritten Stock über diese bibliothekare Monsteranlage, die sich über den ganzen Bau rund um den Innenhof erstreckt und etwa einer Million Druckwerken Platz bietet.

Besondere Schätze sind hier vollständige Sammlungen wahrhaft seltener Zeitschriften, etwa über Phonographen, also Geräuschwiedergabegeräte wie Schallplattenspieler, oder das gesamte Lufthansa Magazin. Und natürlich National Geografic vom ersten Band an; diese Gesellschaft, deren Ziel es war und ist, geografische Kenntnisse der Allgemeinheit zu vermitteln, wurde schon 1888 in Washington gegründet.

Etwas exotisch unter den vielen Exotika wirkt für den Laien die Sammlung alter und ältester Adress- und Telefonbücher. Doch Helmut Hilz hat sogleich eine zeitgemäße Anwendung dafür parat: Nach dem Zweiten Weltkrieg und ebenso nach der Wende 1989 hätten diese Bände eine wichtige Rolle bei den Wiedergutmachungsprozessen gespielt. Es gibt also tatsächlich Menschen, die in diesen endlosen, schmalen Gängen aus aktuellem Anlass forschen.

Insofern erübrigt sich auch die Frage an Hilz, wie oft denn die Bücher hier abgestaubt würden. "Meistens erledigt sich das dadurch, dass man sie benutzt", sagt er. Ansonsten ist hier selbstverständlich jede denkbare technische Finesse installiert, um Feuchtigkeit, Temperatur und Luftdruck ebenso zu regeln wie dafür zu sorgen, dass sich keine kleinen Tierchen hierher verirren und Gefallen finden am Geschmack des alten Papiers.

Im "Rara-Raum" liegen die wertvollsten der Wertvollen

Nun aber geht's ins Allherheiligste, den "Rara-Raum" - was ein bisschen komisch klingt, sich aber vom lateinischen "rarus", selten, ableitet. Jetzt hat Helmut Hilz plötzlich weiße Handschuhe an (und empfiehlt dies auch allen am Samstag ausnahmsweise auch dorthin eingeladenen Besuchern). Hier liegen, teils hinter Vitrinenglas, teils auf Tischen aufbereitet, die wertvollsten der Wertvollen: Bände aus uralten Zeiten, unschätzbar viel Geld teuer und noch viel reicher an ideellem Wert.

Zum Beispiel das Maschinenbuch "Instrument mathematiques mechaniques" von Jean Errad aus Nancy anno 1584. Mit einem Bild von einem Segelschiff auf einer Doppelseite, das ganz seltsame Schaufeln am Rumpf trägt. Wer meint, es handle sich um einen Vorläufer des Schaufelraddampfers, irrt: Die Schaufeln treiben, bewegt durch die Fahrt des Schiffes, innen Pumpen an, um eindringendes Wasser auszuleiten. Eine tolle Erfindung, die sich aber nicht so recht durchsetzen konnte im maritimen Leben.

Oder das "Liber organicus astronomiae Europeae apud Sinas restitutae", gedruckt in Peking im Jahr 1668 und verfasst von europäischen Mönchen, die damals in China wirkten. Dieser Band ist einzigartig auf der Welt. Es gäbe noch Tausend weitere Geschichten zu erzählen vom kostbarsten, vom größten, vom kleinsten, vom dicksten, vom längsten und vom ältesten Werk; wofür aber erstens der Platz fehlt und zweitens ja nicht das Interesse am Tag der Offenen Tür gemildert werden soll durch allzu ausführliche Beschreibungen.

Interessant dürfte noch sein, dass sich das Deutsche Museum von Dubletten trennen will, durch einen Bücherverkauf an diesem Samstag, eine Art Wühltisch in der Vergangenheit. Denn wie schrieb schon Heinrich Heine: "Von allen Welten, die der Mensch geschaffen hat, ist die der Bücher die gewaltigste."

Bibliothek des Deutschen Museums, Tag der Offenen Tür, Samstag, 28. Oktober, 10 bis 18 Uhr

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SZ vom 25.10.2017/axi/mkro
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