Prozess um Altersdiskriminierung:Rave für die Jungen, Tanztee für die Alten

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Zum Feiern ist man niemals zu alt, zum Feiern auf dem "Isarrauschen"-Festival aber schon. Man kann zum Feiern übrigens auch zu jung sein, aber es hat wohl noch nie ein 44-Jähriger versucht, sich in einen Tanztee einzuklagen. (Foto: Florian Peljak)

Dürfen Veranstalter ihr Publikum altersmäßig sortieren? Bis zu einem gewissen Grad ja, so die Meinung am Bundesgerichtshof. Doch "beim Maßstab, da sind wir noch auf der Suche." Und so muss sich ein klagender Fast-Partygast noch gedulden.

Von Wolfgang Janisch

Man konnte nicht den Eindruck gewinnen, dass Rüdiger Pamp, Senatsvorsitzender im Bundesgerichtshof, hier wirklich ein schreiendes Unrecht entdeckt hatte. An diesem Donnerstag prüfte der BGH die Klage eines damals 44-jährigen Mannes, der im August 2017 nicht zum "Isarrauschen" auf der Praterinsel zugelassen wurde, wo 1500 junge Leute bis in den Morgen tanzen wollten. 1000 Euro Schadenersatz fordert er, weil ihn der Kontrolleur am Eingang auf einen Blick für zu alt befunden und kurzerhand weggeschickt hatte.

Unschön, gewiss, aber die Diskriminierung des weißen Mannes war nicht unbedingt der Fall, für den man 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschaffen hatte. Und so referierte Pamp ausführlich die Details der Paragrafen und schien am Ende ein gewisses Verständnis dafür zu haben, dass Veranstalter ihr Publikum auch altersmäßig sortieren dürfen, um Stimmung und Gewinn zu steigern: Rave für die Jungen, Tanztee für die Alten. Trotzdem lässt der BGH sich mit dem Urteil bis zum 5. Mai Zeit. "Beim Maßstab, da sind wir noch auf der Suche", bekannte Pamp. "In der BGH-Rechtsprechung sind wir nicht fündig geworden."

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Das Zögern und Prüfen des BGH, das wurde in der Karlsruher Verhandlung deutlich, hat nichts mit dem konkreten Fall und wenig mit Altersdiskriminierung im Allgemeinen zu tun. Sondern eher damit, dass das AGG zwar gut gemeint, aber schlecht gemacht ist. Denn zur Anwendung kommt das Gesetz im Wesentlichen nur bei "Massengeschäften". Also etwa im Supermarkt oder Restaurant, wo eigentlich jeder und jede rein darf. Wird da trotzdem jemand weggeschickt, dann kann das eine gesetzeswidrige Ungleichbehandlung sein.

Im Umkehrschluss heißt das aber: Wenn ein Betrieb oder Veranstalter nur eine bestimmte Zielgruppe zulässt, dann ist der Schutz vor Diskriminierung gewissermaßen von vornherein auf null gestellt. Überspitzt ausgedrückt: Wer schon beim Zuschnitt der Veranstaltung ein wenig diskriminiert, hat den Diskriminierungsschutz ausgehebelt. Rechtsanwalt Matthias Siegmann nannte das einen "Zirkelschluss".

Bei U30- oder Ü50-Parties sieht da niemand ein Problem. Aber das AGG schützt eben nicht nur vor Benachteiligung wegen des Alters, sondern zum Beispiel auch wegen des Geschlechts und der sexuellen Identität - sowie "aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft". Die Maßstäbe für Jugendparties müssen auch in sehr viel heikleren Kontexten Bestand haben. "Wenn man das Merkmal Rasse nimmt, dann wird es schon schwieriger", gab Siegmann zu bedenken. Der Vorsitzende Pamp spitzte das Dilemma zu: "Was machen wir mit einer Ausschreibung: Nur weiße Männer ab 60 mit nicht-arabischem Aussehen? Das ist auch eine homogene Gruppe. Aber wir sind uns alle einig, das ist ein absolutes No-Go."

Nun, auch dafür wird es eine Lösung geben, aber es wird eine sein müssen, bei der die krummen Paragrafen mit großer Umsicht geradegebogen werden. Denkbar ist, dass der BGH das Verfahren noch einmal an das Landgericht München I zurückverweist. Ob der angeblich benachteiligte Mann, der übrigens ein bekannter Vielfachkläger in Sachen Diskriminierung ist, am Ende den Sieg davontragen wird, ist völlig offen. Denn der Ausweg des BGH könnte darin liegen, dass Türsteher für die Abweisung einen "sachlichen Grund" benötigen - auch das steht im AGG. Und da könnte man sagen: Das Alter kann ein sachlicher Grund sein, Hautfarbe und Herkunft nie und nimmer.

© SZ vom 26.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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