Süddeutsche Zeitung

Bezirksliga-Trainer Werner Lorant:"Ey, du alte Wurst"

400 Zuschauer, ein bisschen Gel und die gleichen Sprüche wie früher: Werner Lorant ist jetzt Bezirksliga-Trainer. Sein erster Auftritt.

Michael Neudecker

Die Tür zur Kabine steht schon offen, die Fotografen haben die Kamera im Anschlag, manche sind ein bisschen nervös. Schritte, Fußballerstollen auf Fliesenboden, und dann kommt - der Schiedsrichter. "Nein, ich bin der Falsche", sagt der Schiedsrichter, er lacht. Es folgen Männer mit blauen Fußballtrikots und entschlossenen Mienen, und dann, als Letzter, kommt er: Werner Lorant. Er ist also tatsächlich hier, in der Bezirksliga Nord, als Trainer des SV ATA Spor München. Bezirksliga, das ist die achte Liga von oben. Oder die sechste von unten, das ist Ansichtssache.

"Auf geht's jetzt", ruft Werner Lorant. Er zwinkert den wild knipsenden Fotografen zu, dann sagt er, so hektisch, wie er immer spricht: "Wie, was ist hier los, was wird hier gespielt?" Natürlich sind sie seinetwegen da, und natürlich weiß er das.

Werner Lorant ist gerne der Star, und er war jetzt viel zu lange nicht der Star, fast vier Monate in China, beim FC Liaoning. Er hat den Klub vor kurzem auf dem letzten Tabellenplatz der ersten Liga zurückgelassen. Vermutlich haben sie ihn rausgeworfen, auch wenn Lorant sagt, er habe keine Lust mehr gehabt, "und Karten für Olympia hatte ich auch keine".

SMS an alle Spieler

Er hat dann mit seinem alten Freund Mustafa Cukur telefoniert, dem Cousin des ehemaligen Amateurbox-Weltmeisters Levent Cukur, und Mustafa Cukur, der Präsident von ATA Spor, hat ihn überredet, dass er als Trainer zu ihm kommt. Ihr eigentlicher Trainer hatte einen Bänderriss und wollte aufhören, sagen sie bei ATA Spor, man habe eben "Glück im Unglück gehabt". Als der Deal feststand, hat Mustafa Cukur die gesamte Liga per E-mail informiert, Vorstandsmitglied Sahin Yegen hat eine SMS an alle Spieler geschickt.

Und jetzt trägt Werner Lorant diese dunkelblaue Trainingshose und das hellblaue T-Shirt, die Vereinskleidung von ATA Spor, auf der Hose und auf dem T-Shirt steht klein W.L. Sie haben die Kleidung sofort bestellt, als es fix war, und Lorant wird später sagen, dass das mit der Kleidung toll ist, "bei manchen Klubs muss man da hinterherbetteln". Sein Haar ist gegelt, es sieht platter aus als sonst. Es ist Sonntagnachmittag, erster Bezirksliga-Spieltag, ATA Spor gegen Grüne Heide Ismaning, W.L. gegen einen Haufen Unbekannter. Die Leute von ATA Spor sagen, sie hätten 400 Eintrittskarten verkauft.

Werner Lorant sitzt auf einem Stuhl vor der Auswechselbank, sein Co-Trainer, der aussieht, als sei er zu oft im Fitnessstudio gewesen, sitzt neben ihm. In der Hand hat Lorant einen Zettel mit der Aufstellung, manchmal, wenn er einen Namen aufs Spielfeld ruft, schaut er vorher auf den Zettel. Er ruft ziemlich oft Namen aufs Spielfeld, eigentlich schreit er dauernd. Werner Lorant ist eben Werner Lorant, auch in der Bezirksliga. Er ruft die gleichen Sachen wie früher, "Feuer rein" einmal, oder "ey, du alte Wurst" ein anderes Mal.

Als die "15" einen Pass nach hinten spielt, schimpft Lorant, dann dreht er sich um und sagt an seinem Co-Trainer vorbei ins Nichts: "Immer diese Rückwärtsbewegungen, Mann, leck mich am Arsch." Als die Neun einen Zweikampf verliert, ruft Lorant: "Was ist los! Schon drei Fehler!" Die Neun schaut verunsichert und läuft zaghaft weiter. Da sind zwanzig Minuten gespielt.

ATA Spor will aufsteigen, sie wollten das schon vergangene Saison, aber da haben sie am Schluss geschwächelt und sind Fünfter geworden. Sie haben vier neue Spieler geholt, unter anderem die Fünf, einen baumlangen Innenverteidiger namens Tarkan Kocatepe, der mal türkischer U16-Nationalspieler war.

In der 25. Minute fällt das 1:0. Nach einer Flanke trifft die Neun per Kopf. Kurz darauf holt Lorant die Zehn zu sich, die Deniz Turan heißt. "Komm her, Deniz", ruft Lorant, "aber ganz schnell!" Dann murmelt er ihm etwas zu, plötzlich schreit er: "Auf jetzt!", und schubst die Zehn zurück aufs Spielfeld. Die Zehn erschrickt, und stolpert dann zurück aufs Feld.

In der 31. Minute fällt das 1:1, Ismaning jubelt euphorisch, sie sind Aufsteiger und deshalb Außenseiter. Zur Halbzeit wechselt Lorant einen neuen Stürmer ein: einen schwarzen Brasilianer, der Ailton heißt und rote Schuhe trägt.

Als Ismaning 2:1 in Führung geht, flippen die Gäste aus. Sie könnten Werner Lorant besiegen, ihn, der mit 1860 mal Vierter in der Bundesliga war. Aber das Spiel wird hektisch, Ailton hat eine Chance nach der anderen. Ismanings Trainer Horst Kraus ruft irgendwas zu Lorant, Lorant schreit zurück: "Mann, sei vernünftig", und Kraus ruft: "Ach, lass' ma doch mei Ruah." Nach Spielende wird er sich mit Lorant fotografieren lassen und sagen: "Außergewöhnlich, hier so ein Mann, der wo praktisch scho Champions League trainiert hat."

Zwei Strafrunden

Als Lorant beginnt, den Schiedsrichter zu beschimpfen, dreht sich der Linienrichter um, ein Junge Anfang 20, und sagt: "Ruhig bitte." - "Hey, konzentrier dich du auf dein Spiel!", ruft Lorant, er ist jetzt richtig sauer. Und: Das Gel lässt nach. Die Haare eines Werner Lorant lassen sich nicht zähmen.

In der 82. Minute, endlich, gleicht Ailton aus. Es bleibt beim 2:2, am Ende lässt Lorant die Spieler zwei Runden laufen. Strafe für die zwei Gegentore.

Die Leute von ATA Spor sagen, Lorant sei kostenlos ihr Trainer, und Lorant sagt, er tue ja nur einem Freund einen Gefallen. Wie lange noch? "Ach, das werden wir sehen", sagt Lorant. Mindestens bis Winter, sagen die Leute von ATA Spor.

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SZ vom 04.08.2008/sonn
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