Süddeutsche Zeitung

Bezahlbares Wohnen:Wohnen in München ist - vielleicht - billiger als gedacht

  • Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat den neuen Mietspiegel vorgestellt: Die Mieten sind wieder gestiegen auf 11,69 Euro Nettokaltmiete pro Quadratmeter.
  • Reiter weist aber darauf hin: Der Spiegel ist verzerrt, es bräuchte eine andere Berechnung. Die Durchschnittsmiete könnte also deutlich niedriger liegen.
  • Nun soll ein "echter" Mietspiegel kommen, also einer, der auch alte Mietverträge und etwa Sozialwohnungen miteinbezieht.

Von Anna Hoben

Gerade hat Dieter Reiter den neuen Mietspiegel vorgestellt, dessen Hauptbotschaft schnell erzählt ist: Die Mieten in München steigen weiter, die durchschnittliche Nettokaltmiete liegt künftig bei 11,69 Euro pro Quadratmeter. Das ist eine Steigerung von 4,1 Prozent im Vergleich zur vorherigen Erhebung (11,23 Euro). Gerade hat der Oberbürgermeister die Zahlen also verkündet, da stellt er seinen Plan vor, nun einen echten Mietspiegel erstellen zu lassen. Moment mal, wie jetzt?

Seit Jahren beklagen Mieterschützer, beklagen auch Dieter Reiter und seine Sozialreferentin Dorothee Schiwy, dass der Mietspiegel kein echter Mietspiegel ist, weil er nicht die tatsächliche Durchschnittsmiete abbildet. Denn es fließen nur jene Wohnungen in seine Erstellung ein, die, ausgehend vom Zeitpunkt der Befragung, in den vergangenen vier Jahren neu vermietet worden sind oder deren Miete verändert, also erhöht worden ist. Wohnungen mit älteren Verträgen, Genossenschaftswohnungen und öffentlich geförderte Wohnungen werden nicht berücksichtigt. So schreibt es das Bundesgesetz vor. Der Mietspiegel ist also ein Mieterhöhungsspiegel, der das Geschehen der vergangenen Jahre auf dem freien Wohnungsmarkt abbildet.

Ein Mietspiegel, der alle Wohnungen berücksichtigt, würde ganz anders aussehen, glaubt OB Reiter: Die Durchschnittsmiete könnte deutlich niedriger liegen. Deshalb also will er es jetzt endlich wissen, deshalb kündigt er direkt nach der Vorstellung des neuen Münchner Mietspiegels an, nun einen echten erstellen zu lassen. Einen, der alte Verträge und lange nicht erhöhte Mieten berücksichtigt, Genossenschaftswohnungen und Sozialwohnungen mit einbezieht.

Wie die Durchschnittsmiete dann aussehen könnte? "Das ist jetzt reine Spekulation", sagt Reiter, aber er könne sich vorstellen, dass sie "knapp einstellig" ausfallen würde. Ja, die Erstellung koste Geld, vermutlich mehr als beim normalen Mietspiegel, räumt Schiwy ein - weil der Kreis der Befragten größer wäre. Aber indem man diesen Aufwand betreibe, wolle man zeigen, "wie ernst es uns ist", so Reiter. Reale Konsequenzen hätte dieser stadteigene Mietspiegel allerdings nicht, er wäre zunächst nur zum Vorzeigen da: Schaut her, so könnte es auch aussehen. Kein Vermieter müsste sich an ihm orientieren, wenn er eine Mieterhöhung begründen wollte.

Reiter will ihn aber für die frei finanzierten Wohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaften anwenden. Er will mit Fakten widersprechen können, wenn der Haus- und Grundbesitzerverein mal wieder behauptet, der Mietspiegel liege zu niedrig. Vor allem aber sieht er den echten Mietspiegel als Instrument, Druck auf die Bundesregierung aufzubauen. In Berlin, wo wohnungspolitisch "eher an der Oberfläche gekratzt" werde, wolle er mit den zuständigen Ministern sprechen, "bis hin zur Kanzlerin", und zeigen, wie ein richtiger Mietspiegel aussehen könnte.

Anfang 2020 könnte der stadteigene Mietspiegel fertig sein

Er halte das "sozialpolitisch und strukturell" für noch viel wichtiger als alle Neubautätigkeiten. Bevor man über eine Bodenreform nachdenke, müsse man "die Mieten in den Griff kriegen". Die SPD-Fraktion hat am Montag einen entsprechenden Antrag gestellt, Reiter hofft nun auf eine Mehrheit für sein Vorhaben im Stadtrat. Fertig sein könnte der müncheneigene Mietspiegel Anfang 2020 - "wenn wir schnell sind", wie Sozialreferentin Schiwy sagt. Sie wünscht sich zudem, dass Vermieter künftig verpflichtet werden könnten, die Daten ihrer Mietverträge preiszugeben. Noch ist die Teilnahme der Mieter an der Befragung für den Mietspiegel freiwillig.

Für die jüngste Erhebung hat das Marktforschungsinstitut Kantar TNS (ehemals TNS Infratest) 3024 verwertbare Interviews in Münchner Haushalten geführt. In 70 Prozent der Fälle handelte es sich um veränderte Bestandsmieten, 30 Prozent waren Neuvermietungen. 36 000 Haushalte hatten die Interviewer zunächst telefonisch kontaktiert, etwa zwei Drittel davon kamen wegen der vorgegebenen Kriterien gar nicht erst in Frage. Die Interviewer arbeiten mit einem umfangreichen Fragenkatalog, der Themen wie das Alter des Gebäudes, die Lage und Ausstattung der Wohnung sowie die Nebenkosten im Detail abfragt. Die Auswertung der Daten übernimmt das Institut für Statistik der Ludwig-Maximilians-Universität.

Der Mietspiegel soll am 14. März im Stadtrat verabschiedet und dann veröffentlich werden. "Erst dann können sich Mieter für ihre konkrete Lage und ihre Wohnung mit allen Zu- und Abschlägen ausrechnen, welche Steigerungen auf sie zukommen", sagt Volker Rastätter, Geschäftsführer des Mietervereins. Er kritisiert, dass die Mieten stärken steigen als der Verbraucherpreisindex. Gemäß dem Index wäre der Mietspiegel nur um 3,49 Prozent nach oben gegangen.

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SZ vom 26.02.2019/bhi
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