Wut auf Investoren:"Wir wurden verkauft"

Wut auf Investoren: Mit Mietern aus höchstens zehn Häusern hatten die Organisatoren des Stammtischs gerechnet; es kamen doppelt so viele.

Mit Mietern aus höchstens zehn Häusern hatten die Organisatoren des Stammtischs gerechnet; es kamen doppelt so viele.

(Foto: Robert Haas)
  • Viele Münchner Mieter sind den Immobilieninvestoren fast schutzlos ausgeliefert.
  • Ihre Wohnungen werden luxussaniert, doch danach steigen die Mieten oft um ein Vielfaches.
  • Immer öfter schließen sich die Nachbarn zusammen, um dem Druck der Investoren etwas entgegenzusetzen.

Von Anna Hoben

Am Ende kommen die Schnapsideen. Um elf Uhr muss Schluss sein draußen auf dem Bürgersteig, aber drinnen ist die Stimmung noch aufgekratzt. Am Tresen sitzt ein Grüppchen, Kurze in der Hand, man prostet sich zu. Darauf kann man ja auch mal anstoßen, auf diesen zarten Anfang. Darauf, dass Münchner Mieter sich zusammentun und vernetzen, dass sie ihr Wissen teilen, dass sie etwas tun wollen gegen die Entwicklungen in ihrer Stadt. Gegen den Wohnwahnsinn, die Gentrifizierung, die Spekulanten. Eingeladen haben Vertreter dreier Mietergemeinschaften; gekommen sind am Dienstagabend Mieter aus 21 Häusern.

Man traf sich in einer kleinen Bierbar im Schlachthofviertel, wo das Craft Beer aus dem Hahn aus München, Österreich oder Neuseeland stammt und zwischen 3,80 und 7,50 Euro pro Halbe kostet. Was soll's, man war ja nicht da, um die in München ebenfalls sehr relevante Frage zu diskutieren, wer sich das Bier in dieser Stadt künftig noch leisten kann, sondern jene, wer sich das Wohnen noch leisten kann.

Um acht Uhr ist es rappelvoll in der kleinen Bierbar, junge und alte Leute sind da, sehr gut informierte und weniger gut informierte, aber kämpferisch sind sie alle. Janek Schmidt, er hat den Stammtisch mit organisiert, steigt jetzt auf einen Stuhl, "das ist die Speaker's Corner", sagt er, und jede anwesende Mietergemeinschaft ist aufgerufen, ihr Haus und die aktuelle Situation in zwei Minuten vorzustellen.

Manche Gruppen haben sich Namen gegeben; sie nennen sich "Oberländer 5" oder "Die wilde 14". In der folgenden Stunde geht es im Zickzack durch die Stadt: Thalkirchner Straße, Fraunhoferstraße, Danklstraße, Kellerstraße, Wilhelmstraße, Schellingstraße, Ohlmüllerstraße, Parkstraße. Und so weiter. Isarvorstadt, Sendling, Schwabing, Schwanthalerhöhe. "Wir wurden verkauft", mit diesem Satz fangen die meisten Geschichten an.

Wir, das Haus. Danach verzweigen sich die Wege und Handlungen. Hier hat der Investor Druck ausgeübt, mehrere Mietparteien sind schon ausgezogen aus Angst und Unsicherheit. Dort gibt es angekündigte Modernisierungen und Mieterhöhungen um 120 Prozent. Hier leben die Mieter auf einer Dauerbaustelle, dort sind nur zwei von 17 Mietparteien verblieben. Manche Häuser sind dreimal verkauft worden.

Ein seriöses Angebot - für eine Million

In einem Haus hat der neue Eigentümer in einer Blitzaktion ohne Vorwarnung einfach alle Elemente entfernen lassen, die vom Denkmalschutz hätten betroffen sein können - just zu dem Zeitpunkt, als eine Begehung mit dem Denkmalschutzamt hätte stattfinden sollen. Nun leben die Mieter in Schwabing in einem Provisorium, und "es passiert nix", sagt der Mann auf dem Stuhl. "Wir warten halt." Was bleibt ihnen schon anderes übrig?

Anderswo hat eine Stiftung ein Haus verkauft. "Vorher war alles wunderbar, wir haben unsere Hoffeste gefeiert und hätten uns nie träumen lassen, dass so etwas passiert", sagt ein Bewohner, die Aktentasche in der Speaker's Corner eng an den Körper gepresst, weißes Haar, Schnauzer. Nach einer kräftigen Mieterhöhung folgte im Jahr 2014 die Aufteilung in Eigentumswohnungen - genau zwei Tage vor Inkrafttreten einer Erhaltungssatzung in dem Gebiet, die dies hätte verhindern können.

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