Einwohnerzahlen:Es wird eng in München

Verkehr

Stau auf dem Mittleren Ring: Wie weit wird man in Zukunft mit dem Auto in die Stadt fahren dürfen?

(Foto: Jakob Berr)

Bis 2030 soll die Einwohnerzahl in München laut Prognosen auf 1,65 Millionen wachsen. Die Politik braucht Konzepte, wie die knappen Flächen am besten genutzt werden können - und wie die Stadt lebenswert bleibt.

Von Alfred Dürr

Das "Gesicht" der Stadt, wie soll es künftig aussehen? Wie und wo werden wir wohnen, miteinander leben, arbeiten, uns erholen und durch das Gefüge von Straßen, Gassen und Plätzen fortbewegen? Das Erscheinungsbild Münchens gerät angesichts der ständig steigenden Einwohnerzahlen und des zunehmenden Verkehrs unter Druck, denn die Flächen für neue Wohnhäuser und Grünbereiche werden knapp.

Bauliche "Nachverdichtungen" in den Gartenstädten erregen bei den Nachbarn Unmut. Die Gestaltung des öffentlichen Raumes gewinnt in diesem Zusammenhang an enormer Bedeutung. Für Bürgerinitiativen wie die Urbanauten, Stadtplaner und die Parteien spielt das Thema im Kommunalwahlkampf eine herausragende Rolle.

Plätze, Straßen und Grünanlagen seien für viele Münchner die wichtigsten Naherholungsorte, Orte der Begegnung, Freizeit und Kultur, heißt es bei der SPD. Diese Areale sollten zum Verweilen einladen und dürften nicht immer nur unter rein kommerziellen Gesichtspunkten gesehen werden. Es müsse möglich sein, sich hier aufzuhalten und zu sitzen, ohne konsumieren zu müssen. Diesen Punkt fügt die SPD eigens an: Die Errichtung und der Erhalt von öffentlichen Toilettenanlagen sei Teil der Daseinsvorsorge, "deswegen werden wir sie bedarfsgerecht ausbauen".

Verkehr unter der Erde

Bei der CSU stoßen solche Thesen auf keinen großen Widerspruch. Platz für Menschen könne man schaffen, indem man etwa durch den Bau von U-Bahnlinien oder durch die Untertunnelung des Mittleren Rings möglichst viel Verkehr unter die Erde verlege. "Geeignete Verkehrsschneisen" ließen sich auch einhausen, also überbauen. Konkret denkt die CSU an die stadtnahe Trasse der Lindauer Autobahn, die man "überdeckeln" könnte, um mehr Flächen für Grün und Häuser schaffen zu können, aber auch um den Anwohnern einen Schutz vor Lärm und Abgasen zu bieten.

Die Grünen fordern "50 Jahre nach dem Leitbild von einer autogerechten Stadt" die planerische Weiterentwicklung zu einer "menschengerechten Stadt". Wenn man München liebenswert erhalten und weiterentwickeln wolle, müsse man sich mit "mehr Kreativität, Experimentierfreude und Geld" den Plätzen widmen - zum Beispiel mit Kunstobjekten, dem Ausbau des öffentlichen Wlan, Spielflächen oder schlicht mit "mehr Natur".

Mehr Natur in die Stadt

Seit vielen Jahren sei sie die treibende Kraft für die qualitätsvolle Wiederbelebung des öffentlichen Raumes, reklamiert die FDP für sich. Das Programm zum Umbau vernachlässigter Plätze müsse fortgeführt werden. Konkret genannt werden der Platz vor der Oper, das Isartor und der Sendlinger-Tor-Platz.

Ende der Achtzigerjahre wuchs das Bewusstsein für die Rettung von Milieu und Atmosphäre, für die Begrünung von Straßen und für neue Plätze, wie es der damalige Baureferent Horst Haffner (FDP) formulierte. Durch den zunehmenden Autoverkehr in München war die Qualität der Grün- und Freiflächen bedroht. Haffner und Bürgermeister Hep Monatzeder (Grüne) gaben eine Bestandsaufnahme von 750 Orten in der Stadt in Auftrag. Seit 1991 liegt diese Sammlung vor, und sie dient heute noch als Basis für das Baureferat.

Lebenswerter Raum für alle Münchner

Eine ganze Reihe von Plätzen sieht jetzt anders aus als damals. Erinnert sei nur an den einst mit Steinplatten belegten Königsplatz mit seinen Rasenflächen, an den Rindermarkt oder den Wiener Platz und den Petuelpark, der auf dem in einen Tunnel gelegten Mittleren Ring entstand. In vielen Stadtvierteln wurde neue Plätze geschaffen. Aber Stadtverschönerung ist auch ein mühsamer Prozess. Beispiele für besonders zähe Entwicklungen sind der Ratzingerplatz in Obersendling oder der Max-Joseph-Platz vor der Oper, wo nichts vorangeht. Beim Harras hat es viele Jahre gedauert, bis endlich der Umbau bewerkstelligt war. Hier liegt es am neuen Stadtrat und an der neuen Stadtspitze, mehr Druck zu machen.

Beim Thema Stadtentwicklung zeichnet sich eine weitaus bedeutsamere Herausforderung für die neugewählten Kommunalpolitiker ab. Es geht um Antworten auf die schwierige Frage, wie man die Räume zwischen Passanten, Radfahrern und Autos in der Innenstadt aufteilt. Konkrete Handlungsanleitungen findet man in den Parteiprogrammen dazu nicht.

Mit dem Auto in die City?

Im städtischen Planungsreferat wird jedoch schon an entsprechenden Konzepten gearbeitet. "Wir brauchen mutige Entscheidungen", sagt die parteilose Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Dass man wie bisher alle Verkehrsarten bei Entwicklungsmaßnahmen und bei er Aufstellung von Bebauungsplänen möglichst gleichberechtigt behandelt, gehöre der Vergangenheit an: "Es wird nicht mehr gehen, dass in der Stadt jeder mit dem Auto hinfahren darf, wohin er will."

Beispielsweise sei es "grober Unfug und nicht mehr zeitgemäß", dass man immer noch in der Sendlinger Straße parken könne. So weit wagt sich in den Programmen niemand von den Kandidaten vor. Merk kann sich auch vorstellen, dass in die Altstadtviertel nur Anwohner und Lieferanten mit dem Auto fahren dürfen, und dass diese Gebiete bevorzugte Zonen für Elektromobilität werden.

Außerhalb des Mittleren Rings soll das Park- and Ride-System ausgebaut werden. Besucher kämen beispielsweise dann mit kleinen Shuttle-Bussen ins Stadtzentrum. Die Mobilitätsverflechtung mit der Region müsse deutlich enger werden, fordert Merk. Da es mit dem Bau einer Stadt-Umland-Bahn wohl nicht so schnell gehe, brauche man zunächst Busse, die bessere Verbindungen am Stadtrand schaffen.

Mut zum Experiment

Mut zum Experiment und Entscheidungsfreude können der neue Stadtrat und die neue Stadtspitze nicht nur bei der Mobilität beziehungsweise der Verkehrsberuhigung im Zentrum zeigen, sondern auch bei der architektonischen Gestaltung von Bauprojekten. Die CSU übt in ihrem Wahlprogramm harsche Kritik und spricht davon, dass die Architektur in einigen Neubaugebieten mit ihren gesichtslosen, monotonen Riegeln völlig missraten sei. Sie liegt mit dieser Feststellung nicht völlig daneben, aber wie macht man es besser?

Es bestand bisher im Stadtrat weitgehend Konsens, dass Architekturwettbewerbe oder auch die Arbeit der Stadtgestaltungskommission die Qualität von Neubauprojekten verbessern können. Für gute Architektur will sich jeder einsetzen, das spiegelt sich auch in den Wahlprogrammen wider. Wie aber dann diese Qualität im Detail und in der konkreten Ausführung aussehen soll und was das Stadtbild wirklich bereichert, bleibt in den Konzepten vage. Stadtbaurätin Merk kann sich zum Beispiel Bürgergutachten zur Architektur vorstellen: "Nur mit dem Baugesetzbuch in der Hand kommen wir nicht weiter."

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