Betrugsverdacht am Flughafen:Fünf Jahre zugeschaut

Die Sicherheitsfirma des Münchner Flughafens steht unter Betrugsverdacht. Nun wurde bekannt: Das bayerische Finanzministerium weiß schon seit Jahren von den Steuertricks.

Bernd Kastner

Der Vorwurf ist pikant: Eine Firma soll den Staat um Millionen Steuern und Sozialabgaben betrogen haben, den Staat, der auch Eigentümer des Unternehmens ist. Die Firma ist am Münchner Flughafen für die Sicherheit zuständig, sie war vergangene Woche Ziel einer Razzia von Zoll und Staatsanwaltschaft.

Betrugsverdacht am Flughafen

Pikante Vorwürfe am Flughafen: Nun ist auch das bayerische Finanzministerium unter Druck.

(Foto: Foto: Einfeldt)

Unterdessen räumt das bayerische Finanzministerium auf SZ-Anfrage ein, von den mutmaßlich illegalen Praktiken seit fünf Jahren gewusst zu haben, man habe sie aber für einwandfrei gehalten. Sollte sich der Verdacht bestätigen, drohen den Firmenverantwortlichen mehrjährige Haftstrafen.

Ausgerechnet am Airport, dem Vorzeige-Jobmotor des Freistaats, sollen die Steuer- und Sozialkassen seit Jahren um mehrere Millionen Euro gebracht worden sein. CAP heißt die Sicherheitsfirma, eine 76-Prozent-Tochter der Flughafengesellschaft FMG. Die Ermittler sind sich sicher, ins Schwarze getroffen zu haben. Erste Befragungen von Mitarbeitern hätten den Verdacht bestätigt, heißt es.

Mehr als 2000 Aktenordner haben die Schwarzarbeitsfahnder ins Hauptzollamt geschafft, dazu Computerdateien im Umfang von mehreren Terabytes. Die CAP-Leute seien sehr kooperativ gewesen, heißt es. Und den Sachverhalt räumt auch die FMG ein: Die CAP erlaubte ihren Beschäftigten einen Minijob bei anderen Firmen; und von zwei dieser Firmen heuerte die CAP dann ihre eigenen Leute wieder an, je nach Auftragslage. Die Fahnder sehen in diesem "Lohnsplitting" vor allem einen Zweck: Steuern und Sozialabgaben sparen, indem man Überstunden als Minijobs abrechnet.

Die Frage sei nun, wie der Sachverhalt juristisch zu bewerten ist, sagt Oberstaatsanwalt Markus Kring aus Landshut. Ist den sechs Beschuldigten Geschäftsführern der drei Firmen Vorsatz nachzuweisen? Oder wurden sie einfach falsch beraten?

Die Flughafen-Mutter gab sich in einer ersten Erklärung recht fürsorglich gegenüber ihrer verdächtigten Sicherheits-Tochter und beteuerte: Die CAP habe eigens ein "Fachgutachten" bei einer "spezialisierten Anwaltskanzlei" in Auftrag gegeben, und darin stehe: "in vollem Umfang mit den geltenden Rechtsvorschriften vereinbar". Außerdem sei die Praxis des Lohnsplittings "bisher noch von keiner behördlichen Stelle beanstandet" worden.

Letzteres könnte daran liegen, dass bislang noch keiner kontrolliert hat. Und was das "Fachgutachten" angeht, so zeigen sich die Ermittler davon wenig beeindruckt: Es ist nach SZ-Informationen nur ein paar Seiten stark und befasst sich mehr mit den arbeitsrechtlichen Fragen des Splittings, nicht mit dem Steuer- und Abgabenrecht.

Und die angebliche Spezialkanzlei soll auch mehr im Arbeitsrecht zu Hause sein. Auf dieses Gutachten wiederum stützt sich das Finanzministerium: Man habe sich darauf verlassen, heißt es. "Wir hatten keine Anzeichen, dass es rechtlich nicht haltbar ist", so der Sprecher von Minister Georg Fahrenschon. Außerdem hätten auch alle anderen Flughafen-Eigner, also auch Bund und Stadt, auf diese Weise Kenntnis von der Lohnpraxis gehabt.

Es kann unangenehm werden

Neben dem drohenden Imageschaden für den Flughafen kann es für die Verantwortlichen richtig unangenehm werden: Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom vergangenen Jahr ist bei Steuerhinterziehung von mehr als einer Million Euro keine Bewährungsstrafe mehr drin. Bei der CAP, da sind sich die Ermittler sicher, "liegen wir definitiv über einer Million".

Im Wirtschaftsbericht der CAP sind die Kosten für die Minijobber nach SZ-Informationen unter "Materialaufwand" ausgewiesen - "Material" in Gestalt von Menschen: Mehr als 2,2 Millionen Euro hat die CAP demnach 2008 für den "Einsatz von nebenberuflichen Mitarbeitern zum Spitzenausgleich" ausgegeben. Das sind gut 90 Prozent des gesamten "Material"-Bedarfs. Die Jahre zuvor soll es ähnlich gewesen sein. Bei der FMG beeilt man sich zu versichern, dass die Buchung der Mitarbeiter unter Material "vom Bilanzrecht vorgeschrieben" sei und keineswegs eine Diskriminierung darstelle.

Mitgewirkt bei den mutmaßlichen Steuerbetrügereien hat auch die Sicherheitsfirma Securitas, der knapp 24 Prozent an der CAP gehören. Eine Tochter von Deutschlands "führendem privaten Sicherheitsdienstleister" (Eigenwerbung), die Securitas Flugverkehr Services GmbH, soll als Minijob-Partner der CAP fungiert haben: Sie habe, so der Verdacht, einen Teil jener CAP-Beschäftigten mit einem 400-Euro-Job versorgt. Entsprechend wurden auch die Securitas-Büros am Frankfurter Flughafen durchsucht.

Beim anderen CAP-Partner handelt es sich offenbar um eine ehemalige Reinigungsfirma am Flughafen, die sich seit Jahren auf das Ausleihen ihrer Minijobber an die CAP spezialisiert hat. Es wäre ein Wunder, heißt es in Ermittlerkreisen, wenn diese Firma nicht für ihr Mitwirken an den Tricksereien entlohnt worden wäre von der CAP.

Hinter den Kulissen, so ist zu hören, reicht die Aufregung weit über die beschuldigten Manager hinaus. Die Sache ist ein Politikum. OB Ude nutzte die Razzia gleich zu einem verbalen Erstschlag gegen Finanzminister Fahrenschon. Der CSU-Mann hat ein Problem: Er ist nicht nur Vertreter des Haupteigners und Chef des FMG-Aufsichtsrats. Einer seiner Beamten aus der Wirtschaftsabteilung sitzt auch im Aufsichtsrat der CAP. Die Praxis des Lohnsplittings aber hat offenbar niemand hinterfragt.

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