"Seien Sie zurückhaltend mit der Weitergabe persönlicher Informationen im Internet", warnt die Polizei gerne. Aber wie hätte die 51-jährige Münchnerin merken sollen, dass ihr Schwager, mit dem sie sich gerade via Facebook unterhielt, gar nicht ihr Schwager war, sondern ein Betrüger, der das Profil des Verwandten gehackt hatte? Die ahnungslose Frau ließ sich auf die Bitten des vermeintlichen Schwagers ein, gab ihm ihre Handynummer, leitete Codes weiter, und am Ende stand die Münchnerin mit einer horrend hohen Handyrechnung da.
"Die Masche mit Chat und Handynummer ist neu", sagt Kriminalkommissar Matthias Schmidt. Seit Mai ist der Ermittler dem Kommissariat für Prävention und Opferschutz zugeteilt, sein Spezialgebiet sind "Neue Medien". Eine eigens neu geschaffene Stelle im Kampf gegen die Internetkriminalität. "Wir müssen einfach up to date sein", sagt Kommissariatsleiter Arno Helfrich. "Das Internet bestimmt unser Alltagsleben, und mittlerweile sind die Fallstricke im Netz so ausgeklügelt, dass jeder - ob Jung oder Alt - darauf reinfällt."
Nur ein argloser Chat mit dem Schwager
So wie die Münchnerin. Es begann mit dem Chat via Facebook. Im September meldete sich ihr Schwager, sein Profil blinkte auf, es gingen diverse belanglose Nachrichten hin und her. Dann erfand der Mann eine Notlage und bat die Frau um ihre Handynummer. Arglos tippte die 51-Jährige die Zahlen in den Computer.
In den folgenden Tagen landeten per SMS mehrere Transaktionscodes des Internetbezahldienstes Zong, ein Ableger von PayPal, auf dem Handy der Frau. Diese sollte sie an ihn weitergeben. Mit Hilfe solcher Codes kann der Nutzer auf Facebook beispielsweise kostenpflichtige Spiele nutzen, Videos anschauen oder Musik herunterladen. Die Abrechnung erfolgt über die Handyrechnung. Und die fiel im Monat darauf bei der Münchnerin saftig aus. Erst Tage später erzählten ihr die Verwandten, dass der Account des Schwagers von einem Betrüger gehackt worden war.
Egal ob es um Mobbing, Betrug, Unterschlagung oder Erpressung geht, "mittlerweile sind im Netz nahezu alle Arten von Kriminalität vertreten", sagt Arno Helfrich. Was dem Polizeipräsidium München seit längerem Kopfzerbrechen bereitet. 2012 wurde zum Schwerpunktjahr im Kampf gegen "Cybercrime" ausgerufen.
"Was einmal im Netz steht, ist unauslöschbar"
Polizeineulinge etwa bekommen ab sofort in ihrer Ausbildung ein Spezialpaket zum Thema Internet mit auf den Weg. Im Präventionskommissariat erarbeiten zwei Mann ein Trainingsprogramm für Jugendbeamte. Sind diese geschult, sollen sie an allen Münchner Schulen Vorträge zu Themen wie Cybermobbing, Facebook oder Handyklingeltöne halten. Gleichzeitig startete eine sieben Mann starke Arbeitsgruppe "Cybercrime", die zu einem eigenen Kommissariat ausgebaut werden soll.
"Und wir überlegen, ob wir unsere bisherigen Strukturen dem neuen Phänomen der Internetkriminalität anpassen müssen", berichtet der Kommissariatsleiter. Vor allem, so Helfrich, müssen die Internet-Spezialisten fit und schnell sein: Die Betrüger erfinden flugs neue Maschen, ziehen etwa die Nutzer von Internet-Apotheken mit täuschend echten Fake-Seiten ab, holen sich persönliche Daten auf Dating-Plattformen, "und was einmal im Netz steht, ist unauslöschbar".
180 Euro hat die Münchnerin für die Erfahrung bezahlt, dass nicht einmal ein Facebook-Profil Sicherheit bietet. Die Betrüger, so mutmaßt Kriminalkommissar Schmidt, sitzen wohl in der Türkei. Fünf derartige Fälle sind bislang in München bekannt, bayernweit gut ein Dutzend, die Dunkelziffer dürfte um einiges höher sein. Die Polizei nimmt auch an, dass es den Betrügern nicht darum geht, auf Kosten anderer irgendwelche Spielchen im Internet zu testen, sondern dass sie längst einen Weg gefunden haben, die Codes in Bargeld umzusetzen.