Betrug:Erpressermails im Umlauf

Lesezeit: 2 min

Betrüger behaupten, beim Masturbieren gefilmt zu haben

Von Martin Bernstein

Die Masche ist ebenso fies wie erfolgreich. Man habe sich, so heißt es in der Mail mit dem Betreff "Dein Ruf steht auf dem Spiel", mit einem Trojaner Zugriff auf den Computer verschafft. Auf das Mikrofon, auf die Kamera, zu den Kontakten. Und dabei habe man aufzeichnen können, wie der Betroffene nicht nur Porno-Seiten aufgerufen, sondern dazu an sich selbst manipuliert habe. 500 Euro koste es, wenn die Aufzeichnung verschwinden solle, zahlbar in der Kryptowährung Bitcoin, andernfalls... "Masturbieren ist natürlich normal, aber wenn deine Familie und Freunde davon zeugen, ist es natürlich eine Schande." Dann wird ausführlich erklärt, wie das mit den Bitcoins funktioniert. Und schließlich folgt die unmissverständliche Warnung: "Sobald die Zahlung eingegangen ist, lösche ich das Video und du wirst nie wieder von mir hören. Ich gebe Ihnen 3 Tage, um die Zahlung zu machen. Danach wissen Sie, was passiert. Ich kann sehen, wenn Sie diese E-Mail gelesen haben, damit die Uhr jetzt tickt."

Mehr als tausend Menschen haben in den vergangenen vier Wochen allein beim Internet-Berater der Münchner Polizei (Telefon 089/2910-3434, erreichbar von 8 bis 17 Uhr) Hilfe gesucht, die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher sein. Wie sie auf die Erpressermail reagieren sollen, wollen die verzweifelten Anrufer, 80 Prozent von ihnen Männer, von Cem Karakaya wissen. Gar nicht, rät ihnen Karakaya, weg mit der Mail in den elektronischen Papierkorb. Denn dass es sich bei der Erpressung um einen plumpen Trick handelt, erkennt der Experte sofort. Das beginnt beim falsch durch ein Computerprogramm übersetzten Wort "zeugen" (statt "Zeugen werden"), setzt sich mit dem Anschreiben (Mail-Adresse statt Name) fort und endet beim ständigen Wechsel von "Du" und "Sie" im Text. Eine Massenmail, offenkundig abgesandt irgendwo in Asien, darauf deutet die Uhrzeit hin.

Das Perfide an diesem Erpressungsversuch: Das, was die Internet-Gangster als Drohung beschreiben, passiert tatsächlich immer wieder. Besucher von pornografischen Seiten werden bei ihrem Tun ausspioniert und durch die Kamera am eigenen PC dabei gefilmt. Auch solche Fälle kennt Karakaya. Doch auch dann gilt sein Rat: Das geforderte Geld - das können in solchen von real existierenden Videos begleiteten Versuchen bis zu 3500 Euro sein - solle man niemals zahlen. Selbst auf die Gefahr hin, dass Geschäfts- oder Ehepartner, alle Kontakte im elektronischen Adressbuch oder - wie im Fall eines Jugendlichen - die eigene Mutter die Filmchen zugeschickt bekommen. In so einem Fall hilft nur das, wovor die Internet-Erpresser eindringlich warnen: die Anzeige bei der Polizei.

Zurückzuverfolgen sind die Erpresser selten. Sie haben fremde Computer mit Trojanern gekapert, nutzen täglich verfallende Mailadressen und agieren aus der Anonymität des Netzes. Ihre Beute lassen sie sich in einer der nicht personalisierbaren Internetwährungen auszahlen oder gleich auf dem Umweg über Guthabenkarten, deren Nummern sie sich von den Opfern zuschicken lassen. Dennoch ist man laut Karakaya solchen Methoden keineswegs schutzlos ausgeliefert. Im Gegenteil. "Wenn alle Computer- und Smartphone-Nutzer ihre Anwendungen und Virenprogramme aktualisieren würden", rechnet er vor, "gäbe es 70 Prozent der Internetkriminalität nicht". Welche Gefahren dagegen ein schlampiger Umgang mit der eigenen Sicherheit im Netz heraufbeschwört, zeigt eine weitere Zahl. Laut Karakaya ist mit mehr als 300 000 neuen, bisher nicht dagewesenen Viren und Trojanern zu rechnen - jeden Tag.

© SZ vom 05.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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