Betriebskindergärten:Juchzende Kinder auf dem Firmengelände

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"Wir sind komplett ausgebucht": Trotz großer Nachfrage sind Betriebskindergärten in München noch immer rar.

Martin Hammer

Auf dem Parkplatz des Werksgeländes an der Albert-Roßhaupter-Straße kann man bei diesem Wetter das Juchzen der Kinder hören, die im Garten durch den Rasensprenger laufen oder im Plantschbecken den heißen Vormittag verbringen.

Die Eltern arbeiten gleich nebenan: Mit Schwung im Betriebskindergarten.
Die Eltern arbeiten gleich nebenan: Mit Schwung im Betriebskindergarten. (Foto: Foto: SZ / Hess)

Normalerweise eine ungewöhnliche Geräuschkulisse für einen Industriebetrieb, doch bei der Münchner Firma Iwis Ketten gehört Kindergeschrei seit 1973 zum Unternehmensalltag. Schon damals hat die Firma auf den Notstand bei der Kinderbetreuung reagiert und einen betriebseigenen Kindergarten eingerichtet.

25 Jungen und Mädchen ab drei Jahren betreut Erzieherin Daniela Sgherri derzeit gemeinsam mit drei Kolleginnen - und zwar so, wie es die Arbeitszeiten im Betrieb erfordern. "Wir haben unsere Öffnungszeiten der Tagesschicht angepasst", erklärt Sgherri.

Nur zwei Prozent der Betriebe haben eigenen Kindergarten

Um zehn nach sechs in der Früh kommen die ersten Kinder, bis 15.30 Uhr können sie bleiben. Im Normalfall, denn wenn es später wird, darf der Nachwuchs der Mitarbeiter auch erst um 18 Uhr abgeholt werden. Auch in den Ferien müssen sich die Mütter und Väter nicht um alternative Betreuungsplätze kümmern. "Bis auf zwei Wochen nach Weihnachten haben wir eigentlich immer offen", sagt Sgherri.

Solche Zustände würden sich viele berufstätige Eltern wünschen: Doch Betreuungsplätze in der eigenen Firma sind in München rar. Nur knapp zwei Prozent der Unternehmen in Bayern haben laut einer Online-Umfrage der Industrie- und Handelskammer einen eigenen Betriebskindergarten, eine Krippe betreiben nur 1,4 Prozent.

Viel zu wenig, findet Elfriede Kerbschl von der IHK. Weil sich vor allem kleine und mittlere Betriebe mit eigenen Angeboten schwer täten, will die Kammer Kooperationen zwischen Firmen im Rahmen eines Bündnisses für Familien stärker fördern. "Das Interesse könnte natürlich größer sein", sagt Angelika Simeth vom Sozialreferat, "doch die Aufgeschlossenheit der Firmen hat zugenommen."

Modelle für die Zusammenarbeit gibt es viele

Während das Schulreferat in Kooperation mit Firmen Betreuungseinrichtungen selbst betreibt, fördert das Sozialreferat so genannte Eltern-Kind-Initiativen: Dabei stellt das Unternehmen die Räumlichkeiten, die Stadt beteiligt sich mit bis zu 60 Prozent an den Personal- und Sachkosten, den Rest verantworten die Eltern, die in einem Verein organisiert sind.

Sie bestimmen das Konzept, legen die Größe der Gruppen fest und stellen die Erzieherinnen ein. Knapp 400 solcher Betreuungsplätze gibt es derzeit, unter anderem bei BMW, Allianz, Iwis Ketten und der HypoVereinsbank. "Wir hatten das Problem, dass viele Mütter lange im Erziehungsurlaub waren", erklärt Verena Heines-Mothes von der HVB.

Deshalb wurde 1992 an der Münchener Freiheit die Tagesstätte für 30 Kinder gegründet. Wie bei allen Fördermodellen der Stadt muss die Einrichtung auch den Bewohnern des Viertels einen Teil der Plätze zur Verfügung stellen. "Die Wünsche unserer Mitarbeiter können wir gar nicht alle erfüllen", sagt Heines-Mothes, vor allem im Krippenbereich übersteige die Nachfrage das Angebot.

Freie Träger betreiben die Einrichtungen

Ein Mangel, auf den man sich auch bei Iwis Ketten einstellt. Von Herbst an werden Kinder bereits ab drei Monaten betreut, "damit die Mütter schneller wieder in den Beruf einsteigen können", erklärt Sgherri. Viele Mitarbeiterinnen, die schwanger seien, hätten sich den Platz schon gesichert: "Wir sind komplett ausgebucht."

"Krippenplätze brauchen wir in München derzeit am dringendsten", weiß auch Simeth. Um die Betreuung der Unter-Drei-Jährigen zu verbessern, wurde vor drei Jahren ein Modell der öffentlich-privaten Partnerschaft beschlossen. 290 Plätze in acht Einrichtungen sind seitdem entstanden, bei denen die Firmen über die Hälfte der Plätze verfügen können und dafür auch rund die Hälfte der laufenden Kosten tragen.

Betrieben wird die Einrichtung von einem freien Träger - im Fall von Bosch Siemens Hausgeräte (BSH) beispielsweise vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. "Wir waren bei diesem Modell der Vorreiter", sagt Brigitte Steuck.

Die BSH-Mitarbeiterin hatte bereits im Jahr 2000 die Initiative für eine betriebseigene Kinderbetreuung ergriffen. Bis die "Villa Wunderbar" ihre Pforte für den Nachwuchs öffnen konnte, hat es allerdings vier Jahre gedauert. "Da war mein Ältester dann schon im Kindergartenalter", sagt Steuck. Vor allem geeignete Räumlichkeiten zu finden , sei äußerst schwierig gewesen.

Inzwischen wird in der Villa, an der sich auch das Europäische Patentamt und eine Siemens-Sparte beteiligt haben, über einen Ausbau der 66 Plätze nachgedacht. "Wir könnten die Kapazität verdoppeln, auch andere Firmen haben daran Interesse bekundet", sagt Steuck. "BSH selbst stehen derzeit 20 Plätze zur Verfügung - auf der Warteliste stehen noch mehr als 60."

© SZ vom 25.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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