Bauen im Bestand:Das ist Münchens bester Arbeitsplatz

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Im zweiten Stock des umgebauten Gebäudes residiert der E-Bike-Hersteller Sushi Bikes. (Foto: Florian Peljak)

Schickes Foyer, offene Büros und ein Yoga-Zimmer: Eine Fachjury kürt eine umgebaute Druckerei in Obersendling zum „Best Workspace“. Doch derzeit steht das Gebäude teilweise leer. Was ist da los?

Von Patrik Stäbler

Zwei Rechtskurven vom Gedröhne der Boschetsrieder Straße entfernt steht man ganz offensichtlich in einem Gewerbegebiet. Neben einer Autowerkstatt ragen mehrere Produktionshallen empor; im Weiteren gibt es hier eine Druckerei, einen großen Recyclingbetrieb und eine Unterkunft für Geflüchtete. Oder wie es Thomas Gelb-Randlkofer ausdrückt: „Fast ein bisschen Berliner Luft – mitten in München.“

Just hier, im Zentrum dieser auch für Obersendling untypischen Mixtur, steht ein dreistöckiges Gebäude aus den frühen 1980er-Jahren, das bis vor Kurzem eine weitere Druckerei beheimatete. Doch wer dort heute durch die Eingangstüre tritt, der wird nicht etwa von schweren Druckmaschinen empfangen, sondern von einem schicken Foyer mit Showküche und Sitzlounges. Anstelle des beißenden Geruchs von Farben und Lacken liegt sanfter Kaffeeduft in der Luft. Und statt einer düsteren Werkstatt gibt es helle Produktionsflächen hinter Glas, offene Büros, Besprechungsräume und ein lichtdurchflutetes Yoga-Zimmer.

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„Wir haben das alte Gemäuer in einen urbanen Workspace der heutigen Zeit teleportiert“, sagt Gelb-Randlkofer. Und zwar nicht, wie es allzu oft üblich ist, durch einen Abriss samt anschließendem Neubau. Vielmehr sei die alte Druckerei behutsam und mehr als ein Jahr lang saniert, umgebaut und modernisiert worden. Das Ergebnis ist von einer Fachjury beim „Best Workspaces“-Wettbewerb des Callwey Verlags mit dem ersten Platz bedacht worden. Die zuständige Innenarchitektin Réka Visnyei vom Münchner Büro Inpuls habe es geschafft, das Bestandsgebäude „in einen fortschrittlichen, anregenden Raum zu verwandeln“, heißt es in der Beurteilung. Dort sei es möglich, „offen und abteilungsübergreifend zu arbeiten und gemeinsam innovative Ideen zu entwickeln“.

Der Bau aus den Achtzigerjahren wurde im Inneren völlig umgestaltet. (Foto: Florian Peljak)
Aus den dunklen Druckerwerkstätten wurden offene Arbeitsbereiche. Nach der Betriebsaufgabe des ursprünglichen Mieters steht derzeit allerdings ein Großteil des Gebäudes leer. (Foto: Florian Peljak)

Dabei wäre es natürlich leichter gewesen, das Gebäude abzureißen und neu zu bauen, sagt Gelb-Randlkofer. Tatsächlich ist das nach wie vor gang und gäbe in der Branche: Circa 11 000 Immobilien wurden dem Statistischem Bundesamt zufolge im vergangenen Jahr deutschlandweit abgerissen – mehr als 30 pro Tag. Dabei entstehen nicht nur gewaltige Mengen von Baumüll, sondern auch die Klimabilanz ist verheerend. Laut dem Verein Deutsche Umwelthilfe tragen der Abriss und Neubau von Gebäuden zehn Prozent zu den gesamten CO₂-Emissionen hierzulande bei. Auch deshalb fordern Umweltschutzorganisationen sowie der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten ein Umdenken – weg vom Abriss, hin zur Sanierung.

Innenarchitektin Réka Visnyei plante für Immobilieneigentümer Thomas Gelb-Randlkofer Sanierung und Umbau der alten Druckerei. (Foto: Florian Peljak)

So wie im Beispiel des Gewerbegebäudes in Obersendling, das Thomas Gelb-Randlkofer im Jahr 2020 erwarb. Zwei Jahre später stellte die dortige Druckerei ihren Betrieb ein, worauf das Haus mit seinen 3500 Quadratmetern Geschossfläche leer stand. „Ich brauchte also eine neue Lösung für das Gebäude“, sagt der Immobilienunternehmer. Wobei er dessen Konzeption – also ein Nebeneinander von Büros und Produktion – unbedingt erhalten wollte. „Ich fühle mich emotional mit diesem Gebäude verbunden.“ Zumal er zu dem alten Drucker, der das Haus einst erbaute, eine persönliche Verbindung aufgebaut habe. So findet sich dessen Lieblingsfarbe Lila heute an zahllosen Stellen im Gebäude wieder – von den Fensterrahmen bis zur Fassade.

Die konkreten Pläne für Sanierung samt Umbau der alten Druckerei stammen von Reká Visnyei. Die Innenarchitektin hatte 2021 für ein Tochterunternehmen des Hausgeräteherstellers Miele ein Raumkonzept entwickelt, mit dem die Firma anschließend nach einer geeigneten Immobilie suchte – und auf Gelb-Randlkofers alte Druckerei stieß. Was ihr erster Gedanke war, als sie die heruntergekommenen Räume betrat und vor den alten Heidelberg-Druckmaschinen stand? „Ich habe mir gedacht: Wow, das ist super!“, sagt die Architektin. Zum einen, weil die Grundgeometrie des Hauses perfekt zu ihrem Konzept gepasst habe. Zum anderen, „weil es viel spannender ist, im Bestand zu arbeiten und die vorhandenen Details aufzugreifen“.

Und so begann 2021 auf der Basis von Visnyeis Konzept der Umbau des Gebäudes – freilich mit einem gewissen Risiko. „Die Herausforderung ist, dass man die Kosten bei einer Sanierung viel schwieriger kontrollieren kann als bei einem Neubau“, sagt Gelb-Randlkofer. Er ist daher überzeugt: „Hätte jemand anderes das Gebäude bekommen, hätte er es plattgemacht und etwas Neues gebaut.“ So jedoch ist die alte Druckerei geblieben – anders als die Miele-Tochter. Die hatte zwar Ende 2022 das eigens für sie umgebaute Haus bezogen, doch bereits wenige Monate später stellte die Firma den Betrieb ein, worauf die Beschäftigten wieder auszogen. Seither steht das Gebäude größtenteils leer; nur ein paar Räume im zweiten Stock sind an den E-Bike-Hersteller Sushi Bikes vermietet, demnächst soll die Suche nach weiteren Mietern anlaufen.

„Aus kaufmännischer Sicht ist das kein Problem“, sagt Gelb-Randlkofer über den Leerstand – schließlich habe er mit Miele einen langfristigen Mietvertrag abgeschlossen. „Emotional ist die Situation aber natürlich schlecht“, gesteht der Immobilienunternehmer. Er gibt sich jedoch überzeugt, dass in den Räumen alsbald wieder neues Leben einziehen wird. „Dass wir eine vierzig Jahre alte Druckerei nicht abgerissen, sondern ihr neues Leben eingehaucht haben, ist für mich auch ein Zeichen“, sagt er. „Wir zeigen Respekt für die architektonischen Ideen vorheriger Generationen und entwickeln daraus behutsam etwas Neues.“

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