Einer der Gründe für das neue Handlungskonzept saß ganz hinten im Saal: Karl Richter, einziger Stadtrat der rechtsradikalen Bürgerinitiative Ausländerstopp, hatte es sich in der letzten Reihe bequem gemacht. Das war so nicht vorgesehen gewesen. Die Stadtratssitzung, in der die künftige Strategie gegen Rechtsextremismus diskutiert wurde, war ganz bewusst als gemeinsame Versammlung von 14 Ausschüssen angesetzt worden - in denen ist der bekennende Nazi nicht vertreten. Weil Richter gewählter Stadtrat ist, duldete Oberbürgermeister Dieter Reiter die Provokation, kündigte aber an, dem einstigen NPD-Bundesvize kein Rederecht erteilen zu wollen. Und dass die Stadtspitze juristisch gegen unerlaubte Filmaufnahmen vorgehen werde - Richter nestelte auffallend oft an seinem Smartphone herum.

Rechtsextremismus:München macht mobil gegen rechts
Islamfeindliche Demos und Neonazis auf den Straßen - der Stadtrat will das nicht mehr hinnehmen. In den nächsten Wochen will er verbindliche Richtlinien für den Umgang mit Extremismus und Rassismus beschließen.
Und so musste Richter als bloßer Zaungast zusehen, wie die Stadträte einstimmig beschlossen, den Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus sowie die sogenannte gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu professionalisieren und damit zu stärken. "Dass es dafür einen Anlass gibt, haben die vergangenen Wochen und Monate bewiesen", erklärte Reiter mit Bezug auf die Pegida-Demonstrationen, denen sich die Münchner jedoch in beeindruckender Zahl entgegengestellt hätten. "Darauf bin ich stolz."
Private Initiativen spielen eine entscheidende Rolle
Auch künftig will das Rathaus die Münchner Anti-Rassismus-Aktivitäten keinesfalls alleine stemmen - die zahlreichen privaten Initiativen, die mit der Stadt zusammenarbeiten, spielen in dem Handlungskonzept weiterhin eine entscheidende Rolle. Die von der im OB-Büro angesiedelten Fachstelle gegen Rechtsextremismus ausgearbeitete Strategie soll dabei Orientierung bieten, wie am wirksamsten gegen rassistische Ideologien vorgegangen werden kann.
Leitziel ist die "Vision einer heterogenen Stadtgesellschaft, in der diese Vielfalt als Bereicherung begriffen und Toleranz sowie Respekt im Umgang miteinander groß geschrieben werden". Dafür will Fachstellen-Leiterin Miriam Heigl an den Ursachen ansetzen, schon Schüler sollten für Diskriminierungen sensibilisiert werden. Wobei Extremismus keineswegs ein Jugendphänomen sei. Auch bei Älteren, das belegten Studien, gebe es viel Alltagsrassismus. Der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft müsse verstärkt werden. Dabei sollen Migrantenorganisationen mitwirken.
Evaluation ist im Konzept vorgesehen
Zudem soll die Fachstelle erstmals mit einem eigenen Budget ausgestattet werden. 100 000 Euro pro Jahr genehmigte der Stadtrat für die Einrichtung eines Kampagnenfonds. Allerdings fiel dieser Beschluss nicht mehr einstimmig, da AfD-Stadtrat Fritz Schmude befürchtete, das Geld könne Organisationen zugutekommen, die "alles, was rechts von den Jusos ist, diskriminieren". Erst einmal müsse evaluiert werden, was sinnvoll ist. Eine solche Evaluation ist im Konzept ohnehin vorgesehen - allerdings zusätzlich. Die Fachstelle will wissenschaftlich untersuchen lassen, wo das Engagement gegen rechts besonders wirkungsvoll ist.
Für den Eröffnungstag des NS-Dokuzentrums am Donnerstag, 30. April, hat der Neonazi Phillip Hasselbach eine Kundgebung angemeldet. In unmittelbarer Nähe will er vier Stunden lang protestieren, Motto: "Gegen antideutschen Schuldkult - Weg mit dem NS-Dokumentationszentrum". Das Kreisverwaltungsreferat prüft, ob diese Aktion zu genehmigen sei. Die jüngste Schiffskatastrophe auf dem Mittelmeer, bei der Hunderte Flüchtlinge gestorben sind, nutzen Neonazis zu menschenverachtenden Kommentaren. Auf der Facebookseite der Partei "Die Rechte", deren Kreisverband Hasselbach führt, wird ein Zeitungsartikel verlinkt mit dem Kommentar "Dumm gelaufen". Ein User schreibt: "So gefällt mir das wieder ein torpedo gespart." Ein anderer hat ein Hitler-Foto gepostet mit der Unterschrift "wunderschön."