Berufung:Raute, Mundwinkel, Angela Merkel

Starnberg , Antonia v.Romatowski

Antonia von Romatowski in der Sprecherkabine in ihrer Wohnung. Hier parodiert sie Merkel für ihre Radio-Sendungen.

(Foto: Georgine Treybal)

Antonia von Romatowski imitiert seit Jahren die Bundeskanzlerin. Kaum ein Merkel-Double ist erfolgreicher. Seit der Flüchtlingskrise erntet sie allerdings auch Unmut auf der Bühne.

Porträt von Gerhard Fischer

Vor 13 Jahren war Antonia von Romatowski verzweifelt. Sie war Mitte Zwanzig, hatte eine Ausbildung als Schauspielerin hinter sich, war aber unglücklich mit dem Beruf. Sie jobbte, spazierte in der Gegend herum, dachte nach, was sie bloß machen sollte. Eines Tages saß sie in ihrer Wohnung und ihre innere Stimme sagte: "Kümmere dich um Angela Merkel!"

Merkel ging es damals nicht schlecht. Das Kümmern war eher ein Befassen mit. Romatowskis innere Stimme sagte, sie solle als Merkel-Parodistin arbeiten. Angela Merkel war damals schon CDU-Vorsitzende, aber unscheinbar mit ihrer Topf-Frisur und der leisen Stimme. War das vielversprechend? Außerdem hatte diese schmale, hübsche Frau mit Merkel so viel Ähnlichkeit wie Philipp Lahm mit Horst Seehofer. Höfliche Freunde hielten das mit dem Merkel-Double für keine gute Idee; freche Freunde meinten, Romatowski solle sich in Hamburg-Ochsenzoll einliefern lassen, in die Psychiatrie. Wegen der Idee, nicht wegen der inneren Stimme.

Heute gibt es kaum ein erfolgreicheres Merkel-Double als Antonia von Romatowski; neulich spielte sie auf dem Nockherberg. Und sie ist mit der Rolle so vereint, dass sie es zu spüren bekam, als Merkels Sympathiewerte wegen der Flüchtlings-Politik nach unten gingen. Als sie im November in Norddeutschland auf eine Bühne kam, murrten die Leute. Die Kopie büßte im Winter für den Unmut über das Original. "Aber seit einigen Wochen hat sich die Lage wieder beruhigt", sagt Romatowski.

Starkbierprobe auf dem Nockherberg

Antonia von Romatowski als Merkel-Kopie vor wenigen Wochen bei der Starkbierprobe am Nockherberg mit Nikola Norgauer als Ursula von der Leyen.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Wer dem Ruf der inneren Stimme folgt, für den ist der Job eher Berufung

Antonia von Romatowski wohnt in Söcking am Starnberger See, in einem Apartment in einem wunderschönen alten Haus. Auf dem Tisch liegen Der Spiegel, Die Zeit und eine Ausgabe des Cicero mit einer gezeichneten Merkel-Raute als Cover. Arbeitsmaterialien eines Kanzler-Doubles. "Ich lebe vegan", sagt sie in die Gedanken des Besuchers hinein und zeigt auf einen Möhren-Kokos-Kuchen, den sie gebacken hat. Dazu serviert sie einen Tee mit Honigbusch, Anis und Salbei. "Bei mir ist alles Öko", sagt sie. Noch weiß man nicht, wie bierernst sie das alles nimmt.

In jedem Fall lebt sie gerne in der Natur. Gleich gegenüber beginnt der Wald. "Ich bin in Nikolausberg aufgewachsen, einem Dorf bei Göttingen", sagt sie, "ich mag es, auf dem Land, aber in Stadtnähe zu wohnen." Antonia von Romatowski erzählt gerne und ausführlich, aber sie verliert sich nicht. Fast immer hat das Erzählte etwas mit der Gegenwart zu tun, mit ihrem Job. Wobei, Job kann man nicht sagen - wer dem Ruf der inneren Stimme folgt, für den ist der Beruf wohl eher eine Berufung.

"Als ich Teenager war", erzählt sie weiter, "haben wir Hannilein von Hape Kerkeling rauf und runter gehört - und als die Kassette vorbei war, habe ich einfach weitergemacht." Sie habe "ein gutes Gehör", sagt Romatowski; sie könne Sachen gut wiedergeben. Und dafür brauche sie keinen Lehrer. Sie ist Autodidaktin gewesen. Immer. Als Hannilein. Und als Merkel.

Die erste Schauspielschule lehnte sie ab

Als Teenager dachte sie aber noch nicht an Schauspiel oder Comedy. Nach dem Abi dachte sie eher an Ballett. Die Mutter, eine Tänzerin, wandte ein: "Da machst du mit 30 nur noch Unterricht und bist Pädagogin." Dann vielleicht doch das, was der Vater früher gemacht hat? Der war Schauspieler, bevor er Arzt geworden ist.

Die erste Schauspielschule in Hamburg lehnte sie ab, die zweite nahm sie auf. Sie erzählt ausgiebig davon, und man bekommt eine Ahnung, wie Antonia von Romatowski tickt. Sie sagt, dass sie dort Schauspieler kennengelernt hätte, die einen selbstzerstörerischen Lebensstil geführt hätten: Alkohol, Zigaretten, Feiern, destruktives Suchtverhalten. "Ich respektiere das, aber es entspricht nicht meinem Wesen", sagt sie. Und sie musste sich offenbar davor schützen. Die innere Mitte, von der sie von jetzt an häufig spricht, hatte sie noch nicht gefunden.

Berufung: Und so sieht Angela Merkel im Original aus.

Und so sieht Angela Merkel im Original aus.

(Foto: Markus Schreiber)

Romatowski nimmt einen Schluck von ihrem Honigbusch-Anis-Salbei-Tee. Der Möhren-Kokos-Kuchen steht noch unberührt vor ihr. Sie kommt nicht zum Essen. Gerade sagt sie etwas, das sehr wichtig ist für ihr Leben - sie hat sich nämlich mit den Neophyten befasst, das waren Priesteranwärter im alten Ägypten. "Kurz gesagt geht es darum, Gedanken, Emotionen und Triebe zu beherrschen, um in die innere Balance zu kommen", sagt sie.

"Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht"

Starkbieranstich auf dem Nockherberg

Frisur und Raute sitzen, da kann Ursula von der Leyen (Nikola Norgauer) beim Nockherberg 2015 machen, was sie will.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Antonia von Romatowski sieht einem direkt in die Augen, man merkt, dass es jetzt nicht um Honigbusch-Salbei-Smalltalk geht, sondern um ihre Seele. Sie sagt: "Es geht nicht um Kontrolle, es geht um Beherrschen - man darf die Gedanken, Emotionen und Triebe zulassen, aber man kann gehen, wenn sie destruktiv werden." Das habe ihr Leben stark geprägt. "Ich habe jetzt viel Stabilität in mir, egal welch ein Trubel um mich herum herrscht." Ein bisschen erinnert das an Angela Merkel.

Als Antonia von Romatowski ihre Schauspiel-Ausbildung abschließt, ist sie unglücklich. Sie verabscheut die Ochsentour mit den zahllosen Castings, "wo einem gesagt wird, man sei ganz hübsch, aber davon gebe es 30 000 andere". Außerdem ist ihr Selbstwertgefühl im Keller, weil machtbewusste Lehrer die Schüler gefügig gemacht haben. Sie steht zwar noch auf der Bühne, hat mal einen Drehtag fürs Fernsehen, macht Werbefilme. Aber irgendwann wirft sie den Kram hin und jobbt - unter anderem in Einkaufszentren, wo sie Weihnachtsmänner und Osterhasen mit Marzipan bemalt. Und sie wartet. Bis ihr eine bessere Idee kommt. "Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht", sagt sie.

Sie geht in Kirchen, über Friedhöfe, sucht ruhige Plätze, grübelt. "Wenn es Gott gibt", sagt sie zu sich selbst, "soll er mir eine Aufgabe zeigen, mit der ich mir und den Menschen dienen kann." Romatowski, Jahrgang 1976, sagt tatsächlich dienen. Merkel sagt ja auch immer, dass sie dem Land dienen wolle.

Wie soll sie sich um Angela Merkel kümmern?

Irgendwann kommt die innere Stimme: "Kümmere dich um Angela Merkel!" Antonia von Romatowski lacht. "Ich weiß, es hört sich extrem esoterisch an", sagt sie, "aber es war so." Der Satz zeigt: Sie hat eine Distanz zu Esoterik und übertriebenem Öko-Kram. Sie macht es, weil es ihr gut tut, und nicht, weil sie eine Mission hat.

Aber wie soll sie sich um Angela Merkel kümmern?

Es wurde eine Radiocomedy. "So was, wie Elmar Brandt mit dem Schröder in der Gerd-Show machte, so was wollte ich mit Merkel machen", sagt Romatowski. Sie hörte Merkel-Reden und brachte sich ein Wort bei, dann zwei, dann ganze Sätze. "Ich kann mich einen Monat einschließen und darauf fokussieren", sagt sie, "was ich mache, mache ich intensiv." Romatowski beschreibt sich oft selbst. Sie macht sich für den Besucher sichtbar. So wie sie Merkel für das Publikum sichtbar macht.

Verona Pooth kann sie auch, aber man will diese Stimme nicht hören

Bekannt wurde sie 2005 mit ihrer "Merkel Morningshow", die bundesweit im Radio ausgestrahlt wurde. Merkel war jetzt Kanzlerin, und Romatowski war Kanzler-Double. Sie parodierte auch andere, etwa Naddel und Verona Pooth beim Zeichentrickfilm "Dieter - der Film" über Dieter Bohlen. Sie setzt sich aufrecht hin und macht Verona nach. Es ist gut, aber man mag diese Stimme nicht hören. Romatowski lacht. "Meine Freunde haben auch Kopfschmerzen gekriegt", sagt sie. Bohlen hat sie dann geadelt, als er sagte: "Wenn ich bei dieser Stimmen-Imitatorin anrufen würde, wüsste ich nicht, ob ich nicht die echte Verona dran hätte."

Apropos Adel. Die von Romatowskis sind polnischer Adel, aber Antonia von Romatowski ist weder im Schloss aufgewachsen, noch macht sie sich was draus. "Als Teenager sollte ich eine Fahrradtour mitmachen, die Adel auf dem Radel hieß", erzählt sie. Romatowski lacht. Sie fuhr nicht mit. "Ich mag diese abgeschlossenen Cliquen nicht", sagt sie, "und ich mag nicht, wenn sich Menschen zu ernst nehmen."

Berufung: Bis zu zwei Stunden braucht Romatowski, um wie die Kanzlerin auszusehen. Hier im typischen Blazer mit Christoph Zrenner als Horst Seehofer und Sigmar-Gabriel-Darsteller Thomas Wenke beim Nockherberg 2014.

Bis zu zwei Stunden braucht Romatowski, um wie die Kanzlerin auszusehen. Hier im typischen Blazer mit Christoph Zrenner als Horst Seehofer und Sigmar-Gabriel-Darsteller Thomas Wenke beim Nockherberg 2014.

(Foto: Robert Haas)

Seit 2008 läuft die Radiocomedy "Küss mich, Kanzler". Romatowski spricht Merkel und Stefan Lehnberg deren Mann Joachim Sauer. Es geht um Alltägliches. Er sagt: Die Schuhcreme ist alle. Sie sagt: Ich muss jetzt aber nach New York. Er sagt: Dann kauf die Schuhcreme in New York.

Antonia über Angela: "Es ist wie in einer normalen Beziehung..."

Und 2014 kam der Nockherberg dazu. Sie braucht "eineinhalb bis zwei Stunden", um annähernd so auszusehen wie Merkel. Sie muss dazu ein Fatsuit anziehen. Im Deutschen heißt das Fatsuit noch uncharmanter "Fettanzug". Antonia von Romatowski holt den fleischfarbenen Fettanzug aus dem Schrank. Ist es heiß darunter? "Ja, total!", ruft sie. Außerdem trägt sie eine Perücke mit Merkels Udo-Walz-Frisur, das Gesicht kann man mit Schattierungen breiter machen, die Mundwinkel zieht sie mimisch nach unten; und sie werden mit Alkoholfarben sichtbarer gemacht.

Mag sie Merkel eigentlich? "Es ist wie in einer normalen Beziehung", sagt Romatowski, "manchmal ist sie mir nah, und manchmal möchte ich ihr den Hals umdrehen." Sie sei keine CDU-Wählerin, aber an Merkel spüre sie deren "Integrität".

Im Vorgespräch war die Frage aufgetaucht, welche Ziele sie noch habe, sie, Antonia von Romatowski. Sie hat darauf nicht gleich geantwortet, aber intensiv darüber nachgedacht. Auch das passt zu ihr. Und beim Treffen in Söcking hat sie dann eine Antwort: ein komplettes Merkel-Musical, das wär's. Mit allen Lebensstationen.

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