Lesung:Wenn am Schlosskanal Ratten mit blutigen Pfoten winken

Lesezeit: 2 min

Lesung: Der Schriftsteller Bernhard Jaumann lässt die Münchner Kunstdetektei Schleewitz bereits in ihrem dritten Fall ermitteln.

Der Schriftsteller Bernhard Jaumann lässt die Münchner Kunstdetektei Schleewitz bereits in ihrem dritten Fall ermitteln.

(Foto: Isolde Ohlbaum)

Bernhard Jaumann liest im Rahmen des Krimifestivals aus seinem neuen München-Krimi "Banksy und der blinde Fleck". Darin geht es auch um das Rätsel, wer sich hinter dem anonymen Street-Art-Künstler wirklich verbirgt.

Von Florian Welle

Überlebensgroße Ratten, wohin man sieht. Am Rosenheimer Platz, in der Dachauer Straße, am Nymphenburger Kanal. Eine steht auf ihren Hinterbeinen, die vor Blut triefenden Vorderpfoten weit von sich gestreckt. Andere zünden mit einem Sturmfeuerzeug die Lunte einer Bombe an oder haben ganz rotunterlaufene Augen vor lauter Weinen.

"Banksy in München?" titelt groß eine Münchner Zeitung und setzt damit einen Hype in Gang, der die ganze Stadt elektrisiert. Privatleute, deren Grundstück über Nacht mit einem vermeintlichen Graffito des sagenumwobenen Streetart-Künstlers beehrt wurde, sichern es hinter Plexiglas. Mal mehr, mal weniger windige Kunsthändler wittern das große Geschäft, werden doch Banksys Schablonen-Werke auf dem überhitzten Kunstmarkt für Millionen gehandelt. Dazwischen Rupert von Schleewitz, Klara Ivanovic und Max Müller von der Kunstdetektei von Schleewitz, die herausfinden sollen, ob es sich bei den Werken um echte Banksys oder bloß um geschickte Nachahmungen eines Trittbrettfahrers handelt.

"Banksy und der blinde Fleck" (Galiani Verlag) ist nach "Der Turm der blauen Pferde" und "Caravaggios Schatten" der dritte Fall, in dem Bernhard Jaumann die Münchner Kunstdetektei ermitteln lässt; er stellt ihn nun im Rahmen des Krimifestivals vor. Auch der jüngste Roman des unter anderem mit dem Friedrich-Glauser-Preis und dem Deutschen Krimipreis prämierten Autors ist ein kunstvoll gestricktes Verwirrspiel, in dem jeder aus dem Trio seine eigene Fährte verfolgt, lose Enden inklusive.

Rupert, Typ dreister Schnösel mit schwerer Kindheit und beachtlichen Nehmerqualitäten, wählt stets den direkten Weg, um ans Ziel zu gelangen. Der studierten Kunsthistorikerin Klara wiederum obliegen alle Stil-Fragen. Sie wahrt auch dann noch die Contenance, wenn sie wieder einmal mit sich selbst oder ihrem an Parkinson erkrankten rebellischen Künstlervater hadert, der vorübergehend bei ihr eingezogen ist. Max schließlich ist der Einzige unter ihnen mit Familie, grundsolide und von hartnäckiger Gründlichkeit. Der ideale Fakten-Checker.

Daher interessiert ihn auch weniger die Frage, ob die in München aufgetauchten Graffitis wirklich von Banksy stammen, als vielmehr, wer eigentlich hinter dem bis heute anonym gebliebenen Briten steckt. Robert Del Naja, der Frontmann der Band Massive Attack, wie einige vermuten? Oder doch eher der Künstler Robin Gunningham aus Banksys mutmaßlicher Heimatstadt Bristol? Oder steht am Ende sein Name gar nicht für eine Einzelperson, sondern für ein Künstlerkollektiv?

Bernhard Jaumann breitet die kunsthistorischen Hintergründe von Banksy und seinem weltweit Aufsehen erregenden Werk auf lockere wie souveräne Weise aus. Das bietet auch manch Gelegenheit für einen satten Seitenhieb auf den sensationsheischenden Medien- und Kunstbetrieb. Vor allem aber verknüpft er sie immer engmaschiger mit einer Handlung, die im weiteren Verlauf noch einmal eine ganz neue Richtung einschlägt, die zunächst nur angedeutet wurde, und dabei zusehends düsterer wird.

Morde im klassischen Sinn gibt es keine in "Banksy und der blinde Fleck", dafür aber jede Menge Tote. Bei ihnen handelt es sich um sozial abgehängte, vereinsamte und lebensuntüchtige Menschen, die in der reichen Landeshauptstadt niemand so richtig wahrnimmt, außer einer Person, die selbst über dem Elend verzweifelt. Die Arbeiten Banksys sind eminent politisch. Bernhard Jaumann hat einen ebensolchen Kriminalroman über soziale Kälte geschrieben, der dazu passend in München im garstigen Winter spielt.

Bernhard Jaumann, Lesung, Dienstag, 25. April, 19.30 Uhr, Buchhandlung "Buch & Bohne", Kapuzinerplatz 4, buchbohne.de

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema