Süddeutsche Zeitung

Bergbau:Glück auf!

Fast 300 Jahre lang lebten die Penzberger vom Pechkohle-Abbau. Als 1966 das Bergwerk geschlossen wurde und damit Hunderte Arbeitsplätze verloren gingen, tauchten neue Unternehmen auf. Heute ist die Stadt eines der größten Biotechnologie-Zentren.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Irgendwie geht es immer weiter - dieser Satz trifft wie kein anderer auf die Stadt Penzberg zu. Fast 300 Jahre lang lebten die Penzberger vom Pechkohle-Abbau. Als 1966 das Bergwerk geschlossen wurde, waren mehr als 1000 Bergleute arbeitslos. Heute ist die Stadt eines der größten Biotechnologie-Zentren in Europa mit fast 5800 Mitarbeitern. Michael Mayr hat diesen Wandel miterlebt. In Penzberg habe es keine andere Arbeit gegeben als im Bergwerk, erzählt er. 14 Jahre war Mayr alt, als er als Kohlstadlbua anfing. Dann kam der 30. September 1966. Der Abbau der Pechkohle war nicht mehr rentabel. Das Penzberger Bergwerk machte dicht. "Weltuntergangsstimmung" habe sich breitgemacht, sagt Mayr, der zuletzt als Steiger gearbeitet hatte.

Als die Grube schloss, hatte Penzberg etwa 11 000 Einwohner. Der Freistaat Bayern half bei der Ansiedlung neuer Betriebe. Es gelang, MAN mit einem Omnibus-Komplettfertigungswerk nach Penzberg zu holen. So fanden 700 ehemalige Bergleute noch im selben Jahr wieder einen Job. Daneben hatte sich auch der Autozulieferer Hoerbiger Antriebstechnik GmbH an der Seeshaupter Straße angesiedelt. Einen großen Aufschwung erlebte die Stadt in den 1970er Jahren. Mit dem eigenen Autobahnanschluss wurde Penzberg zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort. Und ein bisschen Glück war auch dabei.

1946 hatte sich das Pharmaunternehmen Boehringer Mannheim entschlossen, Teile seiner Forschung aus der Kurpfalz ins oberbayerische Tutzing am Starnberger See zu verlegen. Doch dort wurde es mit den Jahren zu eng. Die Konzernzentrale in Mannheim ging auf die Suche nach einem neuen Werksgelände - und stieß auf Penzberg. Ein Mitarbeiter hatte die Firmenleitung auf das brach liegende Gelände des Nonnenwaldschachts aufmerksam gemacht. 1972 legte Boehringer Mannheim den Grundstein für ein neues Werk in Penzberg. Schwarz-Weiß-Fotos zeugen von der Feier, zu der die Bergknappenkapelle aufspielte. Franz Josef Strauß war Ehrengast und wurde über das Gelände geführt, auf dem noch alte Bergarbeiter-Häuser standen. Im Nonnenwald war einer der ergiebigsten Schächte in Penzberg gewesen. 1951 hatten die Bergarbeiter dort fast 360 000 Tonnen Kohle gewonnen. Bereits Jahrhunderte zuvor war der Nonnenwald quasi ein Wirtschaftsstandort: 500 Jahre lang wurde dort Fischzucht betrieben. Nutznießer waren das von Nonnen geführte Sankt-Angerkloster in München und die Mönche im Kloster Benediktbeuern.

Boehringer Mannheim wurde zum wichtigsten Arbeitgeber. 1998 übernahm das Schweizer Unternehmen Roche den Konkurrenten und damit auch dessen Werk in Penzberg. Seit damals hat Roche mehr als zwei Milliarden Euro in den Ausbau des Standorts im Nonnenwald investiert. Auch die Anzahl der Mitarbeiter ist stark gestiegen: Waren es im Jahr 2000 circa 3000, sind es heute knapp 5800.

Dieses Wachstum hat die Entwicklung Penzbergs beeinflusst. Negativ und positiv. Die Stadt zahlt am meisten Kreisumlage im Landkreis Weilheim-Schongau - aktuell 17,5 Millionen Euro. Die eigenen Gewerbesteuer-Einnahmen haben andererseits viele Investitionen in den vergangenen Jahren möglich gemacht. Doch Penzberg droht eine Gewerbesteuer-Rückzahlung an Roche in Höhe von mehr als 30 Millionen Euro plus Zinsen. Auf die Frage, was sich Stadtkämmerer Johann Blank für die Zukunft wünscht, antwortet er deshalb: Keine Monokultur, stattdessen einen gesunden Mix an Betrieben. Das täte Penzberg gut.

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SZ vom 06.05.2017
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