Berg am Laim:Lobpreis light

Lichtshow und Logo, englischsprachige Lieder und abgespeckte Liturgie: "Sunday" ist ein neues protestantisches Gottesdienst-Projekt. Es wendet sich vor allem an jüngere Menschen, die mit der Standardversion nicht mehr viel anfangen können

Von Lea Weinmann, Berg am Laim

Eine Bar im Münchner Werksviertel, an einem späten Nachmittag. Die Abenddämmerung wirft lange Schatten auf das schroffe Gelände, halb Industriegebiet, halb Baustelle. Kaum einer verirrt sich zu dieser Zeit in diese Gegend und doch trudeln sie ein, vereinzelt, junge Leute zwischen 20 und 40 Jahren, alleine oder in Grüppchen, die in der Nachtkantine eine Ingwerschorle oder ein Bier bestellen, sich an einen Tisch setzen und darauf warten, dass der Gottesdienst beginnt.

Es ist Sonntag - Sunday auf Englisch - der Tag des Herren, den die meisten Christen ja eher mit einem Gottesdienst am Morgen, irgendwann zwischen Frühstück und Mittagessen feiern. Bei "Sunday", einem jungen protestantischen Gottesdienst-Projekt aus München, ist das anders. Diese Protestanten nennen ihr Projekt nicht einfach nur "Gottesdienst für Jüngere", es wird nicht nur fast genauso viel Englisch wie Deutsch gesprochen, nein, sie feiern ihren Gottesdienst auch noch abends, wenn die Sonne schon langsam untergeht. "Sunday - urban christian life" ist der vollständige Name des Projekts und das ist wichtig, denn jeder seiner Bausteine steht für das, was das Projekt sein will: Urban. Christlich. Lebendig. Und das alles am Sonntag.

Berg am Laim: Lobpreis im schummrigen Bühnenlicht: Das Publikum wird bei "Sunday" stärker eingebunden. Vor der Bühne stehen viele unterschiedliche Leute, die sich am Gottesdienst beteiligen.

Lobpreis im schummrigen Bühnenlicht: Das Publikum wird bei "Sunday" stärker eingebunden. Vor der Bühne stehen viele unterschiedliche Leute, die sich am Gottesdienst beteiligen.

(Foto: Privat)

"Es gibt gerade bei Jüngeren ein großes Bedürfnis nach einer Alternative zum Standard-Gottesdienst", sagt Pfarrerin Claudia Häfner. Zudem habe sie festgestellt, dass die Schwelle, eine Kirche zu betreten, oft sehr hoch sei. Die vierfache Mutter, 45, gehört zu den Gründern von "Sunday". In roter Bluse und schwarzer Stoffhose sitzt sie in der Bar und hält sich im Hintergrund, während ihre Kollegen vorne das Programm gestalten. Insgesamt acht protestantische Pfarrerinnen und Pfarrer aus ganz München haben sich im Dezember 2017 zusammengeschlossen, um dem Projekt "Sunday" auf die Beine zu helfen. Lange schon habe die Idee in ihr geköchelt, erzählt Häfner. Dass ihr Vorhaben so schnell mit dem landeskirchlichen Ehrenamtspreis belohnt wird, hätte sie sich nicht erträumt: "Das ist in erster Linie wirklich eine Motivation, weiterzumachen."

Bunte Scheinwerferstrahlen beleuchten die Bühne in der Nachtkantine, eine Leinwand steht da, Gitarren, ein Schlagzeug, Mikrofone - im Ambiente der Bar erinnert nicht viel an eine Kirche. Aber vorne, vor der Bühne, liegt eine Bibel auf einem kleinen schwarzen Pult, daneben ein bunt bemaltes Holzkreuz, drei große Kerzen leuchten im schummrigen Bühnenlicht. "Lasst uns einfach ein bisschen Lobpreis machen und feiern, dass Jesus uns befreit hat", ruft ein Mitglied der Band ins Mikro und streicht energisch über die Gitarrensaiten.

Berg am Laim: Statt der Orgel spielt eine Band.

Statt der Orgel spielt eine Band.

(Foto: Privat)

Nur einmal im Monat trifft sich "Sunday" zum "worship", wie sie es nennen - zu Deutsch Lobpreis. Die Musik und die Band spielen eine zentrale Rolle, die Lieder sind überwiegend auf Englisch, nicht nur christliche, auch weltliche Songs sind dabei, immer passend zum Inhalt. An diesem Sonntag haben sich die Organisatoren das Thema Freiheit ausgesucht, das gleichnamige Lied von Westernhagen tönt aus den Lautsprechern. Der Text zum Mitsingen erscheint auf der Leinwand.

Die Liturgie ähnelt dem Gottesdienst in der Kirche, aber in abgespeckter und aufgelockerter Version. Eine Predigt gibt es weiterhin, aber keinen Altar. Pfarrer Roger Schmidt, in Hemd und Jeans, spricht ohne Notizen. Knapp zehn Minuten erzählt er von Freiheit, nimmt Bezug auf biblische Geschichten, verbindet aber alles mit dem Hier und Jetzt. Auch die eigene Reflexion ist wichtig: "An welchem Gefängnis feilst du?", lautet die Frage an die Besucher, über die sie sich mit ihrem Nebenmann austauschen sollen. Der Austausch, ob mit Bekannten oder Fremden, ist auch so eine wichtige Sache bei "Sunday".

Berg am Laim: Ein bisschen moderner, ein bisschen bunter:Bei "Sunday" steht eine Leinwand auf der Bühne.

Ein bisschen moderner, ein bisschen bunter:Bei "Sunday" steht eine Leinwand auf der Bühne.

(Foto: Privat)

Die etwa 25 Besucher sind jung, Lydia und Heiko Timm zum Beispiel sind beide 34 Jahre alt. Das Pärchen ist gerade aus Kanada zurückgekommen. "Wir haben etwas gesucht, das weniger frontal ist und näher am Leben dran als die normale Kirche", sagt Heiko Timm. Bei "Sunday" scheinen sie fündig geworden zu sein. Das Projekt richte sich an alle, die in anderen Gottesdiensten keine Heimat finden, so Pfarrerin Häfner, die sonst für das evangelische Leben an der TU München zuständig ist. Die Organisatoren verstehen sich nicht als Konkurrenz zur normalen Kirche, sondern als Alternative: "Das ist eine Evolution, keine Revolution", betont die Pfarrerin.

Das Erfolgsrezept von "Sunday" könnte in der Ästhetik liegen - Claudia Häfner, nennt es das "Gesamtkonzept", das stimmen muss. Das beginnt beim rot-schwarzen Kleidungsstil des Teams, reicht über eine moderne englischsprachige Website bis hin zum einprägsamen Logo. Der Auftritt und die ästhetische Verpackung ähneln der Inszenierung der freikirchlichen Gottesdienste, die sich auch in München immer größerer Beliebtheit erfreuen. In einen hippen, aufwendigen Lichtshow-Mantel hüllen Freikirchen wie das Münchner ICF (International Christian Fellowship) ihre sehr bibelnahen Ansichten - "rigide", nennt Häfner sie. Von diesem Mantel hat man sich bei "Sunday" vielleicht etwas abgeschaut, aber die Inhalte unterscheiden sich stark: Formeller Träger ist das Studienkolleg Collegium Oecumenicum in München, damit gehört "Sunday" vollständig zur protestantischen Landeskirche und vertritt auch deren Glaubensgrundsätze.

Berg am Laim: Nur eine Bibel und ein buntes Kreuz erinnern optisch an den klassischen Gottesdienst.

Nur eine Bibel und ein buntes Kreuz erinnern optisch an den klassischen Gottesdienst.

(Foto: Privat)

Das Projekt steht noch ganz am Anfang: Die Mitwirkenden wechseln momentan mit jedem Gottesdienst, der Ablauf ist immer ein bisschen anders, die App, über die man sich informieren kann, funktioniert noch nicht richtig. Auch ein paar mehr Besucher könnten nicht schaden, sagt Häfner: "Es muss sich noch ein bisschen herumsprechen." Das tut es nicht von allein, deswegen gehen die Organisatoren aktiv auf die Leute zu und machen Werbung. Für die 45-Jährige gehört das zum "Alternativprogramm Gottesdienst". Man könne heute nicht mehr darauf warten, dass die jungen Leute von sich aus in die Kirche strömen, sagt sie. "Das heißt aber nicht, dass sie keinen Bedarf mehr an Kirche und Glauben haben."

"Time to say goodbye" ist das Thema des Gottesdienstes von "Sunday" am Sonntag, 11. November. Beginn in der Knödelalm, Friedensstraße 12, ist um 17 Uhr, Einlass von 16.30 Uhr an.

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