Berg am Laim:"Hot Spot der Biodiversität" an alten Bahngleisen

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Die außergewöhnliche Parkanlage auf der Brache des früheren Bahnbetriebswerk dient unter anderem als Heimat für streng geschützte Tiere. (Foto: Florian Peljak)

Auf den Brachen des früheren Bahnbetriebswerks in Berg am Laim ist ein ungewöhnlicher Park entstanden, in dem streng geschützte Tiere leben.

Von Renate Winkler-Schlang

Der Zauneidechse, der Blauflügeligen Ödlandschrecke und auch der Blauflügeligen Sandschrecke ist es zu verdanken, dass die Berg am Laimer nun eine sehr ungewöhnliche Grünfläche bekommen. Diese drei streng geschützten Arten finden auf den Brachen des früheren Bahnbetriebswerks München IV im Schotter zwischen alten Gleisen und jungen Birken ideale Lebensbedingungen. Und sie sollen sich da weiter wohlfühlen, in diesem "Hot Spot der Biodiversität", wie es Landschaftsarchitektin Andrea Gebhard formuliert.

Deshalb wurde bei der Entwicklung der Areale, die die Bahn schon lange nicht mehr braucht, Wohnungsbau nur dort vorgesehen, wo auch früher schon Gebäude standen wie etwa die alte Ausbesserungswerkstatt oder die Anlagen des Eisenbahnsportvereins ESV München Ost. Dichter und höher als in anderen Baugebieten, mit einer Geschossflächenzahl von 1,2 fürs Wohnen und 3 fürs Ladenzentrum, ballen sich die geschwungenen Neubauten nahe der Baumkirchner Straße. Insgesamt umfasst das Planungsgebiet 13,1 Hektar. Aber nur weniger als die Hälfte ist bebaut.

Für menschliche Besucher wurde ein 480 Meter langer Steg angelegt. (Foto: Florian Peljak)

Der Rest ist Natur. Besser gesagt, den Rest hat die Natur sich zurückerobert. Zwischen den Birken verlaufen noch marode, verrostete Schienen, liegen verwitterte Bahnschwellen, hie und da finden sich eine alte Kabeltrommel, ein paar Betonbrocken, Leuchten, schmale Metallpfosten für lange erloschene Signalanlagen. Vor allem die Tierwelt aber war hier lange ungestört, ein Zaun hielt Spaziergänger fern.

Doch das habe man nicht durchhalten können, erklärt Horst Burger, Grünplaner im Planungsreferat. Er zeigt einen farbigen Biotop-Plan, auf dem diese Flächen signalrot leuchten: Achtung, soll das sagen, hier hat der Schutz der Tierwelt oberste Priorität. Gleichzeitig aber steigt mit der dichten Bebauung im Gebiet "Baumkirchen Mitte", aber auch mit der Macherei und anderen neuen Bürobauten im angrenzenden Gewerbegebiet Neumarkter Straße, der Druck der Erholungssuchenden.

Daher sei der neue Landschaftspark ein Kompromiss, erklärt Stefan Ondracek, Leiter der Baurechtschaffung bei der CA Immo, die die Bahnflächen hier entwickelt. Die Bürger dürfen rein in diese "Vorrangfläche" Doch nicht sie haben hier Vorrang. Damit sie nicht kreuz und quer alles niedertrampeln, wurde ein 480 Meter langer, breiter Steg angelegt. Mit diesem Gesamtkonzept hatten Peter Ebner und friends und das Landschaftsarchitekturbüro Mahl Gebhard Konzepte im März 2010 den Wettbewerb gewonnen.

Landschaftsarchitektin Andrea Gebhard und Horst Burger, Grünplaner im Planungsreferat, sind zufrieden. (Foto: Florian Peljak)

Es ist kein Holzsteg, sondern einer aus Betonelementen mit kleinen Schlitzen. Das wirkt wie durchdachtes Design, doch Andrea Gebhard hat dafür einfach Spaltböden für Schweineställe umfunktioniert. Auf diesem rutschfesten grauen Untergrund kann man nun zu Fuß diese Oase erkunden. Sie wirkt zugleich verwunschen und mit den Hochhäusern rundum und der roten S-Bahn oder dem Güterzug, die am Rand vorbeifahren, auch sehr urban. Am westlichsten Punkt weitet sich der Steg zu einer größeren Fläche, die sich gut zum Sonnenbaden oder zum Picknick eignet. Sitzbänke sind integriert, die den Blick auf die alte Lokdrehscheibe der Bahn lenken - von der Burger sich wünscht, dass ein paar enthusiastische Bahnpensionäre sich darum kümmern würden.

Viel Aufwand: Eine siebenstellige Summe habe man investiert, sagt Ondracek. Doch Burger versichert, dass die Mühe sich lohne. Regelmäßiges Monitoring habe ergeben, dass die Tiere, die man schützen will, wirklich immer noch da sind. Ein ausgeklügeltes Pflegekonzept werde dafür sorgen, dass sie auch weiter eine optimale, trocken-sonnige Umgebung vorfinden. Streifenweise werden die Birken "auf den Stock gesetzt", also abgeschnitten, bevor sie zu hoch werden. Sie treiben dann staffelweise wieder aus, bleiben aber so klein, dass sie niemals alles verschatten werden in diesem neuen Landschaftspark. Gebhard und Burger würden ihn gerne markanter als "Gleispark" bezeichnen.

Im dichten Baugebiet selbst gibt es nicht nur Eigentums- und Gemeinschaftsdachgärten, sondern auch eineinhalb Hektar öffentliche Grünfläche mit Spielplätzen für Kleine und einer Bolzwiese für Größere. Das Angebot soll bewirken, dass die Besucher des Gleisparks wirklich diszipliniert auf den Stegen bleiben. "Das können wir nur hoffen", sagt Burger.

Insekten wie die blauflügelige Ödlandschrecke fühlen sich wohl im Landschaftspark beim Wohngebiet "Baumkirchen Mitte". (Foto: Markus Bräu)

Der Grünplaner betont auch die großräumige Grünvernetzung in Berg am Laim: Es reiche nun ein grünes Band vom kleinen Park an der Roßsteinstraße, der ehemaligen Baumschule, den alten Rosenheimer Bahndamm entlang bis zum Gleispark, unterbrochen nur von der Baumkirchner Straße, über die langfristig vielleicht sogar ein Fußgängersteg gespannt wird. Künftig soll die grüne Verbindung bis zum Leuchtenbergring führen, denn die an den Gleispark angrenzenden Flächen werden Ausgleichsflächen für den Bau der zweiten Stammstrecke, und die Bahn hat laut Burger bereits signalisiert, dass sie sich dabei an die Philosophie des Gleisparks anlehnen will. Und dann ist da noch das Gelände der alten Branntweinmonopolfabrik: Wenn auch dieses neu überplant ist, kann es am neuen Park entlang eine direkte grüne Radverbindung nach Haidhausen geben.

Der Gleispark wird am Mittwoch, 22. Mai, 14 Uhr, offiziell der Öffentlichkeit übergeben. Im Anschluss an die Eröffnung findet eine erste Führung statt. Am Ausgangspunkt des Stegs, Hermann-Weinhauser-Straße 31, sprechen Stadtbaurätin Elisabeth Merk, Stefan Ondracek und der Bezirksausschuss-Vorsitzende Robert Kulzer (SPD). Mitarbeiter des Büros Mahl Gebhard werden am Freitag, 24. Mai, von 14 bis 16 Uhr halbstündlich Führungen anbieten.

© SZ vom 21.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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