Berg am Laim:Edle Geister aus dem Container

Berg am Laim: Vom Sauerkraut zum "Cosmic Spirit": Schon als Student experimentierte Sebastian Rauscher gerne mit Essig und mit Fermentation.

Vom Sauerkraut zum "Cosmic Spirit": Schon als Student experimentierte Sebastian Rauscher gerne mit Essig und mit Fermentation.

(Foto: Robert Haas)

Der Künstler Sebastian Rauscher kreiert in seiner Destillation im Werksviertel Gin und Absinth nach seiner persönlichen "Geschmacksbibliothek"

Von Renate Winkler-Schlang, Berg am Laim

Im Herzen von Werksviertel-Mitte hat sich der Schreiner, Innenarchitekt und Künstler Sebastian Rauscher einer für ihn neuen Kunst verschrieben: Er stellt in seiner Destillation im Container hochwertigen Gin und Absinth und edle Geister aus ausgewählten Früchten in kleinen Editionen her: "Cosmic Spirits" heißt sein Ein-Mann-Unternehmen.

Spirituell sei dieser Name nicht gemeint, erklärt er fröhlich, während er seinen Hund Zula unterm Tisch krault. Er wollte einen Namen, der Luft lässt für neue Produkte. Sein Familienname habe sich leider nicht geeignet. Er lacht: Bei Rauscher hätte mancher "komische Assoziationen" von Suff und billigem Fusel gehabt, er aber strebte von Anfang an das Premium-Segment für Genießer an. "Spirit" spiele auf den Geist in der Flasche an. Und Cosmic? "Ich hab' halt nach den Sternen gegriffen." Das ist Sebastian Rauscher gelungen: Sein Gin und sein Absinth wurden im ersten Anlauf vom Verband "Bayern Brand" 2018 mit Gold prämiert. Der sechsteilige schwarze Stern auf goldenem Grund prangt nun auf jeder einzelnen Flasche.

"Essen war immer eine Freude", erzählt er. Schon in der Studentenbude legte er Wert auf gute Töpfe, schlief dafür lieber auf einem Feldbett. Damals schon experimentierte er mit Essig und mit Fermentation, stellte selbst Sauerkraut her oder Kimchi, das koreanische, durch Milchsäuregärung entstandene Lebensmittel. Als gelernter Schreiner und studierter Innenarchitekt hat er viele Jahre nicht nur Messestände konzipiert und gebaut, sondern auch Gastro-Einrichtungen. Wenn eine Profi-Küche fertig war, sei er ganz neidisch gewesen wegen der Möglichkeiten, die ein Koch nun haben würde, erzählt er.

Sein Künstler-Atelier in den Optimolwerken hatte immerhin eine Miniküche. Dort liegt der Anfang von Cosmic Spirit: Rauscher ärgerte sich über die künstlichen Aromen im gekauften Gin. Also begann er, alles dazu zu lesen, was er in die Finger bekommen konnte, und mit Kräutern zu experimentieren, sie zu mazerieren - also ihren Geschmack in reinem Alkohol zu lösen. Er war fasziniert und oftmals überrascht von den Aromen, von ihrer Intensität - ob Wermut, Anis Fenchel, ob Wacholder, Kubenenpfeffer, Angelikawurzel, Kardamom oder die Schale von Zitrusfrüchten. Gut 100 Kräuter und Gewürze hat er so studiert, ihre Gerb- und Bitterstoffe kennengelernt, eine persönliche "Geschmacksbibliothek" angelegt: "Viel Arbeit, aber ein Schlüsselerlebnis." Von 42 konnte er sich vorstellen, dass sie in seine Getränke-Kreationen passen. Beim Gin waren es am Ende 18, von denen er wusste, sie müssen dabei sein: "Keines mehr und keines weniger." Tropfenweise hat er an der Feinabstimmung gearbeitet.

Rauscher meldete ein Gewerbe zur Herstellung von Spirituosen an, erst mal nur aus Steuergründen, wie er sagt. Sofort rührten sich das Hauptzollamt und die Lebensmittelüberwachung - beides zu seinem Nutzen, die Experten gaben ihm Tipps wie etwa den, ein "Steuerlager" einzurichten. So muss er für den verwendeten Alkohol nicht beim Kauf Steuern entrichten, sondern erst nach Reifung des Destillats und Verkauf seiner Ware. Seine Erfahrungen halfen ihm bei der Bürokratie, aber auch beim Finden der stimmigen Flasche, beim Entwurf des individuell gravierten Stöpsels und eines Etiketts. Jeder einzelnen, von Hand nummerierten Flasche drückt Rauscher mit einer in Ölfarbe gemalten Banderole bisher seinen künstlerischen Stempel auf. Spiegelverkehrt steht "Nur für Verrückte" auf seinen Plakaten - eine Anspielung auf sein Lieblingsbuch, "Steppenwolf" von Hermann Hesse.

Geschmacklich habe er sich ganz auf den eigenen Instinkt, sein "Bauchgefühl" verlassen. Nach etwa zwei Jahren präsentierte er seine Produkte erstmals auf einer Fachmesse: "Das Feedback war super." Seitdem ist dies sein Hauptberuf. Als die Optimol-Bauten abgerissen wurden, bekam er, nach etwas Nervenkitzel und vermittelt von Fabian Ewald von den Freunden des Werksviertels, die Chance, ins Werksviertel umzuziehen. Große Mengen produziert Rauscher nicht im kleinen, nicht perfekt isolierten Container. Seine Kräuter und seinen Vorrat lagert er anderswo. Wenn er abfüllt, muss er erst den Schreibtisch freimachen. Dennoch ist Rauscher gerne hier in dieser quirligen, kreativen Umgebung. Und er ist weiter selbst kreativ, verarbeitet Obst wie Himbeeren, Moro-Orangen, Schlehen, Brombeeren, sizilianische Mandarinen oder sogar Erdbeeren in kleinen Chargen zu einem geschmacksintensiven, aber milden Geist, den seine wachsende Fangemeinde zu schätzen weiß. Aber er arbeitet auch an zwei neuen Gin-Sorten, eine nur mit japanischen "Botanicals", eine mit sieben Kräutern, die einen ganz eigenen Charakter bekommt. Alle sollen sich eignen für den puren Genuss. Da wird nichts gefiltert. Der leicht grüne Absinth muss dunkel stehen, sonst verliert er seine Farbe. Zusätze aber kommen nicht infrage. Rauschers Arbeit hat ihren Preis: Ein halber Liter Gin etwa kostet bisher 43,90 Euro.

Bald könne er ihn etwas günstiger anbieten: Bisher sind Rauschers Artikel Bio-zertifiziert, doch weil das mit den japanischen Kräutern nach EU-Recht ohnehin nicht funktioniert, wird er zwar weiter Biozutaten verwenden, auf die aufwendige Zertifizierung aber verzichten. Bestellen kann man Rauschers Produkte auf seiner Homepage. Wer ihn im Laden antrifft, darf kosten. Rauschers Erfahrung: Wer erst einmal seine Nase in eines der Probiergläser gesteckt und die Essenzen der Kräuter auf der Zunge spürt, der kauft - und kommt wieder.

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