Immobilen in München:Holzhybrid-Gebäude im Werksviertel geplant

Werksviertel

Von Balkon zu Fenster: Über die offen gestalteten Büros sollen Mitarbeiter unterschiedlicher Firmen unkompliziert ins Gespräch kommen. Simulation: CF Moller

Das "i8" soll im Werksviertel ist als Vorzeigeprojekt für nachhaltiges Bauen entstehen. Das sechsstöckige Gebäude ist Teil eines Bürozentrums und wird voraussichtlich 2024 fertig sein.

Von Lea Kramer

Die Grenzen zwischen Stadt und Land sind durchlässiger geworden. Warum das eine dem anderen vorziehen, wenn beides gute Seiten hat? Im Werksviertel, dem großen Aushängeschild für urbanes Lebensgefühl, kann man diese Stadt-Land-Verquickung gut beobachten. Auf einem Dach zum Beispiel weidet eine Schafherde. Auf dem anderen kraxeln, wenn nicht gerade ein Virus pandemisch grassiert, Großstadtbewohner an Felsblockimitaten herum, als wär' es die Benediktenwand. Von dort aus haben sie einen guten Blick auf das neueste, natur-inspirierte Projekt im Quartier: ein Holzhybrid-Bürogebäude von Rohde und Schwarz, genannt "i8".

Der weltweit im Bereich der Messtechnik, Medientechnik und Cybersicherheit agierende Elektronikhersteller ist seit mehr als 80 Jahren im Münchner Osten ansässig. Um die Jahrtausendwende hat das Unternehmen begonnen, sein verschachteltes Firmengelände hinter dem Ostbahnhof neu zu ordnen. Lagerhallen und andere Gewerbebauten wurden abgerissen. 2005 ist an der Ampfingstraße ein neues Technologiezentrum des Konzerns entstanden, das der Münchner Architekt Lutz Heese entworfen hat. Ein weiterer Bürokomplex mit Forschungslabors und Betriebsrestaurant, geplant vom Büro KSP Jürgen Engel, ist 2013 fertiggestellt worden. Auf den restlichen Flächen entwickelt die Immobilientochter des Konzerns R&S Immobilien GmbH unter dem Namen I-Campus insgesamt zehn Teilprojekte, in denen vor allem Büros vorgesehen sind.

Der Holzhybrid i8 an der August-Everding-Straße, der 2024 fertiggestellt werden soll, ist Teil dieses Bürozentrums. Die Entwürfe für den sechsstöckigen Bau stammen vom dänischen Architekturbüro C.F. Møller, das bereits mehrere Hochhäuser in Holzbauweise umgesetzt hat. "Wir wollen traditionelle Bürokonzepte in die Zukunft bringen", sagt Mads Mandrup Hansen, Partner bei C.F. Møller Architects. Der 20 000 Quadratmeter umfassende Neubau mit Holztragwerken solle neue Maßstäbe für das ganze Quartier setzen, ein Gebäude sein, das "ein Aufeinandertreffen von urbanem Leben und Natur ermöglicht", so der Architekt. Stephan Georg Kahl, Geschäftsführer der R&S Immobilienmanagement GmbH, fügt hinzu: "Es ist uns eine Herzensangelegenheit gewesen, auch das Thema Nachhaltigkeit in unser Bürokonzept zu integrieren".

In der Praxis heißt das, dass der Rahmen des Gebäudes sowie der Innenausbau hauptsächlich aus Holz gefertigt werden. Etwa 50 Prozent soll der Rohstoff aus der Natur am gesamten Baumaterial des Hauses ausmachen. Der Rest, etwa die Decken und Treppen, werden aus Stahlbeton oder Stahl gefertigt. "Wenn wir Beton und Stahl in der tragenden Konstruktion durch Holz ersetzen, ist es möglich, den Kohlenstoffgehalt von Gebäuden um 30 bis 50 Prozent zu reduzieren", sagt Architekt Mandrup Hansen. Das werde einerseits durch den nachwachsenden Rohstoff selbst erreicht, der nicht erst hergestellt werden müsse. So könnten bereits vor dem Bau CO₂-Emissionen reduziert werden. Zudem binde Holz, so lange es im Einsatz sei, den Kohlenstoff aus der Atmosphäre, den es ihr einst als Baum entzogen habe. Die Fassade des Gebäudes wird darüber hinaus eine grüne Aluminiumkonstruktion aus mehrheitlich recycelten Metallteilen umspannen.

Durch den Einsatz von vorgefertigten Elementen soll die Bauzeit verkürzt werden. All das sowie ein kleiner Park mit altem Baumbestand soll für eine gute Ökobilanz sorgen und das i8 zum Vorzeigeprojekt machen. Der Bausektor verbraucht nach einer Studie des Umweltbundesamts die Hälfte der in der EU gewonnenen Rohstoffe und produziert mehr als 35 Prozent des gesamten Abfallaufkommens. Nachhaltiges Bauen ist in der Politik immer wieder Thema, denn häufig scheitern nachhaltige Konzepte an gesetzlichen Hürden wie etwa den Brandschutzvorgaben.

Eine weitere positive Auswirkung der Holzbauweise: Naturnahe Baumaterialien filtern die Luft und verbessern das Raumklima. Beim Arbeiten in den offenen Stockwerken des Gebäudes auf dem alten Fabrikgelände wird es dann mehr nach Bayerischem Wald riechen als nach Leuchtenbergring.

Zur SZ-Startseite
Teaser werksviertel

SZ PlusWerksviertel
:Münchens coole Seite

Auf dem ehemaligen Industrieareal nahe dem Ostbahnhof entsteht auf 40 Hektar ein komplett neues Viertel. Es will Maßstäbe in Stadtplanung und Architektur setzen, die weit über die Stadt hinausreichen. Ein virtueller Rundgang.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: