Beratungsstelle:Gegen die Gewalt

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Christian Ude firmiert als Vereinsvorstand. (Foto: Florian Peljak)

Before berät Opfer von Rassismus - und hat dabei viel zu tun

Von Franziska Gerlach

Ohne Before wäre die Sache sicher noch schlimmer gewesen: "Ein tiefer sozialer Abstieg", sagte Christine Umpfenbach am Freitag, hätte der Flüchtlingsfamilie bevorgestanden, die von einem Nachbarn attackiert wurde und so in große Probleme geriet. Umpfenbach arbeitet bei Before, der Beratungsstelle für Betroffene von rechter und rassistischer Gewalt und Diskriminierung in München. Ein halbes Jahr, nachdem die vier Mitarbeiter von Before ihre Arbeit aufgenommen hatten, zog der Verein nun eine erste Bilanz.

Mehr als 50 Fälle hat Before seit April betreut. "Eine enorm hohe Zahl", wie Vereinsvorstand Christian Ude sagte, denn die Fälle seien komplex, sie ließen sich nicht mit einem einfachen Entscheidungen lösen. Eigentlich, sagte der frühere Münchner Oberbürgermeister, wäre es ihm lieber, die Beratungsstelle hätte sich im Nachhinein als unnötig erwiesen und rechte Gewalt sei "im Schatten des NSU-Prozesses überschätzt" worden.

Doch dem ist nicht so, wie der Fall der Fall der Flüchtlingsfamilie von Yahya Hosseini (Name geändert) zeigt: Der Freund seiner Nachbarin hatte den Mann, der vor 15 Jahren aus dem Nahen Osten geflohen und sich in Deutschland nur mit einer Duldung aufhielt, im Hausflur angegriffen, ihn auf den Boden gedrückt und geschlagen - vor den Augen seines vierjährigen Sohnes. Einen Monat später drangen zwei Männer in die Wohnung der Familie ein, zerstörten teils die Einrichtung und griffen Hosseinis Frau an. Man gehe davon aus, dass die Tat geplant gewesen sei, sagte Umpfenbach, die sich um die Beratung der Opfer rechter Gewalt kümmert.

Aus Angst vor weiteren Übergriffen flüchtete die traumatisierte Familie abermals, kroch bei Freunden unter oder mietete sich in Hotels und Wohngemeinschaften ein, sie wollten nichts wie raus aus ihrer Wohnung, für die aber weiterhin Miete anfiel. Das führte zu finanziellen Problemen. Vor allem aber gefährdete die Familie dadurch ihren Aufenthalt in Deutschland. Denn dieser wiederum war ja an den Nachweis einer Wohnung geknüpft. Ein Kreislauf, den Umpfenbach durchbrach, indem sie die Familie in einem Clearinghaus unterbrachte. Mit einem Gespräch ist es meistens also nicht getan: Die Mitarbeiter von Before analysieren zunächst die Gefahrenlage und stabilisieren die Opfer, sie begleiten sie zum Anwalt oder zum Psychologen. Sie helfen den Betroffenen aber auch in den Alltag zurück, etwa, wenn es darum geht, nach einem Übergriff in der Münchner U-Bahn das nach einer solchen Erfahrung mit Angst besetzte Transportmittel wieder zu benutzen.

"Der Übergriff ist mit der Festnahme des Täters nicht beendet", sagte SiegfriedBenker, der geschäftsführende Vorstand. Auch München ist nicht frei von Rassismus, der Hass richtet sich nicht nur gegen Menschen mit anderer Hautfarbe, sondern auch gegen Behinderte, Homosexuelle, Andersdenkende. Als Konsequenz von Pegida und AfD sei die Hemmschwelle gesunken.

© SZ vom 29.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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