Süddeutsche Zeitung

Benefizauktion:Wunder willkommen

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Rosa Loy und Neo Rauch über Kunsterlebnisse in Corona-Zeiten

Interview von Evelyn Vogel, München

"Jetzt erst recht. Das ganze Leben ist eine Kunst!" - unter diesem Motto trotzen die Freunde der Pinakothek der Moderne bei ihrer diesjährigen Benefizauktion Corona. In der Auktion, die an diesem Samstag, 21. November, von 20.15 Uhr an auf www.kettererkunstlive.de als Live-Stream stattfindet, sind auch Werke von Rosa Loy und Neo Rauch.

SZ: Frau Loy, auf Ihrem Bild in der Pin-Auktion treiben Blumenzwiebeln kraftvoll aus, eine liegt wie ein Schwangerschaftsbauch im Schoß der Frau. Alles Zeichen für einen Neubeginn. Hatten Sie die Idee zu dem Bildmotiv, bevor Corona uns im Griff hatte oder als Reaktion darauf?

Rosa Loy: Das Bild "Visionen" ist extra für die Pin-Auktion entstanden. Es ist also aus diesem Sommer und Spätsommer; die Monate in denen ich Blumenzwiebelkataloge wälze. Immer die Blüten dieser unscheinbaren Knollen und Zwiebeln vor Augen, habe ich die wunderbarsten Visionen von blühenden Gärten im nächsten Jahr im Sinn. Als optimistischer Gärtnerin ist mir immer ein Wunder willkommen.

Herr Rauch, auch in Ihrem Bild wird etwas Neues erschaffen: Im Schaufenster wird eine Szenerie eingerichtet, der Maler, der mit seiner Staffelei davorsteht, arbeitet offensichtlich an einem neuen Werk. Der Schluss liegt nahe, dass der Maler Ihr Alter Ego ist. Oder fühlen Sie sich als Künstler augenblicklich eher wie eine der Gestalten im Schaufenster, also hinter Glas?

Neo Rauch: Anteilig bin ich in jeder meiner Figuren enthalten; ich male so lange an ihnen, bis sich ein umfassendes Einvernehmen mit ihnen einstellt. Sobald jedoch ein Staffeleiarbeiter auftritt, verschieben sich die Anteile offenbar vermehrt in seine Richtung. Er versucht, nach Maßgabe seiner Möglichkeiten auf das Geschehen hinter dem Glase zu reagieren; jedoch wird er von Motten bedrängt und umkreist, die ihn wohl abzulenken scheinen. "Konzentriere dich", mag man ihm zurufen, denn es ist an dir, eine Entsprechung zu den Vorgängen im Schaufenster zu gestalten.

Seit Beginn der Pandemie leben wir alle irgendwie hinter Glas, kommunizieren miteinander virtuell per Zoom & Co., erleben Kunst in vielfacher Weise überwiegend in digitalen Formaten. Wie gehen Sie mit dieser Situation um? Können Sie in ihren Ateliers normal arbeiten? Sammler, Kuratoren, Galeristen, andere Künstler treffen?

Rosa Loy und Neo Rauch: Wir sind immer allein mit der Leinwand: also nichts Neues im Atelier. Ohne Besuche ist ein sehr intensives Arbeiten möglich. Für Gespräche gibt es die unterschiedlichsten Medien. Leider fehlen Musik, Theater, Museen und Oper als Labsal für die Seele sehr. Wir merken bei dieser derzeitigen kulturellen Null-Diät, wie existenziell Kunst und Kultur für uns ist und wie wir sonst von der Kultur genährt werden, wirklich sehr.

Was halten Sie überhaupt von der Digitalisierung von Kunsterlebnissen?

Rosa Loy und Neo Rauch: Es ist eine hervorragende Möglichkeit in dieser Notsituation, aber kein dauerhafter Ersatz. Wie in allen kulturellen Bereichen ist ein körperliches Erfahren mit allen Sinnen hin und wieder notwendig.

Haben Sie Erfahrungen mit Online-Versteigerungen, die nun auch bei der Pin-Auktion das Live-Erlebnis ersetzen muss?

Rosa Loy und Neo Rauch: Wir haben kürzlich ein Bild von Rosa zurückersteigert, unsere Arbeit kennen wir gut. Eine Verbundenheit mit der künstlerischen Position ist vorteilhaft und lässt sich leicht in Galerieausstellungen oder im persönlichen Kontakt erreichen. Es gibt viele Wege ein Bild im Original zu sehen und dann Online zu ersteigern.

Viele Künstler leiden unter dem coronabedingten Lockdown, weswegen die Hälfte der Auktionserlöse bei Pin in diesem Jahr an die Künstler zurückfließt. Sie beide spenden ihre Anteile einem Kinderhospiz, das Sie seit langem unterstützen. Wie sehr hat eine solche Einrichtung unter der Corona-Pandemie zu leiden?

Rosa Loy und Neo Rauch: Normalerweise gibt es im Leipzig jedes Jahr Deutschlands größte GRK Golf Charity im Sommer, wovon der Erlös immer zu 100 Prozent gespendet wird. Alle Kosten des Events werden privat getragen. Mit diesem Geld rechnen Einrichtungen wie das Kinderhospiz. Das fiel dieses Jahr coronabedingt aus. Was für ein Glück, dass auf diesem Wege mit der Pin-Auktion unsere Herzensangelegenheit mit unterstützt wird. Für einen Platz für ein sterbendes Kind müssen pro Jahr 100 000 Euro gesammelt werden. Wir sind so dankbar, ein wenig helfen zu können.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2020
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