Benefiz:Gutes für bessere Zeiten

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16 Musiker, ein Song: Für die BR-"Sternstunden" legt sich die bayerische Pop-Szene ins Zeug

Von Michael Zirnstein, München

Das sind keine Engelstrompeten, das hört man gleich, das ist das Horn von Haindlings Hans-Jürgen Buchner, wärmend wie eine beleuchtete Hütte im dunklen Winterwald. Und die Trompete später im Stück klingt auch nicht nach himmlischen Heerscharen, aber wieder anders, tänzelnder, voller Soul, typisch Stefan Dettl von La Brass Banda. Es spricht für die bayerische Pop-Szene, dass sie solche prägenden, sofort identifizierbaren Stimmen hat, und es spricht für das Lied "Auf bessere Zeiten", dass diese einzelnen Stimmen hier miteinander für die gute Sache musizieren: der Gesang von Ami Warning, San2, Gudrun Mittermaier, den Ganes und Karin Rabhansl, die Raps von Roger Rekless, Sebastian Horn und Hannes Ringlstetter, die Geige von Flo "Django 3000" Starflinger, das Piano von Martin Schmitt und die Gitarre von Spider-Gang-Leader Barny Murphy und etliche mehr.

Zusammengetrommelt hat dieses Ensemble aus 16 Solisten Claudia Koreck: Kollegen, o kommet, o kommet doch all. Sie hat sie alle angerufen, und darum gebeten, in diesem Jahr, in dem es für viele und ganz besonders für die Künstler so finster ausschaue, "den Funken der Menschlichkeit wieder in die Gesellschaft zu tragen". Und wer würde da nein sagen, so ganz ohne Gage in einkommensloser Zeit? "Alle hatten total Lust", sagt die Traunsteiner Liedermacherin hocherfreut, schließlich geht es um Solidarität - und um Kinder.

Der Auftrag kam vom Bayerischen Rundfunk, ein Lied zu schreiben, dessen Download-Erlöse ganz den " Sternstunden" zufließen und der erstmals in ganzer Länge am 11. Dezember, 20.15 Uhr, in der adventlichen Fernsehgala präsentiert wird. Derlei ist der Christmas-Song-Connaisseurin Claudia Koreck nicht neu. Seit 2007 engagiert sie sich für die Benefizaktion, stellt auch eine Spendenbüchse bei ihren Konzerten auf, und vor sieben Jahren schon sang die Soul-Nationalmannschaft mit ihr, Max Mutzke, Andreas Bourani und Annett Louisan ihr Stück "Wir für Kinder" für Sternstunden.

Diesmal wollte sie es anders machen, nicht streng einen Song nach "We are the world"-Strickmuster vorgeben, sondern "was Lässigeres, was der bayerischen Seele entspricht". Die "ganze geile Vielfalt" in der Szene sollte sich selbst entfalten. Also schrieb sie zusammen mit ihrem Mann und Produzenten Gunnar Graewert nur die erste Strophe und den Refrain mit der Zeile "Loss mi dir, loss mi dir, loss mi dir a Lied geb'n, dann gib i dir, gib i dir, gibst du mir a Leuchten, dann dea ma zam, dea ma zam, dea ma zam die Glock'n leit'n." Die Melodie war nur skizziert, der Loop recht offen, dahinein durfte jeder einen Platz für seine Kunst finden. Das war durchaus ein Wagnis, sagen Koreck und Graewert, zumal sie "so viele unterschiedliche Genres wie möglich" zusammenpacken wollten. Und zwar nicht nur interpretiert von Routiniers wie Buchner und den "typischen BR-Nasen", sondern eben auch von den jungen Wilden. Dass es da durchaus Diskussionen mit der BR-Redaktion gab, kann man sich schon beim Blick auf erste Bilder aus dem Video vorstellen: Das steht der Bayerwald-Rapper BBou zauselig und barfuß in einer Schneewelt, Andreas Ecker von Pam Pam Ida trägt einen hauteng-orangenen Skianzug auf. Aber "was für ein Wahnsinnstyp, was für eine Präsenz, wenn der in den Raum kommt", schwärmt Koreck noch jetzt von der Begegnung mit dem Sänger im Downtown Studio in München, der einen guten Monat lang ständig weitere Treffen folgten. Am schwierigsten sei es gewesen, die Freunde und Bekannten nicht zu umarmen, gerade bei so einem emotionalen Thema, sagt Koreck.

So umarmt sie eben alle verbal. Die "tolle junge Soul-Schreiberin" Warning ebenso wie Ringlstetter, diesen "Angelpunkt der Szene", und den Rap-Routinier Roger Reckless, der sich gerade auch bei der Vermarktung eines "antirassistischen Klopapiers" engagiert. Er beeindruckt die Team-Chefin in "Auf bessere Zeiten" vor allem mit seinem selten gehörten Gesang. "Bring dir schöne helle Sterne mit heim, nie wieder weinen wäre fein", reimt er vor einem Spielzeugladen sitzend - es ist einer von vielen bunten Hintergründen, die Koreck fürs Video gezeichnet hat. Der Aufwand war immens, aber sie hatte ja Zeit, die Tour zu ihrem Album "Auf die Freiheit" ist vertagt. Also "Auf bessere Zeiten"! Und dieser strahlend schöne Song, mittlerweile auf Platz eins der Bayern-3-Charts, ist schon ein Vorgeschmack darauf, weil er in seiner klanglichen Vielfalt eben Einheit demonstriert: "Dieser Zusammenhalt für die Kinder macht es aus, da muss man musikalisch gar nicht viel gemeinsam haben." Das zeigt sich dann schon an der gegenseitigen Wertschätzung, etwa daran, dass Buchner, "der sonst eher sparsam mit Lob ist", über seinen jüngeren Nachfolger sagte: "Das, was der Dettl da gemacht hat, ist schon richtig gut."

© SZ vom 03.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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