Süddeutsche Zeitung

Benefiz-Aktion:Bilder voller Intensität

Max Mannheimer, der bis zu seinem Tod Jugendliche und Erwachsene über die Schrecken des Dritten Reichs aufklärte, begann das Malen als eine Art Therapie. Am Montag wurden 35 seiner Werke für einen guten Zweck versteigert. Der Erlös in Höhe von 18 500 Euro geht an den Verein Leopolis in der Westukraine

Von Martina Scherf

Die Tür zum Jüdischen Museum ist noch gar nicht geöffnet, da hat sich schon eine kleine Menge an Mannheimer-Freunden versammelt. "Ich kannte ihn nicht persönlich", sagt Angelika Geiger-Küpper, die aus Murnau angereist ist, "aber er hat einmal in unserem Gymnasium aus seinem Leben berichtet. Was meine Kinder damals erzählten, hat mich so berührt, dass ich jetzt ein Bild von ihm haben möchte." Als sie selbst zur Schule ging, erzählt sie noch, in den Sechzigerjahren, da sei im Geschichtsunterricht die NS-Zeit bewusst ausgespart worden. "Gott sei Dank ist das heute anders." Die grauhaarige Dame hat sich auch schon ein ganz bestimmtes Bild ausgesucht, es ist das letzte im Katalog. "Ich bin schon aufgeregt, ich war noch nie auf einer Auktion."

Als die Wachleute dann Einlass gewähren, füllt sich das Foyer des Museums schnell bis auf den letzten Platz. Mehr als 200 Menschen sind zur Benefizauktion gekommen. Max Mannheimer lächelt von einem Foto auf seine Gäste herab. Es ist sein Geburtstag. Der Auschwitz-Überlebende wäre an diesem Montag 97 Jahre alt geworden.

"Er würde sich darüber freuen", sagt Christian Ude, Münchens Alt-Oberbürgermeister, "dass seine Werke so viele Menschen zusammenführen, die ihn zum einen für sein gesellschaftliches Engagement verehren, aber auch als Künstler, der er ohne Zweifel war."

Zusammen mit Katrin Stoll vom Auktionshaus Neumeister leitet Ude die Versteigerung. "Genauso wie es ein großartiges Werk nicht diskreditiert, wenn der Künstler menschlich ein rechtes Ekel war", erklärt Ude, bevor es los geht, "genauso wenig kann es einem Werk schaden, wenn der Künstler ein großartiger Mensch war." Und das war Mannheimer, der bis zuletzt Jugendliche und Erwachsene über die Schrecken des Dritten Reichs aufklärte, wie er sie erlebt hatte. Der unter Depressionen litt und das Leben liebte.

"Für seinen mitreißenden Humor und seinen politischen Impetus haben wir Mannheimer geliebt", sagt Ude. Für den Juden sei das Malen anfangs eine Art Therapie gewesen, er habe sich aber künstlerisch immer weiter entwickelt. Mannheimer habe an keiner Akademie studiert, er habe probiert und beobachtet, und trotz der unvorstellbaren Erlebnisse, die auf seiner Seele lasteten, seien seine Bilder voller Farbenfreude. Mannheimer hatte in den Fünfzigerjahren zu malen begonnen und signierte die meisten Bilder mit dem Namen "ben jakov" (Sohn Jakobs), um seinen Vater, der ebenso wie ein Großteil der Familie im Konzentrationslager Auschwitz ermordet wurde, zu ehren.

Ude tut dann das Seine dazu, dass die Bilder unters Volk kommen. "Jetzt machen Sie doch nicht so ein Pokerface", ruft er dem Publikum zu, und: "Das können Sie sich nicht bieten lassen - jetzt legen Sie halt noch was drauf." Es wird lebhaft geboten. Nur für die Nummer 17, "diese Kleckserei", die Ude sich offensichtlich schon vorher ausgesucht hat, macht er nicht so viel Werbung, sondern bietet selbst kräftig mit - für 480 Euro kriegt er den Zuschlag. Am Ende sind alle 35 Werke verkauft, die begehrtesten für 1300, 1500 und 2800 Euro. "Das hat unsere Erwartungen weit übertroffen", sagt Katrin Stoll von Neumeister. Das Auktionshaus hat die Benefizaktion ohne eigenen Verdienst gemanagt.

Der Erlös von 18 500 Euro geht an den Verein Leopolis in der Westukraine. Die Armut der Menschen dort, großteils aus Russland Vertriebene, sei unvorstellbar, sagt Bernhard Purin, der Leiter des Jüdischen Museums. Leopolis unterstützt die jüdische Gemeinde in Lemberg mit einem Kindergarten, einer Mittagstafel und medizinischer Versorgung. Vor dem Krieg lebten in Lemberg, das als Schmelztiegel der Kulturen galt, 160 000 Juden, heute sind es noch 7000. Und dann sagt Purin noch: Dass der Name Max Mannheimer nicht ein Straßenschild in Bad Aibling zieren soll, wie kürzlich im Stadtrat beschlossen, sei seltsam. Der Bürgermeister hatte "eine Tendenz weg von der Geschichte" festgestellt und war eingeknickt.

Angelika Geiger-Küpper ist jedenfalls glücklich mit ihrem Mannheimer. Sie hat ihr farbenfrohes Bild tatsächlich ersteigert, gegen die Gebote zweier ebenso entschlossener Männer. "Das Bild kommt ins Gästezimmer, vielleicht auch ins Wohnzimmer", sagt die Frau aus Murnau.

Die Kinder von Mannheimer, Ernst und Eva, sind glücklich über den Abend, der noch einmal so viele Freunde und Weggefährten zusammengeführt hat. Und Olga Mannheimer, die Schwiegertochter, die die Benefizaktion organisiert hat, sagt: "Der Max hätte sich riesig gefreut."

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SZ vom 08.02.2017
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