München:Europäisches Patentamt: Behörde am Abgrund

Europäisches Patentamt

Der Streit im Europäischen Patentamt schwelt schon lange.

(Foto: dpa)
  • Schon lange schwelt ein Streit zwischen den Mitarbeitern des Europäischen Patentamtes und dessen Präsident Benoît Battistelli.
  • Es geht um die Mitarbeitergewerkschaft - aber nicht mehr nur um sie.
  • Bislang konnte sich Battistelli immer der Rückendeckung des Gremiums sicher sein, das seine Arbeit überwacht.

Von Katja Riedel

Es sei eine "bahnbrechende Vereinbarung", ließ der Präsident des Europäischen Patentamtes (EPA), Benoît Battistelli, am Mittwoch vermelden. Erstmals in der Geschichte der internationalen Organisation sei nun eine Gewerkschaft als Sozialpartner anerkannt, der soziale Frieden mit der zuletzt überaus kämpferischen Belegschaft stünde also unmittelbar bevor.

Den kleinen Schönheitsfehler führte das Amt jedoch nicht weiter aus: dass jene Gewerkschaft namens FFPE, mit der Battistelli das Memorandum unterzeichnet hat, in der mehr als 7000 Mitarbeiter umfassenden EPA-Welt bisher weniger als 100 Mitglieder hat. Und in der etwa 4000 Köpfe zählenden Zentrale in München, in der seit drei Jahren ein Krieg zwischen Mitarbeitervertretern und Präsident herrscht, nicht ein einziges. Der soziale Dialog gleicht also mehr einem Monolog.

Eine kaum zu durchblickende Welt

Tatsächlich ist in der für Außenstehende kaum zu durchblickenden Patentwelt eine andere Gewerkschaft verwurzelt, sie heißt Suepo und vertritt etwa die Hälfte der Belegschaft. Viele Jahrzehnte lang war die Suepo sehr mächtig, sie hatte ein gewichtiges Wort. Bis Battistelli kam und im Auftrag der 38 Mitgliedsstaaten, die ihn gewählt hatten, das Amt auf Effizienz trimmen sollte.

Seitdem liefern sich beide einen erbitterten Machtkampf - mit ungleichen Mitteln, denn der Präsident hat weitgehende Befugnisse, die er sehr großzügig ausübt, was zuletzt von Eskalation zu Eskalation führte. Drei Jahre lang hat die Suepo nicht nur intern gegen Battistelli und dessen nach ihrer Ansicht zu große Machtfülle protestiert, gegen Reformen, die die Grundrechte von Mitarbeitern einschränkten und gegen Battistellis durchaus kernigen, sehr zentralistischen Führungsstil.

Der Präsident hat womöglich den Bogen überspannt

Für jeden sichtbar, zogen Mitarbeiter zu Tausenden durch München und zu Konsulaten, damit die Mitgliedsstaaten Battistellis Reformwerk mit diesem debattieren. Doch das einzige Gremium, das Battistelli Weisungen erteilen kann, zeigte sich lange im Einvernehmen mit dem Präsidenten und ermahnte ihn allenfalls sanft, ja verlängerte seine Amtszeit während des Streits und vor der Frist bis 2018. Doch womöglich hat Battistelli nun den Bogen überspannt. Er schlug seit vergangenem Herbst massiv zurück, suspendierte einen Patentrichter, der ihm wegen der Gewaltenteilung gar nicht untersteht, was für einen Aufruhr in den verschiedenen Gremien des Amtes wie der Patentszene sorgte.

Ermittlungen einer internen Untersuchungseinheit zufolge soll der Mann unter mehr als 20 Alias-Namen eine Diffamierungskampagne gegen den Präsidenten und weitere führende Manager geführt und so maßgeblich den Frieden im Amt gestört haben. Der Mann bestreitet die Vorwürfe. Anfang des Jahres entließ Battistelli dann die Suepo-Chefin Elizabeth Hardon wegen angeblicher Bedrohung und Komplizenschaft mit dem Richter. Mit ihr mussten zwei weitere Suepo-Vorstände gehen.

Eine Fülle von Gerüchten

Im Amt kursiert nun ein Schreiben des Verwaltungsratschefs Jesper Kongstad, eines Dänen, der einst selbst Präsident werden wollte. Seitdem ist er ein Battistelli-Mann - oder besser, er war es. Denn Kongstad skizzierte im Namen von 28 Mitgliedsstaaten, dass es im engeren Führungskreis bei zwei Treffen im Februar zum Eklat mit dem Präsidenten gekommen sei. Es sei vor allem um den sozialen Konflikt innerhalb des Amtes gegangen. Insbesondere die Fälle der entlassenen Gewerkschafter wollte das Gremium mit diesem besprechen.

Bedauerlicherweise sei es unmöglich gewesen, mit dem Präsidenten in einen ernsthaften Dialog zu kommen, schreibt Kongstad. Dieser soll bei dem Treffen angesichts der Forderungen ausgerastet sein, weil die Staaten ihm in seine Kompetenzen hätten hineinfunken wollen. Zu diesen gehört, sowohl die Disziplinarfälle als auch die Arbeit der umstrittenen Ermittlungseinheit extern überprüfen zu lassen. Battistelli habe das Treffen daraufhin verlassen.

Erwägt der Präsident einen Rücktritt?

In Zeitungen, etwa dem niederländischen De Telegraaf, hieß es, Battistelli erwäge einen Rücktritt, verhandle über eine Abfindung von 18 Millionen Euro. "Völliger Blödsinn", heißt es dazu aus seinem Umfeld, die Wogen hätten sich inzwischen wieder geglättet, Battistelli sei bei vier von sechs Forderungen kompromissbereit, nur eben nicht in punkto Disziplinarverfahren und externer Kontrolle - den Kernpunkten. Die Suepo blase den Konflikt allein auf, um ihr eigenes Überleben zu sichern. Die Gewerkschaft hatte verweigert, aufgrund der Entlassungen weiter mit Battistelli zu verhandeln. Zudem wollte sie keinen Vertrag unterzeichnen, der sie faktisch noch Einfluss gekostet hätte.

Wie es mit dem Amt, mit Battistelli und mit dem sozialen Frieden weitergeht, könnte sich Mitte März entscheiden. Dann nämlich werden die Forderungen aus dem Verwaltungsrat bei dessen nächster Sitzung in großer Runde und als formaler Tagesordnungspunkt diskutiert. Eine einfache Mehrheit der 38 Stimmen könnte den Präsidenten dazu zwingen, die Forderungen umzusetzen. Sollte er dies dann nicht tun, könnte das Gremium bei der darauf folgenden Sitzung im Juni seine Abwahl fordern - dann wären drei Viertel der Stimmen nötig.

Tatsächlich kursiert bereits der Name eines möglichen Nachfolgers an der Amtsspitze, der des deutschen Verwaltungsratsmitglieds Christoph Ernst aus dem Bundesjustizministerium. Battistelli selbst, so ist zu hören, soll das für ausgeschlossen halten. Er sei allerbester Laune, heißt es.

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