Beginn der Gartenzeit:Der Ansturm auf die Gärtnereien hat begonnen

Beginn der Gartenzeit: Die Farben des Frühlings verkaufen sich gut, das fachkundige Personal hat genügend zu tun wie hier bei Pflanzen Kölle.

Die Farben des Frühlings verkaufen sich gut, das fachkundige Personal hat genügend zu tun wie hier bei Pflanzen Kölle.

(Foto: Catherina Hess)

Ob mit Azalee oder Zierkirsche: Jetzt ist wieder die Zeit, Balkon und Garten aufzuhübschen, auch wenn es immer mal wieder etwas kälter ist. Den Trend zum Garteln bemerken auch die Unternehmen.

Von Andreas Schubert

Drei Tage vor Ostern am Viktualienmarkt: In Münchens kleinster Gaststätte schenken sie "Gourmet-Glühwein" aus, im großen Biergarten daneben halten sich nur die Hartgesottenen an Helles und Weißbier. Es ist Ende März - und bei dem eisigen Wind kommt es einem vor, als ob Winter und Frühling getauscht hätten.

Aber ein paar Meter weiter, bei Samen Schmitz, lässt die widrige Witterung die Kunden einigermaßen kalt. Mit zittrigen Händen begutachten sie Blumentöpfe mit Pfingstrosen oder Hornveilchen, mit Rosen, Beerensträuchern und anderen Gewächsen, die nur darauf warten, endlich irgendwo eingepflanzt zu werden. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Glühwein- und Pflanzsaison überschneiden. Aber Frost hin oder her: Die Sehnsucht nach dem Frühling hat den Run auf alles bunt Blühende ausgelöst.

Wer hat die schönsten Blumen im Einkaufswagen?

Kurz nach 17 Uhr, also kurz nach Büromenschenfeierabend, ist der Parkplatz bei Pflanzen Kölle fast voll. Im Inneren des riesigen Gartenmarktes im noch viel riesigeren Gewerbegebiet Unterhaching beäugen die Leute gegenseitig ihre Einkaufswagen. Die Szene erinnert an Mütter auf der Straße, die neugierig in den Kinderwagen anderer lugen, um sich zu vergewissern, dass sie das schönere Exemplar darin liegen haben. Nur werden im Gartencenter keine Maximilians und Sophias durch die Gegend geschoben, sondern Stielprimeln und Goldlacke.

Der Weg im markierten Rundgang führt vorbei an kleinen Mini-Blumentöpfen, die hier "Pflanzenkinder" heißen, auf einem Bild strahlt ein pausbackiger Junge, als sei man in einem grünen Disneyland in der Münchner Vorstadt gelandet. Hier wird die Liebe zum Garteln quasi schon frühkindlich eingepflanzt, denkt man sich. Nachdem er balkongerechte Gewächshäuser, Plastikhündchen und Vogelhäuschen passiert hat, gelangt der Kunde in den kühleren glasüberdachten Bereich, wo sich eine unüberschaubare Auswahl an Zier- und Nutzpflanzen findet.

Und wo man auf geduldige Mitarbeiter wie Astrid Blaschke von der Baumschule trifft. Sie erklärt einem dann zum Beispiel, dass jetzt eine gute Zeit für Stiefmütterchen ist, dass man Beerensträucher gut auf sonnigen Balkonen halten kann, man mit Geranien und Petunien noch bis nach den Eisheiligen warten sollte, ansonsten die Leute ganz verrückt nach kräftigen Farben sind und man ganz leicht feststellen kann, ob die Pflanze ausreichend Wasser bekommen hat. "Stecken Sie einfach den Finger in die Erde, wenn die leicht feucht ist, passt's."

Klar ist, wer den 20-Kilo-Sack Erde die Treppen hoch schleppen darf

Aus Lautsprechern kommt währenddessen Vogelgezwitscher, da vergisst man schon mal, dass das ganze biologische und bunte Pflanzengewirr auch Arbeit bedeutet. Aber das ist beim Einkauf Nebensache, wie man nach wenigen Minuten an dem vollen Einkaufswagen feststellt, den die eigene Begleiterin vor sich herschiebt. "Blüht halt so schön", sagt sie, wobei klar ist, wer daheim den 20-Kilo-Sack Blumenerde die Treppen hoch schleppen darf.

"Ein Wahnsinn", sagen jene, die mit Erde an den Fingern wenig anzufangen wissen. "Wunderbar", halten diejenigen dagegen, die im Schwarzen unter den Nägeln Dünger für ihren grünen Daumen sehen. Aber Experten wie Andreas Zitzmann wundert deren Begeisterung nicht. "Jetzt ist alles gefragt, was den Winter vertreibt", sagt Zitzmann. Der selbständige Gartenbauingenieur und gelernte Gärtner aus München berät Gartencenter und Gärtnereien und bringt deren Personal das nötige Fachwissen nahe. Und er weiß, was gerade in heimischen Gärten und auf Balkonen angesagt ist.

Gerade bei Stadtbewohnern stellt er ein wiederkehrendes Bewusstsein für die Natur und die Freude daran fest. Die Menschen ziehen sich Mangold und Salat auf dem Balkon, manche stellen sich ihre acht Quadratmeter Freifläche im dritten Stockwerk sogar mit Spalierobstbäumen zu. "Es gedeiht grundsätzlich jede Pflanze im Topf", sagt Zitzmann. Der müsse eben nur groß genug sein. Zunehmend gefragt sei auch alles mit dem Label "Bio" - vom Bio-Tomatensetzling bis hin zum Bio-Torfersatz. Natürlich hätten die Menschen auf dem Land mehr Platz und deshalb ganz andere Möglichkeiten zum Garteln. So wisse man auf dem Land den Nutzen von Pflanzen mehr zu schätzen. "In der Stadt muss eine Pflanze vor allem dekorativ sein", sagt Zitzmann.

Ein Trend, den auch die Unternehmen bemerken

Das weiß auch der Fürstenfeldbrucker Landschaftsarchitekt Martin Lohde. Er veranstaltet seit 15 Jahren zu Pfingsten die Fürstenfelder Gartentage. Und was überschaubar begonnen hat, hat mittlerweile Ausmaße eines Rockfestivals. Zwischen 40 000 und 50 000 Besucher kommen zu der viertägigen Gartenschau am Kloster Fürstenfeld jedes Jahr. Das liegt auch am Rahmenprogramm mit Musik und Feuerwerk, Workshops und Vorträgen, etwa zum Thema urbane Gärten, Feng-Shui im Garten, Wildkräuter in der Stadt und und und.

Vor allem aber lockt die Menge der Aussteller. Mehr als 40 Gärtnereien zeigen, was Hobbygartler so alles anstellen können, um ihr Heim zu verschönern. Und Lohde sieht bei aller Liebe zur Pflanze zwei gegenläufige Strömungen. Einerseits wollen die Leute vor allem viele bunte Blüten, aber möglichst wenig Arbeit damit. Andererseits sieht auch er eine Renaissance des Gemüsegartens auf kleinstem Raum. Kartoffeln auf dem Balkon? Alles kein Problem. "Auch die Kinder in der Stadt können so sehen, woher das Gemüse kommt", sagt Lohde.

Ein weiterer Trend seien sogenannte Bienenweiden - Flächen mit möglichst vielen Blüten als Nahrung für die Honiglieferanten. Lohde glaubt, dass bei der ständig zunehmenden Vielfalt der Zierpflanzen - weltweit gibt es zum Beispiel mehr als 30 000 Rosensorten - gleichzeitig das Wissen um die Pflanzen eher abnehme. Dennoch kann sich auch der blutigste Laie schnell und günstig einen pflegeleichten Hort zusammenstellen, etwa mit einem frostsicheren Japanischen Schachtelhalm (Lohde: "der schaut einfach cool aus"), heimischen Kletterpflanzen wie einer Clematis oder der lange blühenden Hortensie.

Immer mehr Geld für Gartenmöbel

Der "Homing"-Trend, also das Sich-Zurückziehen ins eigene Grün, ist auch durch eine Studie der Unternehmensberatung Wieselhuber und Partner aus dem Jahr 2014 belegt. Pflanzen, heißt es da, würden zwar nicht unbedingt mehr verkauft als in den Jahren zuvor. Aber für Gartenmöbel und anderes Drumherum geben die Deutschen immer mehr Geld aus. Gartencenter wie Kölle oder Dehner seien dabei nach wie vor die ersten Anlaufstellen. Dennoch haben im Gartensegment auch die Baumärkte deutlich zugelegt, wie beim Handelsverband Heimwerken, Bauen und Garten (BHB) zu erfahren ist.

Mit "Lebend Grün" setzten die Baumärkte vergangenes Jahr 931 Millionen Euro um. Insgesamt liegt der Umsatz bei Gartenartikeln bei gut vier Milliarden Euro, das sind 22,4 Prozent des Gesamtumsatzes. Der Bundesverband Einzelhandelsgärtner vermeldet 8,63 Milliarden. Deutschland blüht, sozusagen. Da wundert es auch nicht, wenn BHB-Chef Peter Wüst, der werbewirksam lieber von "Home Improvement Stores" spricht als von Baumärkten, feststellt, dass die Menschen "verstärkt draußen" leben, was eine "Mediterranisierung unserer Welt" bedeute. Ob das wirklich für die ganze Welt zutrifft, sei dahingestellt. Mit München, dem nördlichen Ausläufer der Gardasee-Region, liegt er gar nicht mal so verkehrt.

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