Beatrix Zurek im Gespräch:"Ein altes Wohnhaus ist wichtiger als eine alte Kneipe"

Die Kultkneipe "Schwabinger 7" soll abgerissen werden - und München trauert. Nur Beatrix Zurek, SPD-Stadträtin und Vorsitzende des Mietervereins, scheint das kaltzulassen. Über den Bau von Luxuswohnungen und staatliche reglementierte Immobilienpreise.

Bernd Kastner

Die Absturzkneipe "Schwabinger 7" soll abgerissen werden, und München trauert. Nur Beatrix Zurek, SPD-Stadträtin und Vorsitzende des Mietervereins, scheint das kalt zu lassen: Wohnungen, auch sehr teure, sind ihr lieber als eine Kneipe, und sei sie noch so kultig. Dafür fordert Zurek, die diese Woche für weitere vier Jahre an die Spitze des 65.000 Mitglieder zählenden Mietervereins gewählt wurde, staatlich reglementierte Immobilienpreise.

"Schwabinger 7" in München, 2011

Die Kultkneipe "Schwabinger 7" in der Feilitschstraße soll abgerissen werden - zum Entsetzen vieler Münchner.

Frau Genossin Zurek, so muss man Sie ja jetzt anreden angesichts Ihrer sozialistischen Vorschläge. Sie wollen Immobilienpreise staatlich deckeln und Obergrenzen für Mieten einführen. Wollen Sie in München ein Stück DDR auferstehen lassen?

Nein, mein Vorschlag hat keine kommunistischen Züge. In der bayerischen Verfassung und auch im Grundgesetz ist schließlich die Sozialpflichtigkeit des Eigentums verankert.

Daraus machen Sie aber eine Art Enteignung von Grundbesitzern. Ihr Vorschlag widerspricht doch der Marktwirtschaft, in der die Nachfrage den Preis regelt.

Ich will niemanden enteignen. Aber die enorm hohen Bodenpreise in München machen den Bau von Wohnungen so teuer. Und wir müssen uns doch fragen, wie wir dem entgegenwirken. München gehört zu den Gebieten mit gefährdeter Wohnraumversorgung, hier gelten schon lange gesetzliche Ausnahmeregelungen, etwa in Form längerer Kündigungssperrfristen. Und es muss doch Instrumente geben, um auch die Preisentwicklung für Grund und Mieten zu bremsen.

Wie stellen Sie sich das konkret vor?

Ein abgeschlossenes Konzept habe ich noch nicht. Man müsste sich überlegen, ob wirklich jede Einkommensschicht in den Genuss gedeckelter Preise kommen sollte. Wer viel Geld hat, kann ja auch den üblichen Münchner Preis zahlen, Normalverdiener aber nicht.

Sie kritisieren die Preistreiberei auf dem Immobilienmarkt. Dabei mischt die SPD-geführte Stadt selbst kräftig mit. Die Stadtwerke verkaufen ein Filetstück nach dem anderen, man denke nur an das alte Heizkraftwerk an der Müllerstraße.

Ich bin überhaupt nicht glücklich darüber, dass die Stadtwerke immer den höchsten Preis erzielen. Aber dafür muss das Problem des Verkaufs unter dem Marktwert gelöst werden, und da kommen wir wieder zur Begrenzung der Grundstückspreise.

Ausgerechnet der Chef der Stadtwerke, Kurt Mühlhäuser, ist Ehrenvorsitzender des Mietervereins...

(grinst) ... ja, das stimmt.

Sie geben sich einerseits als Kämpferin gegen das Kapital, andererseits unterstützen Sie Investoren: Den Bau von Luxuswohnungen anstelle der Schwabinger 7 halten Sie für sinnvoll. Wie passt das zusammen?

Ich glaube nicht, dass Altschwabing durch genau diesen Neubau gentrifiziert wird. Das Viertel kippt nicht, wenn dort eine Kneipe, eine Dönerbude und ein Kino verschwinden. Und generell finde ich es gut, wenn neue Wohnungen entstehen.

Die Schwabinger 7 ist aber zum Symbol geworden für den Wandel eines Viertels, den immer mehr Münchner so nicht wollen.

Ein Symbol, mehr aber nicht. Der Eigentümer hat nun mal Baurecht dort, man kann es ihm nicht nehmen. Insofern ist die Diskussion darüber, den Bau zu unterbinden, etwas scheinheilig.

"Bei mir spielt eine persönliche Wertung mit"

Sie befürchten nicht, dass die dort geplanten teuren Wohnungen mittelfristig auf das ganze Viertel ausstrahlen und es verändern?

Nein, das Projekt allein ändert den Charakter Altschwabings nicht. Ich habe vielmehr Angst, dass sich die Kritiker ganz auf dieses Projekt stürzen und dabei anderes vergessen, was gefährlicher ist: Dass der Bestand alter, preiswerter Wohnungen verschwindet. Das muss verhindert werden. Wir vom Mieterverein kämpfen seit langem für ein Verbot von Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Dabei würde ich mir auch mal so eine Unterstützung erwarten wie jetzt für eine Kneipe. Ich finde schade, dass sich die Empörung erst jetzt regt.

Sie klingen fast beleidigt.

Das ist einfach eine Feststellung.

Mit Ihrer Argumentation müssten Sie in Untergiesing auch den Abriss alter Kutscherhäuschen gutheißen, weil die durch größere Neubauten ersetzt werden sollen. Es entstehen also deutlich mehr Wohnungen.

Das ist eine ganz schwierige Situation. Die Häuser halte ich für ein Charakteristikum des Viertels, diese Besonderheit gilt es zu erhalten, ähnlich wie die Herbergshäuser in Haidhausen.

Die Schwabinger 7 ist für viele auch charakteristisch.

Ich gebe zu, dass bei mir persönliche Wertung mitspielt. Mir ist nun mal ein altes Wohnhaus wichtiger als eine alte Kneipe.

Es fällt auf, dass der Protest, der sich gerade in Untergiesing, Dreimühlenviertel oder Altschwabing gegen die Veredelung regt, ausgeht von lokalen Bürgerinitiativen, grünen Lokalpolitikern oder Künstlern.

Ich begrüße das außerordentlich. Die Initiativen vor Ort sind sehr von jungen Leuten geprägt ...

... und von den traditionellen Akteuren auf diesem Gebiet, von der SPD und dem Mieterverein, hört man eher wenig.

Das stimmt so nicht. Der Mieterverein hat durchaus Kontakte, denken Sie nur an die erfolgreichen Mietergemeinschaften in der Türken- und Damenstiftstraße. Denen haben wir geholfen, im Hintergrund. Ich wünsche mir, dass die einzelnen Initiativen über den Tellerrand ihres Viertels hinausschauen und unsere politischen Forderungen unterstützen.

Haben Sie nicht Sorge, dass andere Akteure, allen voran die Grünen, der SPD ein altes Stammthema wegnehmen?

Nein, das wird nicht passieren. Die Grünen setzen auf Symbolik, sind immer nur dagegen. Mir fehlt bei den Grünen, dass sie das Thema zu Ende denken. Man kann nicht einfach nur für den Klimaschutz sein und dabei nicht an die Mieter denken. Was nutzt die beste Wärmedämmung, wenn sie der Mieter nicht mehr bezahlen kann. Wir müssen einen sozial gerechten Klimaschutz schaffen. Und deshalb kämpfen wir dafür, dass diese Sanierungskosten nicht mehr auf die Miete umgelegt werden können. Das würde sonst alle Grenzen sprengen, vor allem in München.

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