Beate und Jutta Ilzhöfer:Chic im Hinterhof

Lange haben Beate und Jutta Ilzhöfer das Scheinwerferlicht gescheut. Dabei sind die Kollektionen ihres Labels Ana Alcazar längst kein Geheimtipp mehr.

Agnes Fazekas

Ein enger Hinterhof in der Augustenstraße - hier sieht München nicht wie München aus: Graffitis, triste Fassaden und ein schlichtes Schild auf der Lagertür. Dahinter verbirgt sich das Münchner Kultlabel Ana Alcazar und hinter der angesagten Modemarke wiederum verstecken sich seit Jahren zwei langgliedrige Gestalten: die Schwestern Jutta und Beate Ilzhöfer - kurz Ju und Be.

Ana Alcazar

Hinter dem Modelabel Ana Alcazar verstecken sich die Schwestern Ju und Be Ilzhöfer.

(Foto: Foto: privat/oh)

Medienscheu sind sie und müde, trotz des späten Vormittags: "Es ist noch etwas früh", entschuldigt Be und drapiert ihre 1,87 Meter elegant auf einem einfachen Bürostuhl. Sie trägt ein cremeweißes Winterkleid aus der eigenen Kollektion. Es steht ihr.

Eigentlich wollen sich die Schwestern nicht in den Vordergrund stellen, doch Pressemann Alex meint, es sei endlich an der Zeit. Schließlich sind die Damen Ilzhöfer seit über 20 Jahren im Geschäft. Ihren Einstieg in den Modezirkus fanden die beiden als Laufstegmodels. "Was soll man da erzählen, wir haben Kleiderständer gespielt", sagt Ju, die nach Mailand ging und zum Schrecken der Eltern auch die jüngere Be für das Model-Leben begeisterte: "Man kommt schon in komische Situationen und auf komische Partys. Dann steht man um drei in der Nacht vor Mailand auf der Autobahn und streckt den Daumen raus, damit man nur schnell wieder wegkommt."

Anarchistische Außerirdische im Königpalast

Während Ju weiter als Model arbeitete, versuchte Be - die es wegen ihrer Größe weniger leicht hatte, an Jobs zu kommen - sich als Grafikerin. Ständig ärgerte sie sich beim Einkaufen, dass ihr wenig Klamotten gefielen und passten. Die beiden begannen zu nähen. Ju erinnert sich, wie die Zahnärztin sie auf ihre selbstgemachte Jacke ansprach: "Was willst du dafür?" Sie habe eine astronomische Summe genannt, lacht die Modemacherin, aber die Zahnärztin willigte sofort ein.

Die Geschwister wagen sich in die Münchner Modeszene, die damals ihrer Meinung nach noch offener und spannender gewesen sei. Die Stadt hatte den gebürtigen Schwäbinnen schon gefallen, als sie noch kleine Mädchen waren und München auf dem Weg in den Italien-Urlaub durchs Autofenster bewundert haben.

Gerne denken die Designerinnen auch an einen Einkäufer des Münchner-Modehauses Ludwig Beck zurück. "Wir kamen da hin mit Kleidern im Lumpenlook: edler Jersey aus den Fünfzigern, besetzt mit grobem Sackleinen, den wir nachts von den Baugerüsten holten", schmunzelt Ju, "und wir konnten nicht gut nähen." Der Einkäufer sei trotzdem begeistert gewesen und ließ sich auch nicht abschrecken, als er erfuhr, dass die Ilzhöfer-Schwestern nicht einmal ein eigenes Konto besitzen. "Wir nehmen nur Cash", forderten die zwei. Daraufhin sei er gleich zur Bank gelaufen.

Chic im Hinterhof

"Wir erkennen den Zeitgeschmack und setzen ihn auf unsere eigene Weise um - aber nicht so chichi", findet Ju. Allerdings "chichi" genug für MTV- und VIVA-Moderatorinnen wie Collien Fernandez. Die trüge eines ihrer Kleider nämlich ständig, behauptet Be. Anfangs nannten sie sich CCCP: Capitalistic Culture Control Program. Leider sei der Witz international nicht verstanden worden, erinnert sich Be. Niemand konnte sich vorstellen, dass Russland einmal modern werde.

Als sie das Label mit dem damals provokanten Namen beim Patentamt anmelden wollten, mussten sie sich durch 40 Seiten Widerrufs-Recht schlagen. Viele Namen hatte das Label schon, bis den Modeschöpferinnen klar wurde, dass sie sich endlich einmal festlegen müssten, wegen des Wiedererkennungseffekts. Mitte der Neunziger wollten sie aber doch wieder etwas Neues und warfen Ana Alcazar auf den Markt. Ana steht für "anarchistic neurotic alien" und Alcazar bedeutet "Königspalast" auf spanisch.

"Viel ensteht beim Wühlen in alten Sachen"

Anarchistisch sind die Geschwister allerdings schon lange nicht mehr, auch wenn sie den Lagerhallen-Charme ihres Ateliers lieben und "vorsintflutlich" auf dem Papier arbeiten. Im Gegensatz zu vielen anderen Designern, die in kalten Glashäusern sitzen, fühlen sich die Modeschöpferinnen in ihrem kreativen Chaos wohl: Schnittmuster, Stoffproben, Knöpfe, Bügeleisen und Collagen - und irgendwo darunter die altmodisch wirkenden Singer-Nähmaschinen.

"Viel ensteht beim Wühlen in alten Sachen", beschreibt Ju ihre Taktik, dem Angesammelten zu begegnen. "Wir machen alles selbst, uns dauert das sonst viel zu lange", meint auch ihre Schwester, zückt eine Nagelfeile und fährt sich ein paar Mal damit über die Nägel, als ob sie schon nicht mehr still sitzen könne und am liebsten gleich wieder damit anfinge - mit dem Wühlen, dem Entwerfen und manchmal auch Verwerfen.

Denn das Schlimmste ist für die Ilzhöfer-Schwestern die Langeweile: Praktisch solle die Kollektion zwar sein, aber viele edle Stoffe könne man ja inzwischen in die Waschmaschine schmeißen, freut sich Ju. Niemals würde sie nur Jeans und T-Shirt tragen und am liebsten möchte sie auch gar niemanden mehr sehen müssen, der sich fad und unisex kleidet. Grundvoraussetzung für die Ana-Alcazar-Kollektion sei aber trotzdem, dass sich das Material gut anfühle und die Trägerin darin keine Schweißflecken bekomme. Und trotz der teuren Stoffe befände sich Ana Alcazar preislich noch nicht im "Designer"-Segment, sagt Be. Solch überteuerte Klamotten wollte sie schließlich selbst nicht kaufen.

Gerade mögen die beiden Seidenstoffe: borkig oder glatt und gerne bunt, nach dem vielen Grau der letzten Saison. Viele Kleider und wenig Hosen sieht man an den langen Gaderobenstangen hängen. Die Muster erinnern oft an die Sechziger und Siebziger, die Schnitte sind manchmal klar und streng, meist aber sehr verspielt. Als Ju rüschige Blumenkleider zeigt, findet ihre Schwester sie eigentlich zu romantisch. Gut kann man sich jetzt vorstellen, wie sich mancher Entwurf der Modemacherinnen in Diskussionen um unterschiedliche Ideen allmählich zu einem Kleid entwickelt, das beiden gefällt - und die Widersprüche vereint.

Aber bei aller Angst vor Eintönigkeit, wird den zwei Ungeduldigen das Mode-Machen denn nie langweilig? Das kann sich Be nicht vorstellen: "Solange eine Rolle schwarzer Stoff vor mir liegt und mir was einfällt, mache ich weiter."

"Früher musste ich die Schrillste sein"

Aber Ju schränkt ein: "Wir sind fauler geworden." Sie seien nicht mehr so oft auf Events und auch im Münchner Nachtleben wenig aktiv. "Wenn, dann gehen wir lieber in Berlin weg." Sie hätten auch mal mehr gespielt, sich eher zwischen Kunst und Mode bewegt. Und früher musste sie die Schrillste sein, erklärt Be fast stolz. Inzwischen seien sie aber klassischer geworden, auch ihre Mode. Überhaupt sei es heute in München schwierig, innovative Materialien oder Ungewöhnliches zu verkaufen. Die Jungen wollen alle nicht mehr auffallen, sagt Ju beinahe enttäuscht.

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