Beamten-Austausch:Was tansanische Polizisten in München lernen

Beamten-Austausch: "Warum tut der Staat nichts?", fragten Hassan H. Mndeme (li.) und Justine Mbwana ihren Gastgeber Herbert Gröschel bei der Pegida-Demo.

"Warum tut der Staat nichts?", fragten Hassan H. Mndeme (li.) und Justine Mbwana ihren Gastgeber Herbert Gröschel bei der Pegida-Demo.

(Foto: Susi Wimmer)
  • Police-Inspector Nyangogo Justine Mbwana und Police-Constable Hassan H. Mndeme aus Tansania waren drei Wochen lang bei der Münchner Polizei zu Gast.
  • Sie haben den Kollegen von der bayerischen Bereitschaftspolizei über die Schulter geschaut und dabei einiges Neues gelernt.
  • Die Polizeien vernetzen sich weltweit zunehmend - auch die Bereitschaftspolizei hat viele Kontakte ins Ausland.

Von Susi Wimmer

Es gab so einiges, über das die beiden Männer gestaunt haben: Das Hofbräuhaus und diese riesigen Bierkrüge, den nächtlichen Aufmarsch der islamfeindlichen Pegida-Anhänger, das fränkische Schäufele, den Fahrsimulator, in dem man Blaulichtfahrten üben konnte, dass Menschen in der Öffentlichkeit Händchen halten. Und natürlich diese klirrende Kälte. Police-Inspector Nyangogo Justine Mbwana und Police-Constable Hassan H. Mndeme kamen als Fremde, und sie gingen als Freunde - der bayerischen Bereitschaftspolizei.

Drei Wochen lang konnten die beiden Polizisten aus Tansania den Kollegen über die Schulter schauen und "die deutsche Effizienz kennenlernen", wie sie selber sagten. Der grenzüberschreitende Austausch ist einer von vielen, bayerische Polizeieinheiten sind mittlerweile weltweit vernetzt. "Die gegenseitigen Einblicke werden immer tiefer, und wir lernen, über den Tellerrand hinauszuschauen", sagt Herbert Gröschel, Sprecher der Bereitschaftspolizei.

Gute Kontakte für den kleinen Dienstweg

Internationale Zusammenarbeit gewinnt in einer Welt, in der die Täter über den ganzen Globus vernetzt sind, enorm an Bedeutung. Es geht darum, sich auszutauschen, die Standards anzugleichen und natürlich auch Kontakte zu knüpfen, die man im Polizeialltag später auf dem kleinen Dienstweg nutzen kann. "Der Polizeichef aus Moskau war da, Delegationen aus Montenegro, Südkorea . . .", zählt Ludwig Waldinger vom Landeskriminalamt auf.

Das LKA hat sogar ein eigenes Sachgebiet, das sich der internationalen Zusammenarbeit widmet. Zwei Forensikerinnen von den Philippinen etwa interessierten sich für die Kriminaltechnik am LKA, die ungarische Polizeiakademie für die Netzwerkfahndung und Stipendiaten aus Süd- und Mittelamerika für die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität. Im Gegenzug sind die Entschärfer des LKA - top secret - bei Lehrgängen im Ausland, und die Staatsschützer ließen sich beispielsweise schon in den USA beim FBI schulen.

Auch das LKA lernt - vom FBI

Die Verbindung nach Tansania entstand durch die Hanns-Seidel-Stiftung, die seit Ende der Achtzigerjahre Projekte in Afrika unterhält. Und jetzt sitzen Mbwana und Mndeme zum ersten Mal in ihrem Leben in Europa, in einem Café, und trinken Tee. "Reisen ist nicht so einfach", sagt Inspector Mbwana, man benötige Visa und eine Person, die man angibt, besuchen zu wollen. Justine Mbwanas Englisch klingt guttural, malmend, und für die Beantwortung einer Frage nimmt er sich ausführlich Zeit.

Sie sind hier, um zu schauen, wie die deutsche Polizei Bürgernähe praktiziert, wie man Vertrauen zur Bevölkerung aufbaut. Deshalb haben sie beispielsweise bei einem Training für Verkehrskontrollen zugeschaut. Constable Hassan H. Mndeme ist im Polizeihauptquartier in Daressalam für Ausbildung und Pressearbeit zuständig. Man pflege zu den Journalisten einen intensiven Kontakt, sagt er. Auch die Ausbildung - in Tansania ein Jahr, in Deutschland zweieinhalb - finden die Gäste aus Ostafrika beachtlich.

Die Polizei ist international vernetzt

Beamten-Austausch: Austauschbeamte: Police-Inspector Nyangogo Justine Mbwana (r.) und Police-Constable Hassan H. Mndeme besuchen einen Grenzübergang bei Passau.

Austauschbeamte: Police-Inspector Nyangogo Justine Mbwana (r.) und Police-Constable Hassan H. Mndeme besuchen einen Grenzübergang bei Passau.

Die Münchner Polizei ist bereits seit Jahren zur Wiesnzeit international vernetzt. Die bayerischen Taschendiebfahnder wurden in diesem Jahr von Kollegen aus der Schweiz und Norwegen unterstützt, regelmäßig sind auch die Italiener am mittleren Oktoberfest-Wochenende da. "Und natürlich kommen zur Wiesn-Zeit auch immer Anfragen von Kollegen aus dem Ausland, die hier hospitieren wollen", erzählt Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins.

Mbwana, Mndeme und Gröschel stehen am Rande der montäglichen Pegida-Demo. Mbwana ist Christ, Mndeme Moslem. Gröschel erzählt von der islam- und ausländerfeindlichen Bewegung. Die beiden Männer schütteln den Kopf. "Warum tut der Staat nichts gegen diese Leute?", fragen sie. Nach den hetzerischen Reden marschieren die Pegida-Anhänger wieder durch München. Gröschel und seine Gäste verabschieden sich. "Zur Sicherheit. Wir wollen niemanden provozieren", sagt Gröschel.

Flüchtlinge sind ein gewohntes Bild

Es gibt aber auch Bereiche, die die Besucher aus Tansania ausklammern. Korruption? Umgang mit Homosexuellen? Auf diese Fragen gibt es keine Antworten. Gröschel war mit ihnen an der Passauer Grenze, wo viele Flüchtlinge ankommen. Für die Polizisten allerdings war das ein vertrautes Bild: "Wir haben aktuell viele Flüchtlinge aus Burundi und Kongo", erzählt Justine Mbwana. Was die Polizisten aus Tansania noch heftig beschäftigt, sind Kämpfe von nomadischen Viehhirten und Bauern. "Es gibt keine richtigen Eigentumsrechte, das kommt zu starken Spannungen, Demonstrationen, Kämpfen."

Was ihnen von Deutschland in Erinnerung bleibt? "Die Leute umarmen sich, gehen Hand in Hand auf der Straße, das gibt es bei uns gar nicht", sagt Hassan H. Mndeme. "I love this situation", meint er und grinst. Die technische Ausstattung der Polizei hat sie beeindruckt "und in der Bekämpfung der Internetkriminalität sind wir noch nicht so gut", sagt Inspector Mbwana. Und dass die bayerischen Polizisten sehr professionell und tolerant seien, selbst wenn sie angegriffen werden.

Mit Herzlichkeit zu guten Kontakten

Und Herbert Gröschel kann von der bayerisch-tansanischen Verbindung nur Schwärmen, "diese Herzlichkeit und Offenheit". Im Fortbildungsinstitut in Ainring konnten die Gäste bei einem Interview-Training mitmachen. Gröschel wollte die beiden vorstellen. Aber die schossen sofort nach vorne, begrüßten die anderen zwölf Teilnehmer, indem sie mit beiden Händen die Hand jedes Einzelnen umschlossen. "Und sofort war das Eis gebrochen."

Jetzt sind Nyangogo Justine Mbwana und Hassan H. Mndeme wieder in Daressalam. Bei 31 Grad. Aber sie haben Bayern nicht vergessen. Sie melden sich regelmäßig bei Herbert Gröschel. Die Nachricht beginnt immer mit: "My brother..."

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