Süddeutsche Zeitung

Wohnen in München:Was die Stadt in Freimann anders macht als in anderen Neubaugebieten

Lesezeit: 4 min

15 000 Menschen sollen im neuen Stadtviertel auf dem Areal der Bayernkaserne einmal wohnen. Sie sollen davon profitieren, dass die Stadt aus den Erfahrungen gelernt hat.

Von Sebastian Krass, München

Kurz vor Jahresende hat der Stadtrat noch den Bebauungsplan verabschiedet, nun geht es los mit der lang erwarteten Bebauung des Areals der früheren Bayernkaserne in Freimann. Ein Quartier mit 5500 Wohnungen für 15 000 Menschen soll dort entstehen, einen Namen dafür gibt es noch nicht, den will die Stadt im nächsten Jahr suchen. Dann starten auch die ersten Vorarbeiten, die Fertigstellung ist für 2030 angepeilt. Die Stadt hat sich vorgenommen, dass dort einiges anders werden soll als in anderen Neubaugebieten. Ein Überblick über die Pläne.

Stadtplanung

Es soll, das war schon lange einhelliger Wille der Politik, ein dichtes urbanes Quartier werden. Als Vorbild werden immer wieder Gründerzeitquartiere wie Schwabing und die Maxvorstadt genannt. Kenngröße für die Dichte eines Quartiers ist die Geschossflächenzahl (GFZ). Verkürzt gesagt, gibt sie an, wie hoch das Verhältnis der gebauten Geschossfläche zur Grundstücksfläche insgesamt ist. In den Altbaugebieten von Schwabing-West liege der Wert bei 2,5 bis 3,0, sagt Susanne Ritter, die Leiterin der Hauptabteilung Stadtplanung im Planungsreferat. Für die Bayernkaserne gilt ein Wert von 3,0.

Zum Vergleich: In Freiham, dem neuen Stadtteil im Westen, der gerade entsteht und wo einmal 25 000 Menschen leben sollen, sind die Werte niedriger. Dort zeigt sich aber auch die Entwicklung der politischen Debatte. Freiham besteht aus zwei Abschnitten. Die Eckdaten des ersten wurden vor etwa fünf Jahren festgezurrt, nun wird dort gebaut, mit einer GFZ von 1,4 bis 1,8. Für den zweiten Abschnitt ist der Bebauungsplan noch in Arbeit, dort wird es auf eine GFZ von 2,5 bis 2,8 hinauslaufen.

Die Bayernkaserne ist auch das erste Gebiet in München, das als "urbanes Gebiet" entsteht; diese Kategorie wurde 2017 im Baugesetzbuch eingeführt. Danach kann die GFZ deutlich höher liegen als in einem reinen Wohngebiet, auch können Wohnen und Gewerbe besser in einem Gebäude gemischt werden, quasi unten Laden, oben Wohnen, wie es auch in Altbauquartieren üblich ist. So soll die Bayernkaserne möglichst den ganzen Tag über im öffentlichen Raum belebt sein, auf dem zentralen Stadtplatz sogar 24 Stunden - was für München allerdings noch schwer vorstellbar ist.

Bebauung

Grundlage für den Bebauungsplan war der Entwurf, mit dem die Architekturbüros Max Dudler und Hilmer/Sattler sowie die Freiflächenplaner von AGS Garten und Mahl Gebhardt Konzepte den städtebaulichen Wettbewerb gewonnen haben. Ihr Credo war: Blockbebauung statt Siedlung. Die Häuser also bis an die Straße vor, die Grünflächen liegen in Höfen. Das unterscheidet sich etwa von der Messestadt Riem, die vor allem am Anfang in der sogenannten Zeilenbebauung geplant wurde. Dort liegen die Grünflächen zwischen Haus und Straße, was weitläufiger wirkt, aber auch weniger belebt: Eltern zum Beispiel werden ihre Kinder lieber in einen privaten Innenhof schicken als auf eine Wiese, die direkt an die Straße anschließt.

Hinzu kommt die relativ konsequente Entwicklung in die Höhe. Dieser für das München der vergangenen Jahrzehnte neue Ansatz resultiert auch daraus, dass das Quartier durch Grüngürtel nach Norden (Heidemannstraße) und Süden (Euro-Industriepark) abgeschirmt ist. "Wo wir bauen, wollen wir die Fläche möglichst gut ausnutzen", sagt die Planerin Isabell Klunker vom Büro Max Dudler. Die Häuser werden mindestens 25 Meter hoch, verteilt auf sieben Geschosse, oben gibt es jeweils einen für die Hausgemeinschaft nutzbaren Dachgarten. An den drei geplanten Plätzen gibt es noch deutlich höhere Gebäude, zwischen etwa 40 und 65 Metern. Zu einem Wahrzeichen des Quartiers könnte ein 80 Meter hoher Wohnturm am nördlichen Eingang werden.

Besondere Aufmerksamkeit will die Stadt auch der architektonischen Qualität schenken. Dafür wird ein Gestaltungsbeirat eingerichtet, der einen Leitfaden erstellt und kontrollieren soll, dass dieser auch eingehalten wird. Der Bayernkaserne soll später nicht vorgeworfen werden, ein optisch eintöniges Quartier geworden zu sein, wie es über Teile von Riem, Arnulfpark oder Ackermannbogen heißt.

Wohnen

In der Bayernkaserne wird zum größten Teil Wohnraum entstehen, dessen Preise dem freien Spiel des Marktes entzogen sind. Knapp 50 der insgesamt 60 Hektar sind in städtischen Besitz. Dort werde zur Hälfte geförderter Wohnraum entstehen, wie Stadtplanerin Ritter sagt. Weitere 30 bis 40 Prozent sind für den sogenannten Konzeptionellen Mietwohnungsbau (KMB) vorgesehen, der nicht gefördert, aber reglementiert ist. Das soll den Anstieg der Mieten stadtweit dämpfen. Lediglich die übrigen zehn bis 20 Prozent werden frei finanziert. 50 Prozent geförderter Wohnraum ist auf städtischen Flächen schon lang Standard, in Freiham ist auch der KMB-Anteil ähnlich. Aber im Prinz-Eugen-Park, wo 1800 Wohnungen entstehen, spielt der KMB noch keine besondere Rolle, einfach, weil es das Instrument noch nicht gab, als dort geplant wurde.

Einen großen Teil der Wohnungen in der Bayernkaserne werden die städtischen Gesellschaften GWG und Gewofag bauen. 20 bis 40 Prozent sollen an Genossenschaften und Baugemeinschaften gehen. Für die zehn Hektar im Ostteil der Bayernkaserne, die in privatem Besitz sind, greifen die Regeln der Sozialgerechten Bodennutzung (Sobon), dort entstehen also zu 40 Prozent geförderte oder preisgedämpfte Wohnungen. Die ersten Häuser werden voraussichtlich von 2021 an errichtet, von 2023 an werden die ersten Bewohner einziehen.

Gewerbe

In der Bayernkaserne wird es - anders als in Riem oder Neuperlach - kein zentrales Einkaufszentrum geben. Inzwischen gilt es als erstrebenswert, den Einzelhandel dezentral anzusiedeln. In den bisherigen Neubaugebieten war ein Problem, dass die Bevölkerungsdichte zu gering war, um kleine Geschäfte profitabel zu machen; in der Bayernkaserne wird sie höher. Dennoch, so vermutet die Stadtplanerin und emeritierte TU-Professorin Sophie Wolfrum, könnte es "schwierig werden für einen Blumen- oder Zeitschriftenladen, sich ohne Unterstützung zu halten". Denn die Bayernkaserne sei in sich zwar dicht, liege aber - anders als die Maxvorstadt - nicht eingebunden in die Stadt. "Es wird kaum jemand mit der Tram zur Bayernkaserne fahren, um dort Strümpfe zu kaufen." Wolfrum zieht eine Parallele zum neuen Wiener Stadtteil Seestadt Aspern. Dort würden "kleinere Ladeneinheiten, die nicht wirtschaftlich sein können, durch die Gesamtheit der Einzelhandelsflächen mit getragen, insofern deren Mieten gedrückt. So wie es auch in einer Mall der Fall ist". Das wirtschaftliche Prinzip eines Einkaufszentrums werde so "auf auf eine offene Ladenstraße übertragen".

Verkehr

Die Bayernkaserne soll im Inneren möglichst autofrei bleiben, ein übergreifendes Mobilitätskonzept soll den Stellplatzschlüssel niedrig halten - so wie auch im Domagkpark. Es gibt eine Ringstraße, die jeden Gebäudeblock erschließt, sie ist an fünf Stellen mit dem außen liegenden Straßennetz verbunden, und es gibt eine diagonale Querung von Süden nach Norden zur Heidemannstraße. Dort wird auch die Tram 23 fahren, die derzeit noch in Schwabing-Nord endet. Von Ost nach West durchquert ein "Grünboulevard" das Areal, wie die Architektin Isabell Klunker vom Büro Max Dudler es nennt. Hinzu kommen halb-öffentliche "grüne Gassen" zwischen den Häuserblöcken, dort können Passanten durchgehen, es soll aber auch private Vorgartenzonen geben.

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Quelle:
SZ vom 21.12.2018
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