Freimann:Der Radl-Werkstatt in der Bayernkaserne droht das Aus

Freimann: Kein Platz ist mehr für Manfred Heidemann und seine Fahrradwerkstatt für Flüchtlinge und Obdachlose am bisherigen Standort in der Bayernkaserne.

Kein Platz ist mehr für Manfred Heidemann und seine Fahrradwerkstatt für Flüchtlinge und Obdachlose am bisherigen Standort in der Bayernkaserne.

(Foto: Benjamin Stolz)

Seit gut zehn Jahren besteht die Fahrradwerkstatt für Flüchtlinge und Obdachlose in Freimann. Nun muss sie ihr Lager räumen - früher als geplant. Ein Ersatzangebot der Stadt München stößt bei den Ehrenamtlichen auf Bedenken.

Von Benjamin Stolz

Entlang der Mauer des Hauses Nummer acht auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne stapeln sich die Fahrradleichen. Manfred Heidemann erweckt sie gemeinsam mit einem Team aus Ehrenamtlichen sozusagen wieder zum Leben und vergibt sie zu günstigen Konditionen an Geflüchtete und Obdachlose. Seit gut zehn Jahren besteht die Radl-Werkstatt für Flüchtlinge und Obdachlose in der Bayernkaserne. Heute befindet sie sich im Keller eines der blassgelben Häuser, die von Geflüchteten bewohnt werden. Dass mit dem Abriss der Gebäude in der alten Bayernkaserne zugunsten des bereits entstehenden Quartiers Neufreimann auch die Fahrradwerkstatt dort verschwinden wird, ist den Betreibern der Fahrradwerkstatt klar. Doch Ende August 2022 hat die Stadt München schriftlich den erst gut anderthalb Jahre vorher unterzeichneten Gestattungsvertrag aufgelöst, der es den Freiwilligen eigentlich erlauben würde, noch bis Ende 2023 in der Werkstatt zu bleiben.

Die Begründung: Bei einer Begehung habe man festgestellt, dass die aktuelle Nutzung des Gebäudes nicht der "Baugenehmigung/Nutzungsverlängerung" entspreche. Die Stadt München brauche außerdem "im Kontext mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine dringend Lagerflächen, die sie gegebenenfalls selbst im Haus 8 unterbringen möchte".

"Wir wollen keinen Streit und hoffen, dass wir bis zum Abbruch hierbleiben können", sagt Manfred Heidemann, während er das Herzstück der Stätte mit seinen Pumpen und Werkzeugen, den Dutzenden Fahrradschläuchen und dem großen Kompressor zeigt. Der Jurist in Rente führt seit dem Brief aus dem Kommunalreferat einen hitzigen E-Mail-Verkehr mit der Leiterin des Immobilienservices der Landeshauptstadt. Diese bot Heidemann schriftlich Container im Innenhof eines benachbarten Gebäudes als Alternative an und suchte das Gespräch mit dem Verein. Die Container im Hof von Haus 14 kommen für Heidemann aber nicht in Frage. Sie seien unbeheizt, befänden sich außerdem in der Baustellenzone und seien damit nicht öffentlich zugänglich.

Außerdem habe Heidemann die laut Referat nicht erfüllten Nutzungsbedingungen der Baugenehmigung nie zu Gesicht bekommen. "Einen persönlichen Termin wollen wir erst, wenn wir die Unterlagen sehen", sagt er. Auf Anfrage geht das Kommunalreferat auf einige der Vorwürfe ein und schreibt: Heidemann habe eine Einsicht in die Bauakte und mehrere Treffen abgelehnt. Die Container seien außerdem doch beheizt. Ob der vorgeschlagene Standort zugänglich ist, wird aber nicht beantwortet. Als Heidemann bei einem Rundgang kürzlich an der abgesperrten Tür des eingezäunten Innenhofs klingelte, öffnete jedenfalls niemand. Die Kommunikation zwischen Stadt und Fahrradwerkstatt, so scheint es, läuft gar nicht wie geschmiert.

Freimann: Ohne Ehrenamtliche gäbe es keine reparierten Fahrräder.

Ohne Ehrenamtliche gäbe es keine reparierten Fahrräder.

(Foto: Florian Peljak)

In fünf Räumen im Keller von Haus acht sind aktuell gut 200 gespendete Räder untergebracht. Ein obdachloser Helfer, der nicht namentlich genannt werden möchte, ist fast jeden Tag hier. Er ist gelernter Elektriker und macht die Räder während der kalten Jahreszeit für den Frühling fahrtauglich. Die Werkstatt verleiht mit einem Kautionssystem Kinderräder für fünf Euro und Erwachsenenräder für 20 bis 40 Euro. Zum Vergleich kostet eine Einzelfahrkarte für den Münchner ÖPNV aktuell 3,70 Euro, das ermäßigte "Sozialticket" für die zentrale Zone M 31 Euro monatlich. Wer sein geliehenes Rad nicht mehr zurückbringt, darf es behalten.

"Aktuell kommen auch ukrainische Flüchtlinge", sagt Heidemann. "manchmal schenken wir Jugendlichen auch einfach die Räder". So viele Menschen wie im Jahr 2015, der Zeit der sogenannten Flüchtlingskrise, kämen heute nicht mehr in die Radwerkstatt. Momentan addierten sie sich - jeweils Dienstag und Donnerstag - auf 20 bis 30 Menschen pro Monat.

Ob in Neufreimann Platz für eine Radl-Werkstatt ist, lässt sich noch nicht sagen

Manfred Heidemann betont mehrmals seine Dankbarkeit gegenüber der Stadt München, und auch das Kommunalreferat strebt eine Lösung "im Einvernehmen mit der Fahrradwerkstatt" an. Seit Januar herrscht allerdings Funkstille. Der Bezirksausschuss Schwabing-Freimann hat sich bisher nicht zur Sache geäußert. Für den Vorsitzenden Patric Wolf (CDU) hat die Fahrradwerkstatt mit den Jahren allerdings "ihre Aufgabe etwas aus den Augen verloren". Nach einem früheren Ortstermin erschien Wolf die Werkstätte "nicht einladend". Das Kommunalreferat plädiert für eine einvernehmliche Übersiedlung und argumentiert auf Nachfrage mit Bedenken im Hinblick auf den Brandschutz und auf den Platzbedarf für Ukraine-Hilfsgüter.

Allein die Bearbeitungsdauer für eine Nutzungsänderung im aktuellen Gebäude dauere neun Monate - länger, als es das Haus Nummer acht wohl noch gibt. Ob das entstehende Viertel Neufreimann Platz für eine gemeinnützige Fahrradwerkstatt hat, ist noch offen. Laut Planungsreferat werde der Radverkehr in Neufreimann mitbedacht, "die genaue Ausgestaltung wird derzeit [...] untersucht". Bis Manfred Heidemann und die Stadt eine Lösung finden, bereiten er und sein Team jedenfalls noch Räder vor. Schließlich steht der Frühling vor der Tür.

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