Sonnwendfeuer:Heiße Urerfahrung mit Barbetrieb

Sonnwendfeuer in Eurasburg im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen

Die Sonnwend- oder Johannisfeuer (hier 2019 in Eurasburg im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen) sind vielerorts Anlass für große Feiern.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Im Mittelalter haben die Feuer zur Sommersonnwende immer wieder Großbrände ausgelöst. Inzwischen ist die Sicherheit wichtiger geworden - und der Spaß. Aus dem Brauch ist ein Event geworden mit Grill und Mutproben.

Von Hans Kratzer

Es gibt nur wenige Tage im Jahreslauf, die von einer solchen Fülle an Spruchweisheiten und Mythen umrankt sind wie der Johannistag (24. Juni), der auch die Sommersonnenwende markiert. "Du bist so lang wie der Tag an Johanni!" Mit solchen Redensarten wurden einst groß gewachsene Menschen geneckt, und jeder verstand die aus der Konnexität von Sonnenstand und Physiognomie abgeleitete Ironie.

Immerhin prägten die bereits um St. Vitus (15. Juni) einsetzenden Sonnwendtage das Denken und Handeln der Menschen seit jeher - bis hin zum Bau der Steinkreise von Stonehenge, deren Konstruktion genau auf die Sonnenwende ausgerichtet ist. Ähnlich verhält es sich bei den in Bayern entdeckten Sonnentempeln aus dem 5. Jahrtausend vor Christus.

Gerade diese prähistorischen Anlagen belegen, dass die Verknüpfung des längsten Tages im Jahr mit religiösen Handlungen damals eine wichtige Rolle gespielt hat, besonders im Verbund mit jenem magischen Licht, das in Gestalt des Sonnwendfeuers bis in die Gegenwart hereinleuchtet.

Schriftlichen Quellen aus dem Mittelalter wie etwa der Münchner Stadtkammerrechnung von 1401 ist zu entnehmen, dass sogar mitten in den Städten ausgelassene "sunbentfeuer" gefeiert wurden. Allerdings wird darin so manche Brandkatastrophe ihren Ausgang genommen haben, weshalb diese Sonnwendfeuer oft verboten wurden. Auf Dauer konnte die Obrigkeit diesen Brauch aber nicht unterdrücken, denn dazu loderte in ihm eine allzu schicksalhafte Kraft.

Gerade für den von den Launen der Natur abhängigen Bauernstand war das Feuer Sinnbild existenzieller Hoffnungen und Ängste. Wie schnell man der Bevölkerung diesbezüglich ein schlechtes Gewissen einreden konnte, zeigt der folgende Spruch: "Sunnwendfeuer, Sunnwendfeuer / Der Howan (Hafer), der is teua! / Wer koa Holz zum Feua gibt / Erreicht das ewige Leben nicht."

Solche Verse proklamierend zogen Holzsammler von Haus zu Haus, damit der Holzstoß durch die erbettelten Gaben möglichst mächtig wurde. Die Sentenzen sind längst vergessen, die Sonnwendfeuer aber nicht. In ganz Europa leuchten sie in der Woche vor und nach Johanni sowie Peter und Paul (28. Juni). Dementsprechend heißen sie auch Johannis- oder Petersfeuer.

Sonnwendfeuer: Wegen der hohen Preise bitten manche Vereine inzwischen um Holzspenden, anderswo werden die Feuer kleiner.

Wegen der hohen Preise bitten manche Vereine inzwischen um Holzspenden, anderswo werden die Feuer kleiner.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Ausgerechnet die Energiewende gefährdet nun den alten Feuerbrauch. Immer mehr Hackschnitzelheizungen müssen gefüttert werden, was die Holzpreise nach oben treibt. "Da wird selbst aus alten faulen Balken plötzlich wertvolles Brennholz", sagt Bernhard Empl vom Maschinenring in Erding. Kein Wunder, dass es sich Waldbesitzer gut überlegen, ob sie ihr Holz für ein Johannisfeuer spenden oder es profitabel verkaufen. Immer mehr Vereine inserieren deshalb in Lokalblättern: "Erbitten Holzspenden für Sonnwendfeuer!"

Unabhängig davon haben sich viele Sonnwendfeuer längst zu einem von Vereinen organisierten Event gemausert. Zum "Petersfeuer mit Barbetrieb" wurde schon mal im oberbayerischen Schwindkirchen eingeladen, vielerorts werden die Besucher mit Getränken und Steaks vom Grill verwöhnt. Die Urerfahrung des Feuers, aufs Angenehmste verknüpft mit Nacht und Kulinarik, macht die Sonnwendfeier zum Erlebnis für die ganze Familie. Manche Besucher verknüpfen damit auch esoterische Vorstellungen.

Mit der manchmal postulierten Rückbesinnung auf germanische Wurzeln tut man dem Sonnwendfeuer aber keinen Gefallen. Denn die Nazis hatten die Sonnwendfeiern missbraucht, um ihre Ideologie zu transportieren. Diese unselige Vereinnahmung hat den Brauch nach dem Krieg diskreditiert. Erst in den 1970er-Jahren wurde er wieder populär, aber die lange christliche Tradition der Johannisfeuer war da schon fast in Vergessenheit geraten. Der religiöse Ursprung des Brauchs steht heute im Hintergrund, ein Phänomen, das freilich auch bei den christlichen Hauptfesten Weihnachten und Ostern zu beobachten ist.

Ursprünglich hängt der Begriff Johannisfeuer mit Johannes dem Täufer zusammen, dessen Gedenktag auf den 24. Juni fällt. "Der Johannistag wurde bewusst in die Nähe der Sonnenwende gelegt", sagt Michael Ritter, der Brauchtumsexperte des Landesvereins für Heimatpflege. Der Historiker Reinhard Falter hält Johannes als Hauptfigur der Sommersonnenwende sogar für den Nachfolger eines heidnischen Sonnengottes.

Das ist aber nicht der Grund, warum Pfarrer nur noch selten das Feuer segnen. Dafür springen hie und da unerschrockene Paare Hand in Hand über die Glut. Das ist eine alte Sitte, mit der früher eine glückliche Zukunft beschworen wurde, analog zu dem Versgedanken: "Sunnawend, Sunnawend, dass mi net 's Feier brennt, dass i bald z'heiraten kumm, drum tanz und spring i drum." Ritter vermutet: "Heute tendiert der Sprung wohl mehr in Richtung Gaudi und Mutprobe." Von religiösen Vorstellungen sei die Gesellschaft beim Sonnwendfeuer schon zu weit weg.

Dieser Text ist am 21. Juni 2013 in der Süddeutschen Zeitung erschienen und wurde leicht überarbeitet.

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