Typisch deutsch:Wenn Oberbayern zu Osterbayern wird

Typisch deutsch: Osterhasen im Schaufenster einer Bäckerei im Großraum München.

Osterhasen im Schaufenster einer Bäckerei im Großraum München.

(Foto: Renate Schmidt)

Anfangs dachte unser syrischer Kolumnist, dass Ostern allein ein Fest für Kinder sei. Doch mittlerweile sieht er, dass es auch Erwachsenen wichtig sein kann - weil es um Menschliches geht.

Kolumne von Mohamad Alkhalaf

Kurz nach meiner Fluchtankunft wurde es mir schon fast zu bunt: Schaufenster, Lokale, Supermärkte - wo man in München und Umgebung hinsah, schillerten einem langohrige Wesen und farbige Ovale entgegen. Ich wurde den Gedanken nicht los. Was ist das für ein Hühnchen, das zwei lange Ohren hat und bunte Kugeln produziert: Der eierlegende Wolpertinger!

In Syrien feiern manche Leute auch Feste mit Ostereiern, in meinem früheren Heimatland musste man aber tatsächlich recht lange suchen, um Ostereier zu finden. Oberbayern hingegen wird im Frühjahr zu Osterbayern.

Manche bemühen sich dennoch und verstecken am Ostersonntag Eier im Garten, damit die Kinder eine Freude haben, die Verstecke des Osterhasen auszukundschaften. All das brachte mich anfänglich schnell zu der Überzeugung, Ostern sei allein ein Fest für Kinder.

Je mehr Osterfeste ich über die Jahre erlebt habe, umso mehr erhärtete sich mein Verdacht, dass sich Christentum und Islam weniger unterscheiden, als man meinen möchte. Vor dem großen Fest wird wochenlang gefastet. Bei den einen wird einen Monat lang untertags auf Zufuhr verzichtet. Die anderen lassen 40 Tage lang bestimmte Nahrungsmittel weg. Seit Anfang April überschneiden sich die Rituale. Wenngleich ich erst sieben Tage geschafft habe - und die erlösenden Osterglocken bereits in einer guten Woche läuten.

Eine Freundin lädt mich seit zwei Jahren zum Ostermontagsessen samt Kuchen in Lammform ein. In meiner Tradition sind wir es gewohnt, den Widder zum Opferfest zu schlachten. Seit ich vegetarisch lebe, esse ich allerdings - wenn überhaupt- nur Widder aus Kuchen.

Es braucht nicht lange, um herauszufinden, dass das Ei ein Symbol sein soll für das neue Leben und der Karfreitag an die Geschichte von Jesus und seinen Tod am Kreuz erinnern soll. Dramaturgisch symbolisiert schließlich der Ostersonntag den Sieg über den Tod. Oder wie es im Christentum heißt: Wiederauferstehung.

Und beginnt bisweilen mit der eigenen Frühaufstehung. Sehr früh, wenn man das Osterfest mit einer Osternacht einläuten möchte. Irgendwann, immer noch früh, tragen die Kirchgänger Kerzen nach Hause. In Syrien tragen die Kinder und Frauen zu diesem Fest Ölzweige und gehen damit auf die Straßen. Eines haben Ölzweige und Osterkerzen gemeinsam: Sie gelten als Symbole des Friedens. Ich hoffe, dass der Friede auch nach Syrien kommt.

In meiner Tätigkeit als Schulbetreuer war ich zuletzt hauptamtlich mit dem Basteln von Osternestern und mit dem Färben von Eiern beschäftigt. Meine Nebentätigkeit: Lächelnde Hasen skizzieren, was nicht so einfach ist, wenn man früher vor allem Schafe gezeichnet hat.

Schulkinder schauen einem genau über die Schulter. Wenn ein Hase wie ein Oger aussieht, nehmen sie sich selbst den Stift und schaffen ihr eigenes Werk - was den Hasen meist gesünder aussehen lässt. Beim Ausmalen lassen sich die Kinder ohnehin nicht dreinreden. Die häufigsten Farben dieser Tage: gelb und blau - aus Solidarität mit der Ukraine. Normalerweise basteln die Kinder in der Kirchseeoner Grundschule Nester und Eier für daheim. In diesen Tagen bringen sie ihre Werke hinüber in die Schulturnhalle, wo ukrainische Familien untergebracht sind. Sie beschenken deren Kinder mit Ostereiern und Schokohasen.

Osterschmuck gehört in meiner Wohnung inzwischen zum Inventar. Das Nest steht am Fenster, ein Holzhase sitzt daneben. Man muss kein Kind sein, damit einem das Osterfest wichtig ist. Es sind nicht nur eierlegende Wolpertinger. Es hat vor allem eine menschliche Bedeutung.

Ihre Flucht hat drei Journalistinnen und Journalisten nach München geführt. In der wöchentlichen Kolumne "Typisch deutsch" schreiben sie, welche Eigenarten der neuen Heimat sie mittlerweile übernommen haben.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusHilfe für Geflüchtete
:"Als ich in diesen Raum kam, war ich gebrochen"

Sieben Monate lebte unser Autor nach seiner Flucht aus Syrien in der Turnhalle eines Gymnasiums in der Nähe von München. Nun versorgt er dort Menschen aus der Ukraine. Über dunkle Erinnerungen und das, was Hoffnung geben kann.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: