Geplante Reform an Universitäten:Der Einfluss der TUM auf das Hochschulgesetz

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Fällt das neue Bayerische Hochschulgesetz zugunsten der TU München aus? Kritiker befürchten das. Ein Brief des TUM-Präsidenten an Ministerpräsident Söder erhärtet die Annahme.

Von Sabine Buchwald

Das neue Bayerische Hochschulgesetz werde im Sinne der Technischen Universität München (TUM) ausfallen. Das befürchten Kritiker des Gesetzesvorhabens und des dazu im Oktober veröffentlichten Eckpunktepapiers. Ein Brief von TUM-Präsident Thomas Hofmann an Ministerpräsident Markus Söder, geschrieben Mitte Mai 2020, erhärtet diese Annahme. Auf elf Seiten legt Hofmann darin seine Überlegungen für eine "zukunftsfähige Novelle des Hochschulrechts" dar, auf die Bayern stolz sein könne und die den "Rest der Republik mit Bewunderung" auf Bayern sehen lasse, schreibt er.

Hofmann bestätigte auf Nachfrage, die Vorschläge nach der Klausurtagung der CSU-Fraktion in Seeon im vergangenen Januar auf Wunsch des Ministerpräsidenten zu Papier gebracht zu haben. Tatsächlich lassen sich jede Menge Gedanken des Uni-Präsidenten in dem Eckpunktepapier finden. So beleuchtet er beispielsweise eingehend die Führungsstrukturen der Hochschulen. Er empfiehlt, Bachelorstudiengänge bereits auf Englisch anzubieten, die Hochschulen für "lebenslanges Lernen" fit zu machen und sich für Kooperationen mit ausländischen Hochschulen zu öffnen.

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Hofmann bemängelt die viel zu lang dauernden Berufungsverfahren und drängt auf die Übertragung des Berufungsrechts auf die Präsidenten, um exzellente Bewerber schneller binden zu können. Um die oft auf viele Jahre geplanten universitären Bauvorhaben zu beschleunigen, regt er die Übertragung der Bauherreneigenschaft auf die Universitäten an. Er drängt auf verbesserte Bedingungen für Ausgründungen aus den Universitäten. Hofmanns Vorschlag: Die Hochschulen sollen sich mit ihren Körperschaftsvermögen beteiligen können. Außerdem sollten Hochschullehrer künftig "unternehmerische Erfahrungen" mitbringen.

Diese und andere Themen mehr sind in dem Eckpunktepapier aufgegriffen. Seine Überlegungen seien nicht spezifisch auf die TUM ausgerichtet gewesen, vielmehr eine Analyse des bayerischen akademischen Systems im internationalen Vergleich, erklärt Hofmann. Wenn viel von seinem Brief in das Eckpunktepapier eingeflossen sei, dann sei er wenigstens nicht umsonst gewesen. Den Vorwurf aus der Hochschulfamilie, das vorgelegte Papier zum neuen Gesetz sei ein Angriff auf die unabhängige Wissenschaft und Lehre, weil es marktwirtschaftliche Aspekte betone, teilt Hofmann indes nicht.

Das Gesetz soll den Hochschulen die notwendigen Handlungsräume schaffen, um sie veränderungsfähiger und fortschrittsorientierter zu machen. Ihn störe an der Diskussion, dass die Hochschulen seit Jahren mehr Handlungsfreiheit einforderten und nun vor ihrer eigenen Courage zurückschreckten. "Ich glaube, vor dieser neuen Freiheit, sich unter Nutzung aller demokratischen Teilhabeprinzipien stärker selbst organisieren zu können, überkommt manchen die Angst vor der Ungewissheit." Das lasse die Gemüter hochkochen, und er betont: Deshalb brauche es nun den intensiven Austausch mit der Politik, ebenso wie den Diskurs mit den verschiedenen Personalgruppen der Hochschulen.

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Doch sind dem TUM-Präsidenten offensichtlich die Gremien ein Dorn im Auge, in deren Schranken er die Hochschulen gefangen sieht. Er hinterfragt die Wahlprozesse bei der Besetzung von Führungspositionen - etwa von Dekaninnen und Dekanen. Diese werden bislang über die Fakultäten gewählt. Solche Wahlprozesse seien nicht per se dazu geeignet, "zielstrebige Stürmer in Entscheidungspositionen" zu bringen, schreibt Hofmann in seinem Brief, den er mit dem Appell beschließt: "Lassen Sie uns die Zeiten enggeführter Gremienuniversitäten hinter uns bringen, denn diese Hochschulen passen nicht mehr in das neue Jahrzehnt." Eine Aufforderung, die anscheinend gehört wurde. Eine "Vorgabe bestimmter Gremienstrukturen" soll es laut Eckpunktepapier nicht mehr geben. Die Hochschulen könnten ihre Organisation selbständig durch Satzungen regeln, heißt es dort.

Es sei kaum zu leugnen, dass die TUM der zentrale Lobbyist im Hintergrund der Reformpläne ist, sagt Nicole Gohlke, hochschulpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Bezug nehmend auf den Brief: "Söder und Hofmann scheinen wie Brüder im Geiste einer Wissenschaft, die vor allem den Interessen der Wirtschaft dient." Wenn dieser Stein ins Rollen gerate, würde dies wohl eine Kettenreaktion mit bundesweiten Auswirkungen nach sich ziehen.

© SZ vom 31.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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