Süddeutsche Zeitung

Bayern gegen München:Die Stadt als Wahlkampfopfer?

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Seehofer gegen Ude - das bedeutet auch Freistaat gegen Landeshauptstadt, denn München ist so etwas wie Udes Arbeitszeugnis. Momentan denkt Finanzminister Söder zum Beispiel laut über Ausgleichszahlungen Münchens an ärmere Gemeinden nach.

Dominik Hutter

Den Anfang hat Christian Ude gemacht - mit ausführlichen München-Bayern-Vergleichen in der Frühphase seines Wahlkampfs. Der Tenor war immer derselbe: München steht angeblich besser da als der Rest des Freistaats, und das liegt natürlich an seinem OB. Die Staatsregierung konterte mit Hinweisen auf die desolate Finanzlage des städtischen Klinikums. Inzwischen wird der politische Stadt-Land-Konflikt an mehreren Fronten gleichzeitig ausgetragen. Auch der Freistaat geht mit zunehmender Härte gegen Ude vor. Und damit gegen München, denn die Landeshauptstadt ist ja so etwas sein Arbeitszeugnis. München versus Bayern - dieser Kampf könnte die nächsten eineinhalb Jahre bestimmen. Bis zur Landtagswahl. Und dabei auch Schaden anrichten. So liebäugelt Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) neuerdings mit einem Griff in die Kassen der Stadt.

Das reiche München, so die Forderung des Mittelfranken, solle einen stärkeren Solidarbeitrag für arme bayerische Kommunen erbringen - also sozusagen das tun, was Söder auf der Bundesebene so heftig bekämpft: einen Finanzausgleich leisten. Die "Symmetrie zwischen den reicheren und den ärmeren Gemeinden" müsse stärker berücksichtigt werden, forderte der Finanzminister in einem Gespräch mit der Agentur dapd.

Der Konter ließ nicht lange auf sich warten. Er kam von Münchens SPD-Chef Hans-Ulrich Pfaffmann, der mehr Geld von Freistaat und Bund anmahnte - für den Bau von Kindertagesstätten. Da in München erwiesenermaßen mehr Bedarf an Betreuungsplätzen herrsche als auf dem flachen Land, müsse in der Großstadt auch mehr investiert werden.

Die hohe Bedarfsquote war erst kurz zuvor von der Gegenseite genutzt worden - als Argument gegen München: Sozialministerin Christine Haderthauer und Kultusminister Ludwig Spaenle (beide CSU) hatten sich auf ureigenstes SPD-Terrain gewagt und der Stadt vorgeworfen, bayernweites Schlusslicht beim Ausbau von Kinderkrippen zu sein. Zwar habe München bereits eine höhere Abdeckung erreicht als andere Kommunen. Nur sei wegen des höheren Zielwerts erst die Hälfte des Weges geschafft - eine echte Schwachleistung, wie die beiden Minister befanden.

Münchens Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) wies diese Behauptung mit Verweis auf eigene Zahlen zurück. Demnach müsse sich die rot-grüne regierte Stadt nicht verstecken - und schon gar nicht vor dem Freistaat. Ein "plumpes Ablenkungsmanöver" von eigenen Versäumnissen sei das, wetterte die sonst so besonnene Politikerin.

Weitere Streitthemen zwischen Freistaat und Kommune sind Münchens zweiter S-Bahn-Tunnel sowie die GBW-Wohnungen, bei denen die Staatsregierung Ude immer wieder beschuldigt hat, einer mieterfreundlichen Lösung im Wege zu stehen - dem Verkauf der Immobilien an ein kommunales Konsortium. Ude wiederum will, dass der Freistaat die Wohnungen von der Landesbank übernimmt. Ob der Streit den Mietern weiterhilft, muss offen bleiben.

Sehr öffentlichkeitswirksam ist das Hickhack um die zweite S-Bahn-Stammstrecke geworden. Der Freistaat bemüht sich intensiv, Münchens Oberbürgermeister als großen Verhinderer darzustellen, weil er kein Geld für eine Vorfinanzierung herausrücken will. Auch diese Front hat wohl viel mit Wahlkampf zu tun - in der mehr als zehnjährigen Debatte um den S-Bahn-Ausbau hat eine Mitfinanzierung der Stadt nie eine Rolle gespielt. Vielmehr hat der Freistaat stets den Eindruck erweckt, das Geld sei so gut wie beisammen. Damals lobte Ude gerne das konstruktive Verhältnis zu Horst Seehofer. Nun haben die beiden zumindest bei der Finanzierung entgegengesetzte Positionen bezogen - wie auch beim neuen Konzertsaal, der Ude einen neuen Spitznamen bei CSU-Stadtchef Ludwig Spaenle eingebrach hat: Mr. No.

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SZ vom 21.02.2012
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