Bayerisches Staatsballett:In neuem Licht

Paradigma Staatsballett

Artistisch: Russell Maliphants "Broken Fall" ist ein tolldreistes Trio voll technischem Anspruch.

(Foto: Wilfried Hösl)

Das Staatsballett tanzt wieder live

Von Eva-Elisabeth Fischer

Das Publikum im gut besetzten Nationaltheater ist ganz aus dem Häuschen. Denn es ist der erste leibhaftige Ballettabend seit dem "Schwanensee" am 30. Oktober. Das Mittelstück von dreien, Sharon Eyals "Bedroom Folk", räumt ab: geballte emotionale Kraft in streng formalem Korsett. Dabei punktet das (alb)träumende "Bedroom Folk" ganz ohne die akrobatischen Waghalsigkeiten der anderen beiden Stücke, Russell Maliphants "Broken Fall" und Liam Scarletts "With a Chance of Rain". Anfang Januar hatte der Dreiteiler unter dem Titel "Paradigma" seine Online-Premiere, zwar ohne Uraufführung, aber immerhin bestückt mit Choreografien lebender, international begehrter Tanzschöpfer. Doch halt! Liam Scarlett, der im Zuge der Cancel Culture Geächtete, lebt nicht mehr. Er starb Mitte April mit 35 Jahren.

Welches Stück einem in diesem Programm auch das liebste ist: alle drei sehen an diesem Abend ganz anders aus als am Schirm. Maliphants tolldreistes Trio, das er 2003 in Covent Garden mit der atemberaubend virtuosen Ballerina Sylvie Guillem kreiert hatte, umhüllt nun, live auf der Bühne, plötzlich eine in barockem Gold leuchtende Schwärze. Diese suggeriert eine unendliche Tiefe, aus der Jonah Cook, Jinhao Zhang und Jeanette Kakareka markant heraustreten, wenn sie, zunächst in Zeitlupe, die denkbar abenteuerlichsten Hebungen und Balancen vollführen. Der unterkühlte Pas de trois, eine Neueinstudierung nach der München-Premiere 2012, ist einzig damit beschäftigt, die artistischen Möglichkeiten des menschlichen Körpers auszuloten - mit der Ballerina als vollendete Kühlerfigur. Im Gegensatz dazu lodert dramatisches Feuer bei den konzentriert von Dmitry Mayboroda dargebotenen Rachmaninow-Klavierpräludien zu Scarletts "With a Chance of Rain". Acht Tänzerinnen und Tänzer ergehen sich in wechselnden, delikaten, sehr komplexen Zweier-, Dreier- und Viererformationen, ganz so als trügen sie Luftpolster unter den Sohlen. Hingegen tief in den Boden hinein, delirierend getaktet von den Schlagzeug- und Bläserimpulsen Ori Lichtiks, schiebt Sharon Eyal ein Tänzeroktett als Monolith vorwärts, lässt additiv isolierte Körperpartien - Hüften, Schultern, Knie - schwingen. Die Gruppe bricht auseinander in Grüppchen, die merkwürdig changierende emotionale Verfasstheiten markieren. Kein Wohlfühlstück, aber fesselnd.

Wieder am 25. Mai und am 1.,6. und 9.Juli

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