Bayerischer Rundfunk:Wilhelm kündigt radikale Reform an

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Der Bayerische Rundfunk wird umgekrempelt: Hörfunk, Fernsehen und Online sollen künftig eng verzahnt und damit für das Internet-Zeitalter fit gemacht werden. Ein Großteil der BR-Mitarbeiter wird in Freimann arbeiten, ein anderer Standort wird ganz aufgegeben.

Peter Fahrenholz

Das Funkhaus in München: Derzeit arbeitet hier noch ein Großteil der 4500 BR-Mitarbeiter, das wird sich künftig ändern. (Foto: Lukas Barth/dpa)

Nach fast einjährigen, intensiven Vorarbeiten steht der Bayerische Rundfunk (BR) vor der größten Reform in der Geschichte des Senders. Nachdem diverse Führungsgremien des Hauses bereits unterrichtet wurden, informierte BR-Intendant Ulrich Wilhelm am Donnerstag den Rundfunkrat über die Grundzüge der Reform. Die Details der Veränderungen sollen auf einer Personalversammlung am 16. Oktober bekannt gegeben werden. Doch so viel ist jetzt schon klar: Die Reform des Senders kommt einer Umwälzung gleich, die es noch in keiner anderen ARD-Anstalt gibt. Die strikte Trennung zwischen Hörfunk, Fernsehen und Online wird aufgegeben, die Aufgaben an den Standorten in der Innenstadt und in Freimann werden neu verteilt, es entstehen neue Arbeitseinheiten, in denen Leute zusammengefasst werden, die bisher nichts miteinander zu tun hatten.

Ausgangspunkt der Reformüberlegungen war die Erkenntnis, dass das Internet die journalistischen Arbeitsprozesse stark verändern wird, ohne dass der Sender darauf eingerichtet ist. Es fehlen zum Beispiel sowohl im Hörfunk als auch im Fernsehen die speziellen, meist kürzeren Formate, die im Internet gebraucht werden. "Das Netz ist eine eigene inhaltliche und ästhetische Welt", sagt Wilhelm.

Weil der Aufbau einer dritten, unabhängigen Säule neben Hörfunk und Fernsehen aber viel zu teuer geworden wäre, haben etwa 500 Mitarbeiter aus allen Bereichen des Senders in diversen Arbeitsgruppen über Modellen einer engeren Verzahnung der bisher getrennten Sparten gebrütet. Insgesamt waren an die 1000 Leute in den Reformprozess involviert.

Keine kuriosen Begegnungen mehr

Das Ergebnis ist eine eindeutige Empfehlung: Der BR will sich künftig nicht mehr nach Sendekanälen, sondern nach Inhalten aufstellen. Und entlang dieser inhaltlichen Schienen sollen dann die Programminhalte für Hörfunk, Fernsehen und Internet in enger Abstimmung entwickelt werden. Der kuriose Zustand, dass zum selben Termin immer wieder mehrere verschiedene BR-Teams erscheinen, die nichts voneinander wissen, soll damit der Vergangenheit angehören.

Die neue Struktur hat sowohl räumlich als auch personell gravierende Konsequenzen. Die strikte Trennung zwischen Hörfunk in der Innenstadt und Fernsehen in Freimann wird aufgegeben. Künftig werden sowohl in der Innenstadt als auch in Freimann Studios geschaffen, die radio-, fernseh- und internettauglich sind.

Im BR-Hochhaus in der Innenstadt sollen nach SZ-Informationen die Redaktionen für München und Oberbayern verbleiben, auch der gesamte Klassik-Bereich soll von dort produziert werden. Außerdem soll das Innenstadtareal eine Art Schaufenster des BR werden, Sendungen mit Publikumsbeteiligung sollen künftig aus der Innenstadt ausgestrahlt werden.

Mit der Reform will Intendant Ulrich Wilhelm den BR für das Internet-Zeitalter fit machen. (Foto: Stephan Rumpf)

Das neu zu schaffende, übergreifende Aktualitäten-Zentrum soll hingegen in Freimann angesiedelt werden. Auch andere Kompetenzfelder wie Spielfilm, Kultur oder Sport werden wohl dort landen. Die BR-Direktoren für die einzelnen Bereiche sollen ihre Büros künftig ebenfalls in Freimann haben. Im Endergebnis wird es darauf hinauslaufen, dass der wesentlich kleinere Teil der insgesamt 4500 BR-Mitarbeiter (inklusive der freien Mitarbeiter) künftig vom Funkhaus in der Innenstadt arbeiten wird, der größere von Freimann aus. Der BR wird auch nur noch von diesen beiden Orten aus arbeiten, denn die Studios in Unterföhring sollen innerhalb der nächsten elf Jahre aufgegeben werden.

Trotz aller Verzahnungsbemühungen soll es aber keine Vermischungen geben, kein Zuhörer oder Zuschauer muss fürchten, dass es seine Lieblingssendung plötzlich nicht mehr gibt. Ohnehin ist die gesamte Reform wegen der komplizierten technischen Anpassungsprozesse auf einen Zeitraum von acht bis zehn Jahren angelegt, ehe alle Schritte umgesetzt sind.

© SZ vom 12.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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