Literatur:Das sind die Gewinner des Bayerischen Buchpreises

Literatur: Die Gewinner des Bayerischen Buchpreises (von links): Reinhard Kaiser-Mühlecker, Katja Makhotina und Franziska Davies mit Christopher Clark, der einen Ehrenpreis erhält.

Die Gewinner des Bayerischen Buchpreises (von links): Reinhard Kaiser-Mühlecker, Katja Makhotina und Franziska Davies mit Christopher Clark, der einen Ehrenpreis erhält.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Bei der Verleihung des Bayerischen Buchpreises in der Allerheiligen-Hofkirche diskutiert die Jury live auf der Bühne. Der Historiker Christopher Clark wird mit einer launigen Rede von Ministerpräsident Markus Söder und einem Ehrenpreis bedacht. Ein Überblick über die ausgezeichneten Literaten.

Von Antje Weber

"Hast du uns endlich gefunden", heißt der Titel eines soghaften Romans von Edgar Selge; dass er dafür am Donnerstagabend in der Allerheiligen-Hofkirche einen Bayern2-Publikumspreis zugesprochen bekommt, erstaunt nicht. Hast du uns endlich gefunden! Das würde man an diesem Abend auch gerne Markus Söder laut zurufen. Erstmals in der Geschichte des Bayerischen Buchpreises, der zum neunten Mal in diversen Kategorien verliehen wird, ist der Ministerpräsident höchstselbst erschienen. Dabei wird Jahr für Jahr ein "Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten" vergeben, bisher stets ohne ihn.

Diesmal aber ist Söder da. Damit er die mit Buchbranchen-Gästen gefüllte, rotschimmernde Halle alsbald wieder mit Abgang nach rechts verlassen kann, wurde der sonst starre Ablauf verändert: Söder darf als erster ran. Wer seinen Preis bekommt? Wie immer habe er mit sich selbst gerungen, lässt Söder in einer lustig-selbstreferenziellen Rede wissen, und schließlich Sir Christopher Clark ausgewählt. Der Historiker - Söder wäre gerne selbst einer geworden - habe in der lebendigen Vermittlung von Geschichte "neue Dimensionen" erreicht, im Fernsehen und Büchern wie "Die Schlafwandler" über die Ursachen des Ersten Weltkriegs. Dass Clark ein Preußen-Spezialist ist, darüber allerdings "kann man ja streiten"; ihn auszuzeichnen zeuge von der Liberalitas Bavariae. Die Bayern seien stets "ein bisschen geschmeidig und offen" gewesen, schon die Wittelsbacher ein "sehr wendiges Adelsgeschlecht". Und egal, wie toll Preußen mal gewesen sei: "Heute gibt es Preußen nicht. Aber Bayern schon."

"Für mich als Ehren-Preußen", so beginnt Clark denn auch lächelnd seine Dankesrede, sei der Bayerische Buchpreis eine "große Ehre". Doch er endet ernst: Es sei eine "seltsame Zeit" für Historiker - "die Vergangenheit holt uns ein". Die heutige Krise ähnele allerdings nicht der von 1914, betont er, man könne Epochen nicht gleichsetzen. Wichtig ist ihm klarzumachen, ob bezüglich Ukraine-Krieg oder Klimakrise: Diejenigen, "die meinen, das Problem löst sich, indem wir stillhalten und warten und gar nichts tun", seien für ihn heute die "Schlafwandler".

Das stößt nicht nur im Publikum, sondern auch bei der Jury auf offene Ohren, wie sich im weiteren Verlauf zeigt. Das Herzstück des Events ist ja stets die Live-Diskussion, in der die Gewinner in Sachbuch und Belletristik in halbstündigen Gesprächen auf der Bühne ermittelt werden. Die Kritiker Knut Cordsen, Sonja Zekri und Rainer Moritz erledigen das zum dritten - und letzten - Mal unterhaltsam und teils sogar ungewohnt harmonisch. Und fällen beim Sachbuch eine Entscheidung, die Christopher Clark garantiert gutheißt.

Literatur: Zum letzten Mal in dieser Formation tätig: die Juryrunde mit Sonja Zekri (SZ), Rainer Moritz (Literaturhaus Hamburg) und Knut Cordsen (BR).

Zum letzten Mal in dieser Formation tätig: die Juryrunde mit Sonja Zekri (SZ), Rainer Moritz (Literaturhaus Hamburg) und Knut Cordsen (BR).

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Dabei geht die Diskussion kontrovers los. Andreas Bernards Memoir "Wir gingen raus und spielten Fußball" über eine Münchner Kindheit in den Siebzigern löst zwar bei Cordsen "Erinnerungskaskaden" aus, Zekri jedoch entdeckt nur eine "spitze Zielgruppe": "Das Identifikationsangebot hat mich nicht erreicht." Bettina Flitners Erinnerungsbuch "Meine Schwester" über eine Familie, in der nach der Mutter auch die Schwester Selbstmord begeht, beeindruckt alle drei. Durchsetzen kann sich jedoch das Buch "Offene Wunden Osteuropas" - aus guten Gründen.

Die Historikerinnen Franziska Davies und Katja Makhotina, beide an der LMU München promoviert, sind für diesen Reportageband an zwölf vergessene Erinnerungsorte deutscher Verbrechen des Zweiten Weltkriegs in Osteuropa gereist. Entstanden sei ein Buch, das "erhellt und aufklärt", so Zekri: "Um sich zu erinnern, muss man erstmal wissen." Sich dem "Schrecklichen zu stellen", dazu ruft auch die Autorin Franziska Davies in ihrem Dank auf, nicht zufällig hat sie einen blau-gelben Schal um den Hals geschlungen. Ihre Kollegin Katja Makhotina fragt: "Warum wissen wir so wenig?" Und bittet mit Worten des ukrainischen Autors Jurko Prochasko: "Schaut hin. Schaut weiter hin!"

Die Jury jedoch schaut jetzt erst einmal vom Osten weg gen Westen: In der Belletristik ist ein Debütroman aus dem Ruhrgebiet nominiert; "Nordstadt" von Annika Büsing gefällt allen Kritikern ebenso gut wie das Debüt "Ist hier das Jenseits, fragt Schwein" der Schweizerin Noemi Somalvico. Am Ende einigen sie sich aber doch auf "Wilderer" von Reinhard Kaiser-Mühlecker. Der Dorfroman des österreichischen Autors sei "wunderbar poetisch und realistisch", schwärmt Cordsen. Besonders sei, dass ein Bauer hier nicht an den Umständen, sondern "an sich selbst scheitert", ergänzt Moritz. Und auch wenn Zekri das allzu "Dräuende" des Romans moniert, überzeugt dessen "Schwärze" doch auch sie.

Literatur: Die versammelte Buchbranche wandert nach den Preisvergaben über lange Gänge in den Kaisersaal der Residenz weiter.

Die versammelte Buchbranche wandert nach den Preisvergaben über lange Gänge in den Kaisersaal der Residenz weiter.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Doch das Dunkle soll diesen Abend nicht dominieren. Schließlich will man, wie Klaus Füreder vom bayerischen Landesverband des Börsenvereins des Buchhandels zu Beginn sagte, allen Problemen zum Trotz "das Buch feiern". Und so lustwandeln Verlegerinnen, Lektoren, Buchhändlerinnen und Autoren nun zum Empfang in den Kaisersaal der Residenz. Mit dem Gefühl, dass sich an diesem Abend doch alles gut gefunden hat.

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