Kritik:Vor dem Feierabend

April Hailer inszeniert das Musical "Working" nach einem Buch von Studs Terkel im Akademietheater in München.

Von Gabriel Berg, München

Die einen tun es einfach nur des Geldes wegen, die anderen suchen ihre Erfüllung darin. Die Rede ist von Arbeit. Das Musical "Working" widmet sich fast zwei Stunden lang dem banal klingenden Thema. In Studs Terkels gleichnamigen Buch von 1974, auf dem das Musical basiert, berichten Menschen mit verschiedenen Berufen in Interviews von ihrem Arbeitsalltag. Bei der gelungenen Inszenierung von "Working" unter der Regie von April Hailer schlüpfen sechs Studierende der Bayerischen Theaterakademie August Everding in insgesamt 25 Rollen und erzählen dabei die verschiedenen Lebensgeschichten.

"Working" besitzt keinen dramaturgischen Bogen. Im Laufe des Abends erfährt man die voneinander unabhängigen Geschichten der Charaktere. Man stolpert von Person zu Person, wird kurz in eine Welt eingeführt und direkt in die nächste hineingeworfen. So lernt man einen weinerlichen Pressesprecher kennen, der einem Therapeuten seine Selbstzweifel erläutert, einen Maurer, der seine Liebe zu Steinen besingt, oder einen Lastwagenfahrer, der seine Frau aufgrund seines Berufes seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hat. Auf humorvolle Art erfährt man von den Ängsten, Sehnsüchten und auch Freuden der Arbeiter. Extreme Klischees bleiben bei "Working" nicht aus. Dass für die Monologe die Originaltexte aus dem Buch von Terkel verwendet wurden, verleiht den Charakteren wiederum Authentizität. Die Worte stammen von Menschen, die tatsächlich diese Berufe ausgeübt haben.

Musikalisch ist die Inszenierung genauso abwechslungsreich wie die verschiedenen Persönlichkeiten auf der Bühne. So trifft Rock auf Western und Jazz auf Salsa. Die vielen Szenenwechsel haben zu der Entscheidung für ein sehr schlichten Bühnenbilds geführt, worunter die Qualität der Inszenierung aber nicht leidet. Schließlich entsteht schon allein durch die vielfältigen Charaktere eine frische Dynamik, die die Zuschauer durch den Abend trägt. Unter stürmischem Beifall endet die Premiere von "Working" im Akademietheater. Danach heißt es für die Darsteller erst einmal: Feierabend! Und den haben sie sich verdient.

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