Höhepunkte der Saison 2025/26Was die neue Spielzeit an der Bayerischen Staatsoper bringt

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Da jubelt Wotan: Nicolas Brownlee beim Premierenapplaus zu Tobias Kratzers „Rheingold“-Inszenierung 2024, der großartige junge Sänger ist auch in der Walküre wieder dabei.
Da jubelt Wotan: Nicolas Brownlee beim Premierenapplaus zu Tobias Kratzers „Rheingold“-Inszenierung 2024, der großartige junge Sänger ist auch in der Walküre wieder dabei. (Foto: Wilfried Hösl)

Frauenpower mit Walküren und verfeindeten Tudor-Königinnen: Nach der verlängerten Sommerpause präsentiert die Bayerische Staatsoper sieben Premieren, Konzerte, Ballett und jede Menge Weltstars. Der große Überblick.

Von Jutta Czeguhn

Ausgerechnet in einer Zeit, in der viele Menschen ein bleischweres Gefühl des Ausgeliefertseins verspüren, angesichts übergriffiger Großmachthaber, irrer Tech-Oligarchen oder Klimakatastrophen, ja, in dieser Situation zaubert die Bayerische Staatsoper den alten Starphilosophen Jean-Paul Sartre aus dem Hut. Sein radikales Freiheitsprinzip „Der Mensch ist, wozu er sich macht“ steht als Motto über der Spielzeit 2025/26. Ein trotziges Plädoyer der Kunst für Selbstermächtigung. Dabei startet die kommende Saison unter erschwerten Bedingungen und deutlich verspätet, denn das Opernhaus wird während der Sommerferien saniert. Irgendwie scheint das aber kreative Kräfte freigesetzt zu haben für ein Programm, das sich mit seinen sieben Premieren etwas traut, sich frei macht vom Herkömmlichen, an neuen Orten, mit neuen Werken, Stimmen und überraschend vielen Regisseurinnen.

<strong>Wotan und seine Kinder</strong>

Tobias Kratzer, der Intendant der Staatsoper Hamburg – hier zu sehen auf einer Pressekonferenz zur Spielzeit 2025/26 der Hamburgischen Staatsoper.
Tobias Kratzer, der Intendant der Staatsoper Hamburg – hier zu sehen auf einer Pressekonferenz zur Spielzeit 2025/26 der Hamburgischen Staatsoper. (Foto: Ulrich Perrey/dpa)

Wer nur tief genug gründelt, wird das Sartre-Motto gewiss auch in der zweiten Staffel von Tobias Kratzers „Ring“ entdecken:  Seine „Walküre“ ist wohl die meisterwartete Premiere der kommenden Saison (26. Juni 2026). Der Regisseur will über die gesamte Tetralogie von Cliffhanger-Meister Richard Wagner die Stammbelegschaft beibehalten. Als Wotan und Fricka sind also Nicholas Brownlee und Ekaterina Gubanova wieder dabei. Der Amerikaner sieht in Bühnenmontur zwar älter aus, ist aber erst Mitte 30. Was natürlich das Problem mit sich bringt, dass die nächste Generation glaubhaft jünger wirken sollte als der Göttervater selbst, wenn möglich nicht wie seine Onkel und Tanten.

Nun, der schwedische Tenor Joachim Bäckström, der als Siegmund debütiert, ist bereits 50, verfügt aber über eine jugendliche wie wagnertaugliche Belcanto-Stimme. Ebenfalls ihre Rollendebüts geben als Sieglinde Irene Roberts, 42, und die schon Isolde erprobte Finnin Miina-Liisa Värelä, 43, als Brünnhilde. Und dann ist da noch ein weiterer Debütant: Münchens Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski, 52, hat die Walküre bisher nur konzertant dirigiert, auf seine erste szenische freut er sich nun umso mehr.

Showdown der Königinnen

Das Libretto der neuen Oper von Brett Dean „Of one Blood“ basiert auf  Original-Material wie diesem Faksimile des Hinrichtungsbefehls für Maria Stuart, Königin der Schotten, verfasst von Elisabeth I. 1533–1603, Königin von England, am 1. Februar 1587.
Das Libretto der neuen Oper von Brett Dean „Of one Blood“ basiert auf  Original-Material wie diesem Faksimile des Hinrichtungsbefehls für Maria Stuart, Königin der Schotten, verfasst von Elisabeth I. 1533–1603, Königin von England, am 1. Februar 1587. (Foto: Heinz-Dieter Falkens/Imago)

Jurowski ist es auch zu verdanken, dass zwei sehr besondere Opern erstmals im Nationaltheater zu erleben sind, bei denen er selbst am Pult stehen wird; eine davon, Brett Deans „Of one Blood“ als Weltpremiere (10.5.). Auf den australischen Komponisten hält Jurowski bekanntlich große Stücke, seit er die Uraufführung von dessen „Hamlet“ beim Glyndebourne Festival dirigierte und die Oper 2023 nach München holte. Nun liefert Dean eine Auftragsarbeit für die Bayerische Staatsoper. Sie führt nach Westminster Abbey, wo zwei berühmte Cousinen aus dem Hause Tudor begraben liegen, die sich zu Lebzeiten nie begegnet waren, aber einander zum Schicksal wurden: Mary Stuart und Königin Elisabeth I. Bester, hochdramatischer Bühnenstoff, das wussten schon Schiller und Donizetti, Hollywood und Netflix.

Das Libretto von Deans Ehefrau Heather Betts basiert auf Original-Briefen der beiden Königinnen, die Musik wird – so viel kann Jurowski schon zur Partitur verraten – wie immer bei Dean eine „polystilistische Mischung“ sein.  Mit einem Cembalo in einem tragenden Solo-Part. In jedem Fall, so Jurowski, habe dieses neue Werk das Zeug dazu, weiter auf Bühnen gespielt zu werden. Claus Guth inszeniert die Operngeburt.

Komponierte viele Märchen- und Sagenopern: Nikolai Rimski-Korsakow, hier um das Jahr 1900.
Komponierte viele Märchen- und Sagenopern: Nikolai Rimski-Korsakow, hier um das Jahr 1900. (Foto: Mary Evans/Imago)

Eine schwere Bühnenniederkunft, quasi eine Steißlage, war Nikolai Rimski-Korsakows „Die Nacht vor Weihnachten“ im Jahre 1895 in St. Petersburg. Der Komponist bekam es mit der Zensur zu tun, weil der Hof in einer der auftretenden Figuren Zarin Katharina II. zu erkennen glaubte, was damals ein absolutes „Njet“ bedeutete.  Auch sonst ist die Werkgeschichte dieser Operrarität, die auf einer fantastisch-satirischen Erzählung von Gogol basiert, reichlich kompliziert.

Die Handlung spielt auf dem Dorf in der heutigen Ukraine. Erzählt wird vom jungen Schmied Wakula, der als Liebesbeweis seiner Angebeteten Oksana die goldenen Pantöffelchen der Zarin bringen soll. Während die Menschen Weihnachten und die Naturgeister die Raunächte feiern, sattelt er den Teufel und reitet nach St. Petersburg. Für Vladimir Jurowski ist die Geschichte eine Art „russisch-ukrainische Antwort“ auf E.T.A. Hoffmann, weil hier die christliche Menschen- und die Geisterwelt ganz selbstverständlich koexistieren. Sehr zum Ärger sowohl der Orthodoxie also auch der Sowjets.

Vladimir Jurowskis Begeisterung für dieses Werk teilt Barrie Kosky, der in Berlin 2024 Rimski-Korsakows Oper „Der goldene Hahn“ inszenierte. Seine neue Regiearbeit in München hat am 29. November Premiere.

Die Stunde der Regiesseurinnen

Das Künstlerpaar ist zurück in München: Christiane Lutz wird Regie führen und Ehemann Jonas Kaufmann den Calaf in Puccinis „Turandot“ singen.
Das Künstlerpaar ist zurück in München: Christiane Lutz wird Regie führen und Ehemann Jonas Kaufmann den Calaf in Puccinis „Turandot“ singen. (Foto: Leopold Nekula/Imago)

Christiane Lutz kehrt an die Bayerische Staatsoper zurück. Wieder wird die Regisseurin, die 2024 die Projektentwicklung für das NEST, die neue Jugendspielstätte der Wiener Staatsoper übernahm, gemeinsam mit den Mitgliedern des Münchner Opernstudios arbeiten. Ihre Neuinszenierung von Hans Werner Henzes Oper „Die Englische Katze“ hat am 5. November Premiere. In dieser bösen Satire von 1983, zu der Henze eine Kurzgeschichte von Honoré de Balzac inspirierte, trifft man auf die korrupten Mitglieder der „Königlichen Gesellschaft für den Schutz der Ratten“, auf Katze Minette und Straßenkater Tom, sowie auf Maus Louise, die am Ende triumphiert. Am Pult steht die junge österreichische Dirigentin Katharina Wincor.

Aus Rodolfo wird nun Faust: Jonathan Tetelman, hier in Puccinis „La Bohème“, übernimmt im kommenden Jahr die Titelpartie in Gounods Oper.
Aus Rodolfo wird nun Faust: Jonathan Tetelman, hier in Puccinis „La Bohème“, übernimmt im kommenden Jahr die Titelpartie in Gounods Oper. (Foto: Wilfried Hösl)

Altistin und Dirigentin Nathalie Stutzmann, Jahrgang 1965, ist schon eine lange Weile im Geschäft, doch erst in der kommenden Spielzeit gibt sie ihr Debüt an der Bayerischen Staatsoper in der Neuinszenierung von Gounods „Faust“ (8.2.), Regie führt Lotte de Beer, von der das Münchner Publikum zuletzt 2017 Puccinis „Il trittico“ zu sehen bekommen hat. Interessant die Besetzung mit Jonathan Tetelman in der Titelrolle. Und auch Barbara Wysocka nimmt wieder Platz auf dem Regiestuhl an der Bayerischen Staatsoper, ihre „Lucia di Lammermoor“ (2015) wurde am Haus durchaus zum Repertoire-Hit. Was man von Árpád Schillings „Rigoletto“ nicht behaupten kann, weshalb nun einiges zu erwarten ist von Wysockas Interpretation des Verdi-Stoffes (7.3.). Regisseurin Nummer Vier ist Johanna Wehner, Absolventin der Münchner Everding-Akademie. Sie gibt mit Händels „Alcina“ ihr Hausdebüt (13.7)., ebenfalls zum ersten Mal im Nationaltheater zu erleben ist in der Titelrolle die überragende Sopranistin Jeanine De Bique.

Wiederaufnahmen in Starbesetzung

Vielleicht hat er da schon mal geübt für den Ball beim Prinzen Orlofsky: Rolando Villazón beim Tänzchen mit dem Kollegen Thomas Hampson bei der Premierenfeier zur Oper „South Pole“, die leider aus dem Repertoire verschwunden ist. Villazón jedenfalls wird in der „Fledermaus“ am Haus zu erleben sein.
Vielleicht hat er da schon mal geübt für den Ball beim Prinzen Orlofsky: Rolando Villazón beim Tänzchen mit dem Kollegen Thomas Hampson bei der Premierenfeier zur Oper „South Pole“, die leider aus dem Repertoire verschwunden ist. Villazón jedenfalls wird in der „Fledermaus“ am Haus zu erleben sein. (Foto: Florian Peljak)

Mit großen Namen wartet die Staatoper auch bei den Wiederaufnahmen auf: Bei der konzertanten „Ariadne auf Naxos“ am 15. Oktober in der Ausweichspielstätte Herkulessaal singt Krassimira Stoyanova die Titelpartie. Zudem wird das Münchner Publikum Elīna Garanča als Santuzza in der „Cavalleria Rusticana“ erleben, eine hochkarätig besetzte „La Bohème“ mit Sonya Yoncheva, Aida Garifullina und Benjamin Bernheim, in der„ Traviata“ singen Lisette Oropesa und Luca Salsi, Jonas Kaufmann will den Spitzenton in „Nessun dorma“ („Turandot“) schmettern. Vera-Lotte Boecker und Julian Prégardien erlebt man im „Don Giovanni“, Nina Stemme als Klytämnestra in „Elektra“. Und dann ist da noch Rolando Villazón, der sein Debüt als Eisenstein in Barrie Koskys „Fledermaus“ gibt, ein Werk, das er selbst schon mal in Berlin inszeniert hat. Auch sonst ist diese Münchner Produktion im Dezember hübsch besetzt mit Rachel Willis-Sørensen als Rosalinde, Pavol Breslik als Alfred und Konstantin Krimmel als Dr. Falke. Am Pult ist kein Geringerer als der ehemalige Generalmusikdirektor Zubin Mehta, 88, angekündigt.

Asien-Tour und Petrenko

In München immer noch gefeiert: Kirill Petrenko, der ehemalige Generalmusikdirektor der Staatsoper, kommt für drei Konzertabende zurück.
In München immer noch gefeiert: Kirill Petrenko, der ehemalige Generalmusikdirektor der Staatsoper, kommt für drei Konzertabende zurück. (Foto: Wilfried Hösel)

Während im Nationaltheater in den September- und Oktoberwochen noch die Handwerker den Sound bestimmen und unter anderem den Brandschutz ertüchtigen, begibt sich das Staatsorchester auf eine Asien-Tournee, die es nach China und Japan führt, was fraglos zur Steigerung des Renommees des Münchner Klangkörpers beitragen wird und auch zu einer eher fragwürdigen Ökobilanz. Es lässt sich also durchaus darüber streiten, ob solche Gastspiele noch zu rechtfertigen sind.

Auch mit ihm waren die Münchner Musiker in Asien unterwegs, 2017, da war Kirill Petrenko – heute Chefdirigent der Berliner Philharmoniker – noch Generalmusikdirektor am Haus. Nur ungern hatten ihn das Staatsorchester und das Münchner Publikum ziehen lassen, um so mehr freuen sie sich, dass er nach seinem fulminanten Dirigat mit Mahlers Achter 2023 nun für drei Akademiekonzerte an die Staatsoper zurückkehrt. (7.12.) Weitere Gastdirigenten in der kommenden Saison sind Markus Poschner, Pablo Heras-Casada und Sebastian Weigle. Hausherr Vladimir Jurowski dirigiert zwei der insgesamt sechs Konzertprogramme.

Junge Choreografin aus Kanada

Die junge Kanadierin Emma Portner, hier bei einer Modenschau von Caroline Hu 2024 in Paris, wird in München eine ihrer Choreografien zeigen.
Die junge Kanadierin Emma Portner, hier bei einer Modenschau von Caroline Hu 2024 in Paris, wird in München eine ihrer Choreografien zeigen. (Foto: Shootpix/Imago)

Auch das Bayerische Staatsballett wird während der Sanierungsphase das Publikum auswärts erfreuen. Es ist mit „Giselle“ in Barcelona unterweg, ehe für die Compagnie die Saison am 2. November zu Hause startet, mit John Neumeiers Adaption des „Nussknackers“ aus dem Jahr 1971. Klassiker sind auch „Boléro“ und „Blake Works I“ von Maurice Béjart und William Forsythe, die Werke dieser großen alten Choreografen des 20. Jahrhunderts treffen auf „Megahertz“ (Arbeitstitel), ein Tanzstück, das die junge kanadische Choreografin Emma Portner, 30, für das Bayerische Staatsballett kreiert.  Zum spannenden Treffen der Generationen kommt es auch bei der Ballettfestwoche 2026, im Triple „Common Ground“ gehen die Werke von Hans van Manen, 92, Johan Inger, 58, und Alexander Ekman, 41, eine Verbindung ein.

Arien in der Basketball-Arena

Ungewöhnlicher Spielort: Weil in der Staatsoper Sanierungsarbeiten stattfinden, wird Sponsor BMW seinen BMW-Park für „Oper für alle“ zur Verfügung stellen. In der früheren Rudi-Sedlmayer-Halle mit dem Hightech-Videosportboden werfen üblicherweise die Baskettballer beim FC Bayern ihre Körbe.
Ungewöhnlicher Spielort: Weil in der Staatsoper Sanierungsarbeiten stattfinden, wird Sponsor BMW seinen BMW-Park für „Oper für alle“ zur Verfügung stellen. In der früheren Rudi-Sedlmayer-Halle mit dem Hightech-Videosportboden werfen üblicherweise die Baskettballer beim FC Bayern ihre Körbe. (Foto: Nils Koepke/Imago)

Die Dreißigerjahre, hört sich irgendwie futuristisch an, weit weg. Aber es sind nur noch ein paar Jahre hin, in dieser Dekade soll die dringend notwendige Generalsanierung des Nationaltheaters durchgeführt werden. Über Jahre wird dann das Haus geschlossen sein. Wo und wie dann die Bayerische Staatsoper weiterspielen wird, darüber machen sich hoffentlich kluge Geister in den zuständigen Ministerien Gedanken. Wird es ein festes Interimsquartier geben wie es die Berliner Häuser mit dem Schillertheater haben? Oder vagabundiert man durch die Stadt?

Wie ein kleiner Vorgeschmack auf diese schwierige Phase scheint der kommende, verspätete Spielzeitauftakt. So wird das Oper-für-alle-Konzert zum Unicredit-Eröffnungsfest am 24. Oktober an einen ungewöhnlichen Ort führen: in den BMW-Park – formerly known als Audi Dome, als Rudi-Sedlmayer-Halle am Westpark. Dort, auf dem digitalen Video-Glasboden, wo sonst die Basketballer des FC Bayern ihre Körbe werfen, singen dann Ailyn Pérez und Jonathan Tetelman unter Andrea Battistoni ihre Arien. Und das bei freiem Eintritt.

Vorbestellungen der Karten für die Spielzeit 2025/2026 der Bayerischen Staatsoper sind möglich unter www.staatsoper.de

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