Portrait:Gegenüber ganz schräg

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Der Bass Burkhard Kosche beherrscht die Facetten von seriös bis schreiend komisch - aber alle auf hohem musikalischen Niveau. Dafür muss er von der Staatsoper nur kurz hinüber ins Hofspielhaus gehen. (Foto: Stephan Rumpf)

Im Staatsopernchor ist Burkhard Kosche als Bass engagiert. Um seine unernste Seite auszuleben, muss er nur einmal die Maximilianstraße überqueren: Im Hofspielhaus beweist er seine Wandlungsfähigkeit als Autor, Sänger und Regisseur.

Von Barbara Hordych

Als Chorsänger an der Bayerischen Staatsoper hat man vieles: ein großes Repertoire, Sicherheit und eine gute Bezahlung. "Als ich nach meinem Gesangsstudium an der Musikhochschule in Dresden Bewerbungen für ein Vorsingen rausschickte, fing ich ganz oben an. Ich dachte, danach kann ich ja immer noch Stufe für Stufe herunter steigen", sagt der 39-jährige Burkhard Kosche. "Ganz oben", das war in seinem Fall die Bayerische Staatsoper. Und zum "Runtersteigen" sollte es nicht mehr kommen. Denn er bekam sofort ein festes, unbefristetes Engagement. Das war 2011. Die erste Zeit war er dann vollauf damit beschäftigt, sich das Repertoire für das Opernhaus anzueignen. "Wenn man von durchschnittlich zehn Premieren und 40 Wiederaufnahme-Aufführungen im Jahr ausgeht, habe ich in den ersten drei Jahren bestimmt 100 Partien gelernt", sagt Kosche beim Treffen im Foyer des Hofspielhauses.

Das kleine Privattheater liegt in der Falkenturmstraße und damit gewissermaßen schräg gegenüber von der großen Oper. Warum Kosche hier sitzt, hat wiederum mit den rund 100 Vorstellungen im Jahr zu tun, die er im großen Haus auf der anderen Seite der Maximilianstraße zu singen hat. "Sollte ich meine Jobbeschreibung als Bass im Opernchor kurz zusammenfassen, lautet diese ,perfekte Reproduktion'; durch meine Festanstellung an der Oper kann ich ausatmen. Aber hier im Hofspielhaus kann ich meine unernste Seite ausleben", sagt Kosche und schmunzelt.

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Als Autor, Regisseur und Sänger in Personalunion kreiert er jahreszeitlich motivierte Kleinod-Abende, "die durch alle Genres rauschen". Beispielsweise "Advent, Advent, Sie hör'n von uns". Für den erteilte ihm die Theaterchefin Christiane Brammer vor zwei Jahren eine "Carte blanche". Damals kreuzte Kosche, begleitet von Klavierkabarettist André Hartmann, ein Andersen-Märchen mit Becketts "Warten auf Godot". Die Protagonisten starben, wurden erlöst - und erlebten ihre Reinkarnation als Schlagerduo in Bayern.

"An diesem Genre-Mix hatten die Literaturkenner und die Musikversierten genauso ihre Freude wie die, die ohne klassische Vorbildung hineingeraten sind und sich einfach gut unterhalten lassen wollten", umschreibt Kosche sein Konzept. Das so gut ankam, dass er es jüngst mit der Oster-Oper "Ei Ei, wir hör'n von uns" fortsetzte. Erneut ein Themenabend, bei dem er und seine Mitstreiter nach Herzenslust - und auf hohem musikalischen Niveau - singen, aber auch herrlich albern strippen, tanzen und blödeln.

In der originellen Oster-Oper "Ei, Ei, wir hör'n von uns" kreuzte Kosche (links) mit seinem Tenor-Kollegen Sebastian Schmid (rechts), unterstützt von Veronika Eckbauer und Dominik Wilgenbus (Mitte) Partien aus Händels "Messias" und Wagners "Parsifal" mit einer Can Can-Tanzeinlage in Mieder und Strapsen. (Foto: Ursula Beck)

Sein Tenor-Kollege aus dem Opernchor singt, spielt und strippt nach Herzenslust mit

Besonders gerne übrigens mit Sebastian Schmid, seinem Tenor-Kollegen aus dem Staatsopernchor. "Der hat einen Faible fürs Strippen", sagt Kosche und lacht. Und so kam es, dass die beiden nach Partien aus Händels "Messias" und Wagners "Parsifal" auch eine Höllen- und Fegefeuer-Fantasie zu Dantes "Inferno" mit Offenbachs Can Can in Mieder und Strapsen darboten. Kongenial schauspielerisch und musikalisch begleitet am Klavier wurden sie dieses Mal von Dominik Wilgenbus, dem langjährigen Chefregisseur der Kammeroper München, "das ist natürlich ein Glücksfall", sagt Kosche.

Burkhard Kosche (links) als Direktor Wackelohr wirbt im "Sängerkrieg der Heidehasen" um die Hand der hübschen Hasenprinzessin (Marina Granchette) - vom 21. Mai an wieder im Hofspielhaus. (Foto: Verena Mittermeier)

Kennengelernt haben sie sich im Zuge von Wilgenbus' wunderbar komischer Operetten-Travestie "Charleys Tante", in der er sich mit Kosche die Rolle des Butlers teilt (am 21. und 22. April wieder im Künstlerhaus am Lenbachplatz). Im Musiktheater-Spaß "Sängerkrieg der Heidehasen" nach James Krüss bezaubert er, ebenfalls in der Regie von Wilgenbus, als dickbäuchiger Direktor Wackelohr, der "hinunter kommt bis zum tiefen Zeh" (ab 21. Mai wieder im Hofspielhaus). Beim zweiten Wilgenbus-Kinderstück fürs Hofspielhaus, "Die Kuh Carmen" war er dann nicht nur als Sänger, sondern schon "zu zwanzig, dreißig Prozent" an der Entwicklung beteiligt.

Für den Sommer planen die beiden nun eine dritte Kinderoper, "Der eingebildete Krake", von vornherein gemeinsam. Erwachsene müssen sich - die Zeit für Oster-Opern ist nun einmal vorbei - bis zur nächsten Spielzeit des Hofspielhauses gedulden. Dann aber blüht ihnen mit "Au, Au - Sie verhören uns", eine Kreuzung von James Bond mit Tristan und Isolde. "Auch Tristan war ja eine Art Super-Agent, bevor er von König Marke als Brautwerber zu Isolde geschickt wurde", erklärt der Autor und Regisseur.

Weil er Überraschungsmomente liebt, wirkt er seit fünf Jahren im Opern-Impro-Ensemble "La Traviata" mit, kreiert dort Stegreif-Arien auf Anregungen der Zuschauer. Darüber hinaus hat er für sich die Strategie des "wandernden Schönheitsflecks" erfunden. Das bedeutet? "Nehmen wir eine Operninszenierung wie "La Bohème", die sich seit gefühlt sechzig Jahrzehnten nicht verändert hat. Da rücken wir als Chor in einer Hundertschaft an, treten funktionstechnisch als Masse auf. Und da ist es sehr gefährlich, irgendwann nicht mehr ganz in die Musik hineinzugehen, sondern nur noch abzuliefern."

Als Gegenmaßnahme bat er die Maskenbildner, ihm bei jeder dieser Aufführungen einen Schönheitsfleck an einer anderen Stelle im Gesicht zu platzieren: mal am Auge, mal an der Nase, mal neben dem Mund. "Passend zu diesem Fleck dachte ich mir eine Eigenschaft für meine Figur aus; mal war ich schüchtern, mal ein Draufgänger", sagt Kosche. Die wiederum setzte er im Bühnenbild eines Pariser Marktplatzes in kleine Aktionen um - indem er etwa einer Angebeteten Blumen überreichte. "Natürlich sind das nur ganz kleine Aktionen im Hintergrund, sie dürfen den Auftritt der Solisten vorne keinesfalls stören." Aber er könne so sein Energielevel halten. Eine Methode, an der auch die Maskenbildnerinnen ihren Spaß haben. "Sie freuen sich, wenn sie bei fünfzig Chorherren zur Abwechslung einen auch mal anders schminken dürfen."

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