Der Festival-Frühling:Wo die ersten Töne sprießen

Der Festival-Frühling: Joy Denalane kommt zur Jazzwoche Burghausen. Zugegeben, sie könnte auch ein Pop-Festival eröffnen.

Joy Denalane kommt zur Jazzwoche Burghausen. Zugegeben, sie könnte auch ein Pop-Festival eröffnen.

(Foto: Bennie Julian Gay)

Jazz und Blues verführen zu einer Rundreise durch Bayern: In Burghausen, Kempten und Roth starten nach zwei Jahren Pause wieder die großen Stelldicheins der Szenen.

Von Oliver Hochkeppel

Zwei Jahre waren die Jazz- und Blues-Festivals auf die Bildschirme verbannt, jetzt dürfen die Münchner Musikfreunde im Frühling wieder wie gewohnt zu ihren liebsten Klassentreffen ausschwärmen. Dass sich diese nicht nur bei uns in der Peripherie angesiedelt haben, ist kein Zufall. Ob Montreux, Newport oder Marciac, Kleinstädte können sich mit einem Festival einen Namen machen. Und die im Kulturgetriebe der Metropolen eher im Untergrund arbeitende Jazzszene weiß es zu schätzen, dass ihr hier alle Aufmerksamkeit gehört. Was eben alles auch für Burghausen, Roth und Kempten gilt.

Jazzwoche Burghausen

Wie Chick Corea oder Baden Powell einst in die Jamsessions im Jazzkeller einstiegen und Dizzy Gillespie dort sogar anfing, Teller abzuwaschen - bei der Internationalen Jazzwoche Burghausen haben sich Geschichten zu Geschichte verdichtet. Vom 22. bis 27. März ist endlich die 51. Auflage dieses wichtigsten und ältesten bayerischen Jazzfestivals zu erleben. Eine Avantgarde-oder Themen-Veranstaltung war es nie, sondern der Versuch, mit großen Namen - siehe die an Hollywood angelehnte "Street of Fame" in der Altstadt - einem breiten Publikum Jazz zu vermitteln. Mehr als andere leidet man hier deshalb darunter, dass die großen Stars aussterben.

Der Festival-Frühling: Klassischer Latin-Jazz: Joe Gallardo spielt am 24. März.

Klassischer Latin-Jazz: Joe Gallardo spielt am 24. März.

(Foto: Privat)

Was man auch heuer wieder bei den großen Konzerten in der Wackerhalle sieht: Joe Denalane könnte auch ein Pop-Festival eröffnen, auch die House-Band Jungle By Night, der soulige Londoner Sänger Ola Onabulé, die "Babylon Berlin"-Bigband Moka Efti Orchestra sowie Leslie Mandoki mit seinen Soulmates (trotz der Jazz-All-Star-Besetzung mit unter anderem Al di Meola, Till Brönner, Richard Bona, Tony Carey, Mike Stern, Randy Brecker und Max Merseny) gehören eher in die "Auch-Jazz"-Kategorie. Selbst noch ein Bill Evans mit seinen The Spy Killers samt Wolfgang Haffner am Schlagzeug. Immerhin führt einen Wilson de Oliveira mit Joe Gallardo zu klassischem Latin-Jazz.

Aufregend wird es eher abseits der Wackerhalle. Im Stadtsaal zeigt das alte Festival sein jugendliches Gesicht. Beim 12. Burghauser Nachwuchs-Jazzpreis etwa, der inzwischen traditionell den Konzertreigen eröffnet. Oder beim für den experimentelleren Jazz reservierten Samstagabend, diesmal mit der wilden Schweizer Harfenistin Julie Campiche und der Saxofonistin Chelsea Carmichael aus der brodelnden Szene Londons. Auch der Schlusstag gehört unter dem Motto "Next In Jazz" den Stars von morgen, heuer dem Münchner Gesangs-Shooting-Star Alma Naidu, der österreichischen Vorzeigeband Shake Stew und dem Schweizer Quintett Ikarus.

Der Festival-Frühling: Experimentell: Die Schweizer Harfenistin Julie Campiche ist am 26. März zu erleben.

Experimentell: Die Schweizer Harfenistin Julie Campiche ist am 26. März zu erleben.

(Foto: Gerald Langer)

Wem das nicht reicht, der kann sich den traditionellen Blues-Samstagnachmittag geben, bei dem Kai Strauss & The Electric Blues Allstars und Philipp Fankhauser antreten. Und sich später bei der "Jazznight" in fünf Altstadtlokalen verlustieren. Schließlich gibt es jede Nacht nach den Konzerten noch die Jamsession im Mautnerschloss-Jazzkeller. Die Hausband, bei der hoffentlich wie früher die Stars einsteigen, stellt diesmal der Weilheimer Saxofonist Johannes Enders mit seinem Quartett. Hier kann man sie auf jeden Fall erleben, die "Burghauser Momente".

51. Internationale Jazzwoche Burghausen, Di. bis So., 22. bis 27. März, verschiedene Spielorte, www.b-jazz.com

Jazzfrühling Kempten

Auch am Allgäu kommt man als Münchner Jazzfan kaum mehr vorbei, seit der Kleinkunstverein "Kleks" 1983 den "Kemptener Jazzfrühling" aus der Taufe gehoben hat. Zumal er sich in den vergangenen Jahren unter der Leitung von Andreas Schütz stark verjüngt und gemausert hat. Am Samstag, 30. April, dem Internationalen Tag des Jazz, startet die 37. Ausgabe.

Der Festival-Frühling: Mediterran-amerikanischer Powerjazz: der Bassist Avishai Cohen.

Mediterran-amerikanischer Powerjazz: der Bassist Avishai Cohen.

(Foto: Jazzfrühling)

Vieles hat seinen festen Platz gefunden: Die großen Namen bespielen zum Start und zum Schluss das wunderschöne Stadttheater. Mit dem Bassisten Avishai Cohen, dem Vorreiter der ihren eigenen Stil aus mediterran-amerikanischem Powerjazz prägenden israelischen Musikergemeinde in New York, und dem gerade von den großen Feuilletons entdeckten US-Trompeter Theo Croker hat man heuer echte Kracher am Start. Dazwischen finden sich während der neun Tage fast 40 Konzerte im Angebot, von Local Heroes und bayerischen Hausnummern (etwa der Bigband Dachau mit Jimi Tenor im Parktheater) über junge deutsche "Jazzperlen" (so der Reihentitel im AÜW) wie das Jung/Lanser/Jung-Trio bis zu europäischen Größen wie dem Multiverse-Trio mit dem britischen Pianisten Ivo Neame, seinem Landsmann Jim Hart am Vibrafon und dem deutschen, in Frankreich lebenden Saxofonisten Daniel Erdmann (im TheaterOben).

Der Festival-Frühling: Der Trompeter Theo Croker spielt am 7. Mai in Kempten.

Der Trompeter Theo Croker spielt am 7. Mai in Kempten.

(Foto: Leighton Pope)

Stammgäste werden bemerken, dass das Programm im Vergleich zu früheren Jahren mit bis zu 100 Konzerten verschlankt ist. Und dass die Besetzung der beliebten Jazznacht am 6. Mai in der Altstadt erst kurzfristig bekannt gegeben wird - Corona hinterlässt eben immer noch seine Spuren. Dafür gibt es ein brandneues Format: Bei "Sunset to Sunrise" rockt TMT xplosif, das Progrock-Jazz-Trio der Bigband-Leader Tilman Herpichböhm, Monika Roscher und Tom Jahn, den 13. Stock der Kulturetage in Kemptens Innenstadt mit 360-Grad-Panorama auf die Bergwelt. Womöglich von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang.

37. Kemptener Jazzfrühling, Sa., 30. April, bis So., 8. Mai, verschiedene Spielorte, www.klecks.de

Rother Bluestage

Ebenfalls abspecken mussten auch die Rother Bluestage. Für die seit zwei Jahren geplanten Headliner Samantha Fish und Marla Glen reicht die zugelassene Kapazität noch nicht. Trotzdem kann sich das Programm mit sieben Konzerten sehen lassen. Das Festival in der Kreisstadt Roth im Nürnberger Land hält damit seinen Rang als bayerische Hochburg für Blues-Fans. Erworben seit 1992, als die Wirte der "Wunder-Bar" vier lokale Bands zusammenholten, und die künstlerische Leiterin der damals neuen Kulturfabrik Ruth Kiefer die Idee aufgriff.

Der Festival-Frühling: Echo-Preisträger und Bass-Held: Helmut Hattler.

Echo-Preisträger und Bass-Held: Helmut Hattler.

(Foto: Chris Marquardt)

Blues-Rock ist der Schwerpunkt, doch man legt das Genre nicht puristisch aus. Vom klassischem Delta-Blues über Bluegrass und R'n'B bis zu Soul, Funk, Weltmusik und Jazz mit hohem Blue-Note-Anteil ist alles erlaubt. Zum 29. Mal dürfen jetzt vor allem wieder die E-Gitarren jaulen und die E-Bässe grooven, etwa beim Echo-Preisträger und Bass-Helden Helmut Hattler oder seiner polnischen Jazz-Kollegin Kinga Głyk, bei Yasi Hofer und Aynsley Lister, beim auch in den USA geschätzten Kai Strauss, der britischen Band Catfish, dem französischen Duo Rozedale oder den Lokalmatadoren Sutcliffe. Die Gesangsfraktion verstärken der Schweizer "Voice of Germany"-Finalist Marc Amacher und Motown-Nachfahre San2 mit seiner Soul Patrol. Der gehört außerdem nebenbei zur Bluesharp-Meisterriege, der auch Chris Kramer angehört.

29. Rother Bluestage, So., 27. März, bis So., 3. April, Kulturfabrik, www.bluestage.de

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