Bayerische Dialekte:Spitzbuben und Tiefstapler

"Ho, des geht scho!" - das ist im nördlichsten Zipfel Bayerns, in Hof, Ausdruck des höchsten Lobes, aber beileibe nicht die einzige Besonderheit.

Christoph Plass

"Entsprechend dem herben Grundzug der Landschaft, des Bodens und des Klimas und entsprechend dem Charakter der Bewohner ist die Klangfarbe der Hofer rauh, für das Ohr des Fremden fast roh."

Gert Böhm

Schaut den Leuten aufs Maul: Gert Böhm

(Foto: Foto: oh)

Das schrieb 1924 der Nürnberger Heribert Kaiser in seiner Dissertation "Die Mundart von Hof an der Saale". Verdunkeln und Verdumpfen fast aller, mit Vorliebe aber der quietschfidelen, hellen Laute sei an der Tagesordnung: Die Aufforderung "bring" wird zu "breng", der "Zwirn" zum "Zwern" und die "Irmgard" kommt als "Ermgard" im Hofer Alphabet direkt nach dem "D".

Und: Was dumpf ist, klingt noch schauriger, wenn es richtig lang ist. "Dei Moo koo scho rei" - "dein Mann kann ruhig herein (-kommen)" - ist eine durchaus freundlich gemeinte Einladung.

"Manche Dialekte hören sich grauenhaft an, da die Vokale nicht klar getrennt werden", sagt Gert Böhm. Ein Sprachwissenschaftler sei er nicht - er ist einer, der dem Volk aufs Maul schaut: Seit 40 Jahren schreibt er den "Hofer Spaziergänger", die älteste Mundart-Glosse, die noch in einer bayerischen Zeitung erscheint.

"Jemand, der die Mentalität nicht kennt, versteht auch die Sprache nicht richtig." Dabei zielt er gar nicht so sehr auf das Wie, denn eher auf das Was ab: "Der macht scho sei Zeich", ist für den Hofer ein Ausdruck höchsten Lobes, für den Anderssprechenden eher eine gerade noch erkennbare Form der Respektbekundung.

Gert Böhm erzählt von einem Reihentanz, einer "Hofer Francaise", nach dem sich die Tänzer gegenseitig loben: Aus einem "Ausgezeichnet!" wurde im nördlichsten Zipfel Bayerns ein "Ho, des geht scho!", "Ja, das geht schon!".

Die Hofer Sprache habe etwas Spitzbübisches, erklärt Böhm: "Man legt nicht gleich alle Karten auf den Tisch." Als "bisweilen maulfaul" beschrieb vor 80 Jahren Doktorand Heribert Kaiser den Dialekt - "pragmatische Verkürzungen" nennt es Mundart-Experte Gert Böhm.

Auf die Frage nach der Befindlichkeit beispielsweise fällt in der Saalestadt oft der Ausspruch "Na scho", "Ja, schon": "Das ist ein komplettes Resümee", erklärt Böhm. Solch klaren Ansagen stehen aber auch gern gebrauchte "Schwammigkeiten" gegenüber, so Gert Böhm: Wenn der Hofer berichtet, dass er eine Reise macht, sagt er: "Do mach mer hie!", wörtlich: "Da machen wir hin!".

"Man erhält keine ausdifferenzierten Informationen über die Aktivität, jeder muss sie sich selbst vorstellen." Ist eine sprechfaule Mundart also umso denk-intensiver? "Vieles spielt sich auf einer zweiten Ebene ab", so Böhm.

Zum Hofer Gemüt gehöre - so schrieb Doktorand Kaiser - auch das Tiefstapeln: "A wengla", wörtlich: "ein weniglein", gehört als doppelte Verkleinerung zu den gern gebrauchten Beschreibungen. Das "-la", so Böhm, hänge man an alles - so klingt sogar das dunkle "Oaschla" (Ärschlein) oder das dumpfe "Enggala" (Enkelchen) ein wenig putziger.

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