Bauvorhaben:Bekommt München Wohnungen an der Galopprennbahn in Riem?

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Irgendwo hinter den Tribünenhäusern der riesigen Galopprennbahn in Riem liegt eine nicht minder riesige Trainingsbahn. Die will - und muss - der Münchener Rennverein irgendwann zu Geld machen. Womöglich entstehen dort mehrere tausend Wohnungen. (Foto: Claus Schunk)
  • Seit langer Zeit ist der Rennbetrieb auf der Galopprennbahn in Riem defizitär.
  • Immer wenn das Defizit zu groß wurde, verkaufte der Eigentümer, der Münchener Rennverein (MRV), Teile des Geländes.
  • Nun diskutiert der Verein eine neue Idee: Wenn er auf dem Gelände Wohnungen baut, könnte das langfristig Geld bringen.

Von Andreas Liebmann, München

Ein durchschnittliches Rennpferd nimmt etwa eineinhalb Quadratmeter Grundfläche ein. Soll es sich noch im Kreis drehen können, benötigt man natürlich etwas mehr Platz. Und wenn es das in vollem Galopp erledigen soll, nun, dann muss man dafür doch ein gewisses Stückchen Rasen vorhalten. Das sollte man nur wissen, um einerseits zu verstehen, dass der Münchener Rennverein (MRV) seine althergebrachte Art, angehäufte Schulden auszugleichen, noch eine ganze Weile weitertreiben könnte; und dass diese Art, andererseits, trotz allem endlich ist.

Bislang war es nämlich so: So lange sich Geschäftsführer Horst Lappe zurückerinnern kann, war der Rennbetrieb auf der Galopprennbahn in Riem defizitär. Mal mehr, mal weniger. Und immer wenn das Defizit zu groß wurde, verkaufte der Verein einen Teil seines Geländes im Münchner Osten. Stück für Stück. Für Stück. So sollte es auch weitergehen: Seit Jahren stand quasi fest, dass der MRV bald seine Trainingsbahn zu Geld machen würde. Doch nun hat der Vorstand den Mitgliedern in einer außerordentlichen Versammlung am Dienstagabend eine völlig andere Idee vorgestellt. Eine, die den Fortbestand des Rennvereins auf Dauer sichern könnte, und die bedeuten würde: Die Trainingsbahn wird nicht verkauft. Aber trotzdem bebaut.

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Die Idee ist eigentlich simpel. Die Stadt plant im Münchner Nordosten ein riesiges neues Wohngebiet. Dort, wo die Galopp- und die Trabrennbahn sowie die Olympia-Reitanlage liegen, befinden sich die letzten großen Freiland-Reserven Münchens. Man kann davon ausgehen, dass ein Verkauf des fraglichen, etwa 35 bis 45 Hektar großen Teils des MRV-Geländes einen hohen, vielleicht sogar bis zu dreistelligen Millionenbetrag bringen würde. Doch auch dieser wäre irgendwann verbraucht. Weshalb der MRV-Präsident, Rechtsanwalt Dietrich von Boetticher, nun zunächst sich, dann seine Vorstandskollegen und schließlich die Mitglieder fragte, ob man das Gelände nicht auch selbst bebauen könne. Und sich durch Mieteinnahmen eine Einnahmequelle auf Jahrzehnte sichern.

"Es ist erst mal nur eine Idee", erläutert Lappe, "und sie ist auch erst ein paar Wochen alt." Doch sie sei "sehr positiv aufgenommen" worden - am Dienstag von den Mitgliedern, die gleichwohl viele Fragen hatten, und zuvor bereits in Gesprächen mit Verantwortlichen der Stadt. Der Verein könnte auf diese Weise seinen Bestand erhalten, er würde "in engster Abstimmung mit der Stadt" und finanziert durch Bankkredite Unternehmen mit dem Bau und der Verwaltung der Wohnungen beauftragen und damit auf Dauer Einnahmen generieren. Und mit dem Bau von günstigen Mietwohnungen, so sieht es Lappe, täte man auch noch etwas Gutes für den angespannten Wohnungsmarkt der Stadt. Von bis zu 3000 möglichen Wohnungen ist in Vereinskreisen die Rede.

Neue Einnahmen sind dringend nötig, obgleich Sparmaßnahmen und die Reduzierung der Renntage das jährliche Defizit in Riem zuletzt fast bis an die schwarze Null führten. Die Stallungen auf dem Klubgelände und die mindestens ebenso maroden Mitarbeiterwohnungen müssen dringend saniert beziehungsweise neu errichtet werden, und irgendwann werden auch die Vorstandsmitglieder eine Aussicht auf Rückerstattung ihrer Darlehen haben wollen. 2,2 Millionen Euro haben Boetticher, Ehrenpräsident Wolfgang Wille und andere dem Verein geliehen, um den Rennbetrieb zu finanzieren. "Ihre Leistungen sind noch weit größer", sagt Lappe, "ein großer Teil waren Schenkungen und Spenden."

Bis in die 1950er Jahre hat Geschäftsführer Lappe zurückgeblickt und festgestellt, dass "immer wieder so genannte Anlagenabgänge" in den Bilanzen stehen, sprich: Grundstücksteile verkauft wurden. Mehr als 200 Hektar habe der Verein einst besessen, 96 sind übrig. Um etwas weniger als die Hälfte geht es nun, um deren beabsichtigten Verkauf es in den zurückliegenden Jahren viel Streit gab. Unter anderem deshalb hatte das Treffen am Dienstag überhaupt stattgefunden. Denn die eigentliche Mitgliederversammlung im April war vom Mitglied Erich Schwaiger angefochten worden und musste nun wiederholt werden. Grund: zwei satzungswidrig nicht behandelte Anträge.

SZ-Karte (Foto: SZ-Karte)

Schwaiger wollte das Trainingsgelände einst selbst erwerben, für bis zu 66 Millionen Euro, vor fünf Jahren war er sich mit dem damaligen MRV-Präsidenten Norbert Poth handelseinig. Doch die Mehrheit der Mitglieder verhinderte den Deal und wählte Boetticher zu Poths Nachfolger. Schwaiger und Boetticher sind seitdem nur mäßig gut aufeinander zu sprechen. Schwaigers Anträge - einer auf zeitnahe Einladung der Stadtbaurätin Elisabeth Merk, der andere auf rasche Ankaufverhandlungen mit dem Kommunalreferat -, wurden nun behandelt und mehrheitlich abgelehnt, Schwaiger selbst war zum Wiederholungstermin nicht erschienen.

Die Mitglieder waren nun weitgehend mit der neuen Idee des Präsidiums beschäftigt. Außerdem gab es ein paar Erfolge zu verkünden: Beim Frühjahrs-Meeting in Baden-Baden hatten 32 Münchner Pferde 18 Platzierungen erreicht, fünf Riemer Trainer brachten je einen Sieger ins Ziel. Und zum Saisonauftakt in Riem am 1. Mai mit Gruppe-III-Rennen waren trotz Regens 60 Prozent mehr Karten verkauft worden als im Vorjahr, der Wettumsatz war um fast 20 Prozent höher - damit war der Renntag erstmals seit Jahrzehnten kostendeckend. Das ist ja auch schon was. Falls es wirklich klappt mit der neuen Idee, dann soll laut Lappe in Zukunft auch wieder die Zahl der Renntage in Riem steigen. Bis zu einem möglichen Baubeginn werden allerdings noch einige Jahre vergehen.

© SZ vom 01.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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