Unterwegs im Baumarkt:Mein Grill, mein Werkzeug, meine Pflanzen

Unterwegs im Baumarkt: Anneliese Reiter ist im Baumarkt auf der Suche nach Düngemitteln. "Ich mag es, selber was zu machen", sagt die 75-Jährige und spricht damit für viele Kunden in den Münchner Baumärkten.

Anneliese Reiter ist im Baumarkt auf der Suche nach Düngemitteln. "Ich mag es, selber was zu machen", sagt die 75-Jährige und spricht damit für viele Kunden in den Münchner Baumärkten.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

In Münchens Baumärkten herrscht Hochbetrieb. Oft stößt man auf Dinge, von denen man gar nicht ahnte, dass man sie braucht. Und für all jene, die das Selbermachen erst noch lernen müssen, gibt es mit Sicherheit einen passenden Workshop.

Von Anna Hoben

Ein bisschen fühlt es sich an wie im Tropenhaus, aber es ist nur die Pflanzenabteilung des Hagebaumarkts in Unterföhring. Ein früher Nachmittag, drückende Wärme. Alexander Franke wischt sich den Schweiß von der Stirn. Mit seiner Tochter Marie ist er hergekommen, um eine Blume auszusuchen, aber was heißt da eine - die schönste soll es sein. "Hydra-irgendwas heißen die", sagt Marie, fünf Jahre alt. "Meine Frau liebt die", sagt ihr Papa. Hydrangea, besser bekannt als Hortensie. Lorbeer haben sie dort und Rhododendron, Gewürze und Kräuter, zu Hause auf der Dachterrasse im Bogenhausener Herzogpark. "Wir lieben das mediterrane Flair, den Geruch und die Optik", sagt Alexander Franke. Nach Ostern, als der Schnee weg war, haben sie angefangen, die Terrasse schön zu machen, jetzt tauschen sie nur noch ein paar Dinge aus. Außerdem will Marie sich noch eine Tomatenpflanze aussuchen. Die beiden müssen weiter.

In München gibt es 31 Baumärkte. Der Bedarf ist da, die Branche wächst. Die Deutschen sind Meister des Gärtnerns und Heimwerkens, München macht da keine Ausnahme. Der Baumarkt ist ein Ort, an dem man die Dinge findet, die man braucht. Und die Dinge, von denen man bis dato nicht ahnte, dass man sie braucht. Von März bis Mai dauere die Hauptzeit normalerweise, sagt Matthias Witschas, stellvertretender Marktleiter im Hagebaumarkt in Unterföhring, der genau genommen außerhalb der Stadtgrenzen liegt.

Wegen des bescheidenen Wetters im Frühling habe sich das dieses Jahr in den Juni hinein verschoben. Doch was einen guten Baumarkttag ausmacht, das ist eine Wissenschaft für sich. Zu schönes Wetter ist nicht gut, zu schlechtes natürlich auch nicht - "es muss genau die Mitte treffen", sagt Matthias Witschas. Und was zurzeit gut geht? "Pflanzen ohne Ende, Klimageräte, Lüfter, alles was abkühlt." Aber auch Fahrradsachen, Planschbecken, "alles, was draußen ist". Schwimmhilfen, "in allen Formen und Variationen, das wird jedes Jahr verrückter". Gerade angesagt: eine Stormtrooper-Schwimmfigur.

Besonders gefragt ist die Grillabteilung des Baumarkts

Beim Grillen gibt es ja schon lange keine Saison mehr. Für seine Anhänger ist das Grillen eine Lebensphilosophie für das ganze Jahr. "Sobald es zehn Grad hat, geht es bei den Leuten los", sagt Witschas. Sein Mitarbeiter Florian Heilmair, der Herr der Grillabteilung, würde da vermutlich nur müde lächeln. Angrillen, das gibt es bei ihm nicht mehr. Heilmair, 27, wartet nicht auf zehn Grad, er wirft auch im tiefsten Winter den Grill an. Also, einen seiner fünf Grills, zwei laufen mit Holzkohle, drei mit Gas. "Ich bin da bissl verrückt", sagt er, "aber jeder braucht sein Laster". Der vor einigen Jahren gestartete Grillboom ebbe schon wieder ein bisschen ab, sagt Heilmair. Im Baumarkt ist davon nicht viel zu merken, da stehen Grillgeräte so groß und so teuer wie kleine Einbauküchen.

Ab 15 Uhr kommt Leben in den Markt, an der Kasse steht man nun an, säckeweise Blumenerde liegt in den Einkaufswagen, und draußen verschwindet langsam die Sonne. "Jetzt muss es schnell gehen", sagt Matthias Witschas. Weil die Leute, die nach Feierabend noch kurz vorbeikommen, um eine Besorgung zu machen, rasch nach Hause wollen. Und weil keiner weiß, ob es nicht gleich anfängt zu regnen. So schnell geht es dann allerdings doch nicht.

Viele Produkte werden spontan gekauft

Auf einer Palette sitzt eine Frau mit Kniebandage und ruht sich aus. Ein Rentner mit Trachtenjacke und Hut ist eigentlich nur auf der Suche nach einem kleinen Teil für seinen Wasserhahn, hat sich aber in eine ganz andere Abteilung verirrt. Ein Mann im Hawaiihemd will eigentlich nur einen Blumentopf, interessiert sich jetzt jedoch für den grasgrünen Liegestuhl, der in der Mitte des Gangs ausgestellt ist. Und dann ist da noch die Frau, die eigentlich Camping-Klappstühlchen gesucht hat, um im Garten die Füße hochlegen zu können. Gefunden hat sie zwei Sitzkissen, die aussehen wie überdimensionierte Blätter.

Der Baumarkt ist ein Ort, an dem aus einem "eigentlich" schnell etwas ganz anderes wird. Mit den Sitzkissen, Modell Blatt, 9,99 Euro, auch erhältlich in den Varianten Melone, Orange oder Kiwi, will Brigitte Kutsch, wohnhaft im Arabellapark, für mehr Komfort bei ihren künftigen Biergartenbesuchen sorgen. Wobei es sie dort sowieso nicht lange auf der Bierbank hält, schließlich geht sie vor allem zum Tanzen hin: in die Hirschau oder in den Hopfengarten; dahin eben, wo die Livemusik spielt.

München ist eigentlich unterversorgt mit Baumärkten

Joachim Bengelsdorf ist Chefredakteur der Fachzeitschrift DIY, das steht für "Do it yourself", er kennt sämtliche Statistiken über Baumärkte. 31, damit sei München eigentlich "dramatisch unterversorgt", sagt er. Wem es also so vorkommt, als sei es in seinem Stammbaumarkt immer besonders voll, der hat womöglich recht. In München kommt ein Markt auf etwa 50 000 Einwohner, im Durchschnitt der 40 größten deutschen Städte sind es 30 500. Anders sieht es in ostdeutschen Mittelstädten aus, dort herrscht oft ein Überangebot. Zum Beispiel Zwickau: ein Markt je 7500 Einwohner, "die sind umzingelt von Baumärkten". In München gehen wegen der knappen Flächen und der hohen Preise viele Anbieter eher in die Peripherie. Der Trend, auch das weiß der Experte, gehe übrigens zu kleineren Geschäften.

31 Baumärkte

gibt es in München. Damit kommt ein Markt auf etwa 50 000 Einwohner. Im Durchschnitt der 40 größten deutschen Städte teilen sich 30 500 Einwohner einen Markt. München sei also unterversorgt, sagt Joachim Bengelsdorf, Chefredakteur der Fachzeitschrift DIY. Ganz anders in Zwickau: Dort kommt ein Markt auf 7500 Einwohner.

Der Trend geht auch dazu, Workshops und Seminare anzubieten, es kann ja nicht jeder oder jede ein Heimwerker-Naturtalent sein. Vor Kurzem, erzählt Matthias Witschas, gab es einen Kurs dazu, wie man aus Holzpaletten Regale, Sofas oder Couchtische baut. Es gibt Seminare zum Laminatverlegen und zum Streichen, Beratungen zur Gartenpflege und zum Kräuteranbau auf dem Balkon. Sie bieten auch Workshops für Frauen an, "Frauenpower-Abend" heißt das dann. "Einfach mal Fragen stellen, was in die Hand nehmen, vielleicht auch was kaputt machen", so beschreibt Matthias Witschas das Konzept, das komme immer gut an, 26 Frauen seien beim letzten Mal dabeigewesen.

Anneliese Reiter braucht keine Schulung in Frauenpower. Die 75-Jährige beäugt das Regal mit den Düngemitteln. Eigentlich, sagt sie, dünge sie schon lange nicht mehr, "aber der Rasen wächst und wächst nicht". Seit es Baumärkte gibt, ist sie immer gerne dort gewesen, "ich mag es, selber was zu machen - wie man an meinen Pfoten sieht", sagt sie und streckt ihre Hände vor, denen man glaubt, dass sie schwer in der Erde gewühlt haben. Gerade macht sie den Vorgarten ihres Reihenhauses schön. Unkraut entfernen, später mit Rindenmulch abdecken. Mit viel Mühe hat sie die immergrünen Thujen rausgerissen, künftig soll der Garten ganz "natürlich" sein. Anneliese Reiter zückt ihr Handy und zeigt Fotos, Kornblumen, ein Ginkgobäumchen, ein Urweltmammutbaum, der schon fast so groß ist wie sie. Glockenblumen, Hortensien, Pfingstrosen.

Und dann sind da noch die Clematis, die leider noch nicht blühen, anders als die von ihrem Bruder, der ihr ein Foto geschickt hat von seinen - ein bisschen Konkurrenz muss sein. Meine Tulpen, meine Rosen, meine Clematis: Der eigene Garten ist längst zum Statussymbol avanciert. Anneliese Reiter seufzt, und dann lächelt sie. "X Baustellen" habe sie noch. Es gibt viel zu tun.

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