Bauma:Chefin auf dem Männerspielplatz

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Mit ihren riesigen Kränen und Baggern sieht die Bauma aus wie eine Großbaustelle. Dass alles reibungslos läuft, ist die Aufgabe von Mareile Kästner. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Bauma in München ist die größte Baumaschinen-Messe der Welt.
  • In der kommenden Woche startet sie am Messegelände im Osten Münchens, aufgebaut wird bereits seit Monaten.
  • Die Projektleitung der Ausstellung, die gern als größter Männerspielplatz der Welt bezeichnet wird, hat eine Frau: Mareile Kästner.

Von Pia Ratzesberger

Das gelbe Monstrum könnte auch ein Schwimmbad in die Luft heben, aber Monstrum, das würde Mareile Kästner wohl nie sagen. Der Bagger zu ihrer Linken misst Höhe und Breite eines Einfamilienhauses, Minenbagger nennt man solche Kolosse, die im Bergbau schaufeln, "richtig smooth läuft der", sagt Kästner und blickt nach oben. "Wie in einem James-Bond-Film."

Hinter ihr kracht es, einer der kleineren Bagger hat eine Ladung Kies auf den Boden gekippt, ein Gabelstapler zieht den breiten Weg entlang, Kästner springt zur Seite. Während des Aufbaus muss eben auch die Chefin weichen. Aber Chefin, so will sich Kästner ohnehin nicht nennen. Sie verantwortet ja nur die größte Baumaschinen-Messe der Welt.

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Die weltweit größte Baumaschinenmesse startet erst im April. Doch die Aufbauarbeiten beginnen schon jetzt. Damit hat sie sogar eine längere Vorlaufzeit als das Oktoberfest.

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In den Hallen nebenan beißt der Geruch von Lack, Arbeiter beugen sich mit Kreissägen über Metallplatten, bohren meterlange Streben zu Gerüsten zusammen. Kästner, blauer Blazer, blaue Stoffhose, läuft mit großem Schritt an den Maschinen entlang, sie kann jetzt endlich sehen, was aus der Arbeit der vergangenen drei Jahre erwachsen ist: 605 000 Quadratmeter, ein Areal so groß wie 85 Fußballfelder, das mit all seinen Kränen und Baggern zwar aussieht wie eine Großbaustelle, aber für ziemlich viele Unternehmer die wichtigste Messe ihrer Branche ist.

Drei Jahre lang arbeiten die Baumaschinen-Firmen auf diesen Zeitpunkt hin, ob in Deutschland, den USA, Korea oder China. Sie entwickeln ihre neuen Produkte eigens so, dass die Kräne und Bagger pünktlich zur Bauma im April am Messegelände im Osten Münchens stehen, andere Unternehmen kaufen keine neuen Maschinen, bis die Bauma beginnt, erst dann werden Milliarden ausgegeben.

Kästner kennt die Materie und die Hauptdarsteller

In wenigen Tagen wird hier eine Woche lang über Kaufverträge verhandelt, draußen auf dem Freigelände, wo der große Minenbagger auf einen Käufer wartet, in den 16 Hallen, wo gerade noch Männer mit Stirnlampen die Raupenketten lackieren. Aber auch auf abendlichen Partys in der ganzen Stadt, mit der die Hersteller ihre Kunden umgarnen.

Wenn sich in den Tagen während der Bauma niemand bei Mareile Kästner beschwert, dann ist das ein gutes Zeichen. Dann weiß sie: Es läuft. Die 42-Jährige steht in Halle B 6 und beobachtet den Aufbau der Betonpumpen, ein deutscher Hersteller, den ein Konzern aus China aufgekauft hat. Wo sie auch entlanggeht an diesem Tag, Kästner deutet auf die Muldenkipper und Hebekräne, auf die Asphaltmischanlagen und Großhydraulikbagger und hat zu den meisten der mehr als 3000 Firmen im Kopf, wer aus welchem Land kommt, welche Familie hinter welchem Unternehmen steht.

So als wolle sie zeigen: Ich kenne meine Leute. Die Baubranche, die kennt Kästner schon ziemlich lange. Vor zwölf Jahren begann sie als Projektassistentin bei der Messe München. Sie hatte solch einen Job nicht angestrebt, letztendlich war es Zufall, die Stelle war eben frei, als die Innenarchitektin einen ersten Job suchte. Damals noch bei einer anderen Baumesse mit dem schlichten Namen Bau, heute sind es zwei Buchstaben mehr, heute ist es die Bauma. Eine Messe, die mit ihrem Areal voller bunter Kräne von fern auch an einen Freizeitpark erinnert. Andere würden sagen: an einen Männerspielplatz.

Entscheidung für eine Führungsrolle

Dass gerade hier eine Frau das Sagen hat, finden manche Männer ungewöhnlich. Kästner aber findet deren Frauenbild ziemlich ungewöhnlich. Natürlich kennt sie all die Fragen: Ob sie Vorurteilen begegne? Ob es nicht schwer sei sich durchzusetzen? Überhaupt: Sei es für Frauen nicht viel härter in Führungspositionen aufzusteigen? Kästner sperrt die Wagentür auf, setzt sich in den schwarzen VW, blickt über ihre Schulter nach hinten, den rechten Arm um die Lehne des Beifahrersitzers gelegt und steuert das Auto aus dem Parkplatz.

"Eine Führungsposition ist eine Entscheidung", sagt sie und fährt raus auf das Gelände, ein Gabelstapler kommt entgegen, Kästner weicht nach rechts aus. "Mehr nicht." Wenn sie an etwas scheitere, dann sicher nicht, weil sie eine Frau sei, sondern weil sie etwas nicht richtig beherrsche. Als Individuum, nicht als Frau. Mit weiblichen Stereotypen kann Kästner nichts anfangen, ihre zwei Mädchen etwa, klar stünden die auf Bagger und Kräne. "Das ist doch nicht nur Jungs vorbehalten". Genau wie eine Chef-Funktion.

Man müsse eben lernen Aufgaben abzugeben, sagt Kästner, während sie vorbeifährt an Tor 9, hinüber zur Hebetechnik. Sie habe eine Haushaltshilfe und zwei Kindermädchen, manchmal beschäftige sie mehrere Mini-Jobber gleichzeitig im Haus. Die 42-Jährige spricht über ihren Alltag nicht anders als über ihren Job. Wenn Kästner sagt "man muss frühzeitig Dinge einsteuern", dann kann sie damit entweder das neue Anmeldungsverfahren für Baumaschinenhersteller meinen oder ihre Kita-Platz-Suche.

Messe, Familie, ist eben alles nur Organisation. Kästner bremst und fährt langsam an einem Ausstellerstand vorbei, gerade wird ein Gerüst hochgezogen, Kästner beugt sich über das Lenkrad und blickt aus dem Fenster: "Bei der Verankerung im Boden, da müssen die noch einmal nachbessern." Ob die Leute hier erkennen würden, dass die Chefin vorbeischaut? Kästner schüttelt den Kopf, wenn man es genau nehme, sei sie ohnehin keine Chefin, sondern einfach nur Projektleiterin.

Auch wenn sie all das hier verantwortet, die 605 000 Quadratmeter, die mehr als eine halbe Million Besucher, die sieben Tage Bauma - lieber nicht übertreiben. Schon ihre Sprecherin sagte morgens in der Kantine, "die Mareile" spreche nicht so gerne über das, was sie geschafft habe, man müsse sie da immer etwas locken. Man kann das ungeschickt finden - oder unprätentiös.

Unprätentiöse Projektleiterin

Mareile Kästner hält an, da drüben, das sei ein ziemlicher schöner Kran. Vor ihr ragt ein meterhohes Konstrukt in den Himmel, ein schlanker Kran mit Führerhäuschen, der sich für Laien nicht von den dutzenden Nachbarn unterscheidet. Doch der sei neu, nun kämen immer mehr Kräne dazu "und das ist das Schöne", sagt Kästner. Weil sie dann weiß, dass die Planung funktioniert hat, dass jeder Aussteller richtig steht.

Das ist mit am kompliziertesten: Die eine Firma will nicht neben der Konkurrenz platziert sein, die andere will besonders viel Raum, die Dritte hohe Hallendecken. Mit den Baggerfirmen ist es nicht anders als mit den Urlaubern am Strand in Rimini, jeder will den besten Platz. Fragt man Kästner, was sie an Baumaschinen fasziniere, deutet sie auf eine der wuchtigen Schaufeln und sagt: "Schauen Sie doch mal hin, also das ist doch einfach cool." Was kann es auch schon Cooleres geben als einen Bagger?

Weltgrößte Baumaschinen-Messe Bauma
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Baggerschaufeln, in denen locker Kleinwagen parken können und Lastwagen so groß wie Einfamilienhäuser. Was auf der weltgrößten Baumaschinen-Messe in München präsentiert wird, beeindruckt - vor allem Männer. Die pilgern in allen möglichen Kostümierungen dorthin.

Ein Besuch von Stephan Handel

Wie viel Geld auf der Bauma umgesetzt wird, darüber gibt es keine Statistiken, man schätzt nur, dass ziemlich viele Maschinen für einen Preis im siebenstelligen Bereich verkauft werden. Ist die Münchner Messe ein Erfolg, geht es der Branche gut, und andersherum: 2007 etwa feierte man den Aufschwung; weil weltweit viel gebaut wurde, da vergaben manche Unternehmen an ihren Ständen so viele Aufträge wie lange nicht mehr. Drei Jahre später dann, nach der Finanzkrise im Jahr 2009, lagen die Baustellen plötzlich brach, allein in Deutschland ging der Umsatz mit Baumaschinen um mehr als die Hälfte zurück. Prognosen für dieses Jahr aber will Kästner keine nennen, immer wieder an diesem Vormittag beginnt die 42-Jährige Sätze mit "da muss ich jetzt aufpassen".

Sie will keine Fehler machen, schon gar nicht jetzt in den letzten Tagen, wenn der Großteil ihrer Arbeit getan ist. Alle Unternehmen sind angemeldet, die Fläche abgesteckt, die Plätze vergeben. Jetzt sind die anderen dran, die Pavillons hochziehen und Bagger zusammenschrauben, die verwirklichen, was Kästner und ihr Team skizziert haben.

Kästner biegt ab auf die Hauptstraße, zurück Richtung Messehaus, zurück ins Büro. Wenn sie diesen Weg in eineinhalb Wochen entlangfahren wird, wird alles vorbei sein, die ersten Bagger verschifft, die Kräne demontiert, wahrscheinlich werde sie dann einen kleinen Kater haben, von den Feierlichkeiten am letzten Abend - aber nur einen kleinen. Nicht übertreiben.

© SZ vom 06.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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