Süddeutsche Zeitung

Bauen:"Wenn Sie gute Architektur haben wollen, müssen Sie als Stadträte mutig sein"

Wie langweilig oder aufregend sind Münchens Neubauten? CSU-Fraktionschef Pretzl wettert gegen den "Einheitsbrei" - und wird von den Architekten gleich selbst in die Pflicht genommen.

Von Heiner Effern

Die CSU greift in der Debatte um die Qualität der Architektur in der Stadt nun auch das Planungsreferat scharf an. Wenn überall in München die gleichen Riegel aus Erdgeschoss plus drei Stockwerken mit Flachdach entstünden, müsse man "den Vorwurf machen, dass die Stadtplanung ihrer Aufgabe nicht gerecht wird", sagte Fraktionschef Manuel Pretzl bei einer Podiumsdiskussion seiner Partei. Die Behörde versuche, ihre Verantwortung "auf Wettbewerbe abzuwälzen" und durch die Auswahl der Teilnehmer "Politik zu machen". Bei den Wettbewerben nehme die Behörde in Pausen der Jurysitzungen immer wieder inoffiziell Einfluss auf Bauherren und Preisrichter, um eigene Vorstellungen durchzudrücken.

"Wir werden schauen, dass wir in den informellen Bereich eingreifen", kündigte Pretzl in der Veranstaltung am Freitagnachmittag an. Auch von Seiten der Baubranche kam scharfe Kritik an städtischen Wettbewerben. Man denke dabei an ergebnisoffene Verfahren und große Freiheiten, hieß es. "Meine Erfahrung ist eine andere: Die Wettbewerbe, die ich erlebe, sind meistens sehr autoritäre Verfahren", sagte der Bauunternehmer und Architekt Erich Schwaiger. Alle Eckdaten seien durch monatelange Verhandlungen von Planungsreferat, Anwaltskanzleien und den Fraktionen im Stadtrat vorgegeben. Entschieden werde nur noch über Details.

CSU-Fraktionschef Pretzl hatte vor einigen Wochen mit herber Kritik an der Architektur in der Stadt eine Debatte über die Qualität von Neubauten entfacht. Der momentan entstehende "Einheitsbrei" sei hässlich, wiederholte er am Freitag. Ein kleiner, elitärer Zirkel aus Architekten und städtischen Planern prägten das Gesicht der Stadt: Immer die gleichen Büros säßen in der Jury oder auf der anderen Seite mit ihren Entwürfen. "Genau diesen Kreislauf wollen wir durchbrechen", sagte Pretzl.

Eine gute Idee, kam es von der anwesenden Baubranche zurück. Schließlich trage letztlich die CSU wie alle anderen Fraktionen im Stadtrat die Verantwortung für die Eckdaten von großen Bauvorhaben sowie auch für die Zusammensetzung von Gremien. Es gebe offensichtlich "ein Systemproblem", sagte Karlheinz Beer, Vizepräsident der bayerischen Architektenkammer. "Das gibt es nicht in der Architektenschaft, sondern bei denen, die Architekten in die Gremien berufen: Das ist der Stadtrat."

Dieser könne selbst für Vielfalt und Transparenz sorgen. Als Beispiel dafür nannte er ein Hochhaus im Westend, dessen in sich verdrehte Form die Politik begeistert, bei den Experten der Stadtgestaltungskommission aber durchgefallen ist und nun deutlich angepasster gebaut werden soll. "Nehmen Sie die Chance wahr, als Stadtrat eine Entscheidung zu treffen", sagte Beer.

Bei der Politik würde auch der Ehrenpräsident der Architektenkammer, Lutz Heese, zuerst ansetzen. "Wenn Sie gute Architektur haben wollen, müssen Sie als Stadträte mutig sein." Die jetzige Mutlosigkeit sei entstanden aus dem Bemühen, keine Fehler zu machen. Das habe dazu geführt, dass zu viel im Vorhinein reguliert werde. Es finde eine "Vergewaltigung" privater Bauherren statt, sagte Heese. "Man sollte vermeiden, sozialistische Daumenschrauben in das Planungswesen einzubringen."

Pretzl versprach, den Konflikt mit den Stadtplanern einzugehen und vor allem die Wettbewerbe und die Gremien aufzubrechen. "Das ist schon eine Erfahrung, die man tatsächlich macht, dass im Vorfeld vom Planungsreferat die ausgesucht werden, die das genauso haben wollen, wie man es sich selbst vorstellt", sagte der CSU-Fraktionschef. "Wir wollen als Politik die Entscheidungen zurückholen."

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SZ vom 16.04.2018/infu
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